Bundesbildungsministerin Wanka

Warum die BAföG-Reform dauerhafte Stellen ermöglicht

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU)
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Johanna Wanka im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Mit Jahresbeginn 2015 werden nicht mehr die Länder, sondern der Bund für die Kosten des BAföGs aufkommen. Damit hätten die Hochschulen die Möglichkeit, unbefristete Stellen zu schaffen, sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) erwartet, dass die BAföG-Reform den Weg ebnet für mehr unbefristete Stellen an den Hochschulen. Dadurch, dass der Bund ab 1. Januar 2015 die BAföG-Finanzierung in Höhe von 1,2 Milliarden Euro übernehme, könnten die Länder erstmals seit Jahren wieder unbefristete Stellen schaffen, sagte Wanka im Deutschlandradio Kultur mit Blick auf die abschließenden Beratungen zu der Vorlage im Bundestag.
"Sie haben dauerhaftes Geld für Dauerstellen und können da zum Beispiel neue Stellen für die Professoren oder den wissenschaftlichen Nachwuchs (einrichten) oder Schulsozialarbeiter einstellen." Der Bund schreibe nicht vor, wie das in jedem einzelnen Bundesland zu geschehen habe. Wanka: "Jetzt kommt es darauf an, dass die Landesminister, dass die Landesregierungen auch diese große Chance nutzen."
Für dauerhafte Stellen weitere Gesetzesänderungen nötig
Natürlich könne es sein, dass die Länder die neuen finanzielle Spielräume nicht für die Universitäten, sondern für die Schulen nutzten, räumte die Bundesbildungsministerin ein. „Die Vereinbarung der drei Parteivorsitzenden war, dass das Geld eingesetzt werden kann im Hochschulbereich und im schulischen Bereich. Also ist es legitim, wenn die Länder Geld in den Schulen davon einsetzen – wobei die Grundintention war, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu stärken."
Damit die Universitäten tatsächlich mehr dauerhafte Stellen einrichteten, müsse auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz geändert werden, sagte Wanka. Hier gebe es noch Verbesserungsbedarf: „Halbjahresverträge und anderes, was nicht nötig ist, das wollen wir auf keinen Fall." Aber: „Wenn es darum geht, mehr unbefristete Stellen zu schaffen, dann gelingt das nicht durch eine gesetzliche Regelung, sondern durch die entsprechenden Stellen, durch das entsprechende Geld."
Das Interview im Wortlaut:
Johanna Wanka im Gespräch mit Korbinian Frenzel
Korbinian Frenzel: Heute löst der Bundestag ein Problem, das er sich selbst geschaffen hat vor gerade einmal acht Jahren. Damals beschloss man gemeinsam mit den Bundesländern im Bundesrat, der Bund möge künftig die Finger lassen von der Bildungs- und insbesondere der Hochschulpolitik. Kooperationsverbot nennt man das. Eine Schnapsidee war's, darin sind sich heute eigentlich alle einig.
Und deshalb werden wohl zwei Drittel der Abgeordneten zusammenkommen, die diese Grundgesetzänderung wieder rückgängig machen im Bundestag heute. Die Bundesregierung darf, wenn denn der Bundesrat auch noch zustimmt im Dezember, wieder mitmischen. Das macht die Frau, mit der ich jetzt spreche, ein ganzes Stück einflussreicher, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka von der CDU. Guten Morgen!
Johanna Wanka: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Was macht eine Bundesbildungsministerin mit ihren neuen Gestaltungsmöglichkeiten?
Wanka: Wir haben im Moment so viel Kooperation wie noch nie im Hochschulbereich zwischen Bund und Ländern, und das ist nur möglich, weil wir 2006 das Grundgesetz so geändert haben, dass es eben machbar ist. Die großen Pakte, der Hochschulpakt, wäre alles nicht möglich ohne die damalige Änderung des Grundgesetzes. Aber ...
Frenzel: Warum muss man denn dieses Kooperationsverbot dann auflösen, wenn es - das verwirrt mich jetzt gerade – eigentlich zu mehr Kooperation geführt hat?
Wanka: Ja, das verstehe ich. Es gibt kein Kooperationsverbot im Hochschulbereich, im Gegenteil. Wir haben aber die Beschränkung, dass die Kooperationen zeitlich befristet sind, also Pakte, die zehn oder fünfzehn Jahre, aber nicht sozusagen unendlich laufen können, und dass der Bund nicht institutionell fördern darf in den Hochschulen, sondern nur immer über Sondervereinbarungen. Und genau diese zwei Punkte wollen wir jetzt mit der Grundgesetzänderung ändern, damit wir noch viel unkomplizierter und besser zusammenarbeiten können.
Frenzel: Sie geben in erster Linie Geld, und zwar fürs BAföG, das ist der zweite Teil, der heute auch im Bundestag ist.
Wanka: Ja.
Frenzel: Die Länder werden entlastet, der Bund übernimmt also diesen Anteil. Das heißt, Sie zahlen, die Länder machen, was sie wollen. Das sieht mir jetzt nicht nach großer politischer Steuerung aus!
Wanka: Ja, wir haben nach einem Weg gesucht, wie kann man die Grundfinanzierung in den Ländern, in den Hochschulen verbessern, wie kann man die Grundfinanzierung stärken. Und das geht eben nicht über befristete Programme. Und in dem Moment, wo wir ab 1. Januar 1,2 Milliarden rund übernehmen als Bund, haben die Länder die Möglichkeit, das allererste Mal seit vielen Jahren, Dauerstellen ... Sie haben dauerhaftes Geld für Dauerstellen und können da zum Beispiel neue Stellen für die Professoren oder den wissenschaftlichen Nachwuchs oder Schulsozialarbeiter einstellen. Aber der Bund kann nicht und schreibt nicht vor, wie das genau in jedem einzelnen Bundesland zu geschehen hat.
Und ich glaube, im föderalen System ist es auch richtig, dass vielleicht die Entscheidungen, was macht man mit dem Geld, in Mecklenburg-Vorpommern andere sind als in Baden-Württemberg. Und jetzt kommt es darauf an, dass die Landesminister, dass die Landesregierungen auch diese große Chance nutzen. Und da haben Sie recht, das tun die Länder unterschiedlich.
"Die Länder sind sehr uneins"
Frenzel: Es gibt ja die Befürchtung, dass Ihr Ziel, die Hochschulen finanziell zu stärken, am Ende gar nicht aufgehen wird, weil die Länder die Spielräume, die Sie ihnen schaffen durch die Übernahme der BAföG-Kosten, nicht für die Unis nutzen, sondern für die Schulen. Bezahlen Sie am Ende möglicherweise etwas, das Sie gar nicht bestellt haben?
Wanka: Die Vereinbarung der drei Parteivorsitzenden war, dass das Geld eingesetzt werden kann im Hochschulbereich und im schulischen Bereich. Also ist es legitim, wenn die Länder Geld in den Schulen davon einsetzen. Wobei die Grundintention war, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu stärken. Und wie gesagt, es ist eine Riesenchance, die es viele, viele Jahre nicht gab.
Frenzel: Wenn wir schon beim Thema Schulen sind: Die Grünen, die brauchen Sie ja auch im Bundesrat, damit diese Grundgesetzänderung zustande kommt. Und die sagen: Ja, Kooperationsverbot lockern, super Idee, aber warum nur bei den Hochschulen, macht das doch gleich bei den Schulen auch! Warum wollen Sie das bei den Schulen nicht machen?
Wanka: Ja, das sagen Bundestagsabgeordnete. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass man in dem Bereich, in dem die Länder die Kompetenz haben, die Schulen, nicht einfach hineingreift, nicht einfach versucht, dort etwas zu erzwingen. Und die Länder sind sehr uneins.
Es gibt zum Beispiel das grün-rot regierte Baden-Württemberg, das will auf keinen Fall, auf keinen Fall eine Änderung im Schulbereich, und das gilt auch für eine ganze Reihe von anderen Ländern. Das heißt, die Länder haben dort sehr unterschiedliche Positionen, es gibt gar keine einheitliche Verhandlungsposition, über die man von Seiten des Bundes diskutieren würde, könnte.
Frenzel: Macht denn der Föderalismus, dieser, wenn man es böse sagt, Flickenteppich ja mit unglaublich vielen unterschiedlichen Schulsystemen und Modellen, die da angeboten werden, das deutsche Schulsystem besser?
Wanka: Ja, eindeutig. Gucken Sie mal nach PISA in Länder, die ein zentral gesteuertes Schulsystem haben, die sind viel, viel schlechter als die Leistungen in Deutschland. Und man kann sich ja vorstellen, dass man Schule in meinetwegen Bremen mit einem ganz hohen Migrantenanteil bei den Schulkindern, dass man dort die Schule anders gestalten, anders ausstatten muss, dass man auf andere Dinge Rücksicht nehmen muss als zum Beispiel in Sachsen. Und genau das ermöglicht das föderale System.
Aber was immer ein Nachteil ist, und das muss man auch sagen, das ist, wenn man wechselt von einem Land in ein anderes Bundesland, dass es dann Schwierigkeiten für die Schüler, Eltern et cetera gibt. Und ein Versuch ist, dass wir in der Kultusministerkonferenz vor einer Reihe von Jahren gesagt haben, die Schulen sollen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gestaltet werden, aber wir machen einheitliche Standards, was man können muss. Also, was muss ein Kind in der vierten Klasse in Mathe können?
Und jetzt ist die Zeit, wo man versucht das umzusetzen mit Vergleichsarbeiten. Das, finde ich, ist ein richtiger Schritt. Und es gibt auch Dinge, die man im föderalen System verändern muss, aber vom Grundsatz her bedeutet es: Man kann sehr unterschiedlich auf unterschiedliche Belange reagieren. Und das halte ich für einen Vorteil, für auch ein Wettbewerbselement zwischen den Bundesländern.
Frenzel: Sie haben gesagt, es gibt Bundestagsabgeordnete, die das fordern, die Länder eher nicht. Aber es gibt doch zumindest einen Ministerpräsidenten, nämlich den niedersächsischen Herrn Weil, der durchaus sagt: Lieber Bund, wir brauchen euch auch bei den Schulen! Wollen Sie diesem Ruf nicht nachkommen?
Wanka: Ich habe noch kein Angebot gehört, welche Kompetenzen der Bund dann für die Zehntausenden von Schulen erhalten.
Frenzel: Ich glaube, ihm ging's vor allem ums Geld!
"Wir werden auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verändern"
Wanka: Ja, ganz klar, ganz klar! Und da muss man sagen, dass der Bund sich ganz stark engagiert auch im schulischen Bereich über die Möglichkeiten, die er hat, wenn ich jetzt an die Unterstützung im Ganztagsschulbereich oder wenn ich an die Vergleichsstudien denke. Aber der Bund ist nicht in der Lage, er hat auch eine Schuldenbremse, jetzt sozusagen an jeder Stelle mangelnde Landesfinanzierung einfach zu ersetzen.
Frenzel: Da sind die prekären Verhältnisse der Bundes- und der Länderfinanzen. Schauen wir noch mal auf die prekären Verhältnisse, die viele Mitarbeiter im Wissenschaftsbereich erleben und erfahren! Wir haben mit Ernst Dieter Rossmann gesprochen, das ist der bildungspolitische Sprecher der SPD, und er macht sich da durchaus Sorgen.
Ernst Dieter Rossmann: Wir haben beim wissenschaftlichen Nachwuchs einerseits die Situation, dass allenfalls 20 Prozent vom wissenschaftlichen Nachwuchs in einer unbefristeten Beschäftigungslage sind, über 80 Prozent sind in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis. Und dieses ist weltweit ziemlich einmalig.
Es bringt bei aller Motivation, die der wissenschaftliche Nachwuchs hat, über den wir uns ja sehr, sehr freuen, trotzdem wissenschaftliche, soziale, finanzielle Probleme. Und deshalb müssen wir dort wieder in ein verträgliches Maß von Befristung zurück.
Und dafür wollen wir das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ändern, und wir wollen auch mehr Stellen so schaffen, dass man dort dauerhaft als junger Nachwuchswissenschaftler sich auf eine wissenschaftliche, auf eine forschende, auf eine Management-, auf eine praktische Arbeit vorbereiten kann.
Frenzel: Ernst Dieter Rossmann von der SPD. Frau Wanka, läuft er da offene Türen bei Ihnen ein? Das sind ja ganz konkrete Forderungen auch.
Wanka: Ja, wir sehen ja, wie die Situation ist des wissenschaftlichen Nachwuchses, das ist keine Erkenntnis, die nun ein einzelner Bundestagsabgeordneter hat. Und gerade deswegen geben wir ab 1. Januar in Größenordnung Geld für Hunderte, Tausende von Stellen, wenn man es denn macht, unbefristeten Stellen, die man, wenn man es will, für wissenschaftliche ...
Frenzel: Sie sagen, wenn man es will, wenn man es macht. Aber das ist ja häufig die Einschränkung. Haben Sie denn da auch Einfluss darauf? Sie geben das Geld, aber wenn die Unis dann sagen, für uns ist das ganz bequem, dass die Leute nur Ein-, Zweijahresverträge kriegen, weil wir dann flexibel bleiben, müssen Sie da nicht dran?
Wanka: Die Universitäten ... Wenn man die Praxis anschaut beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dann gibt es da Verbesserungsbedarf, Halbjahresverträge und anderes, was nicht nötig ist, das wollen wir auf keinen Fall. Aber wenn es darum geht, mehr unbefristete Stellen zu schaffen, dann gelingt das nicht durch eine gesetzliche Regelung, sondern durch die entsprechenden Stellen, durch das entsprechende Geld.
Und wir werden auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verändern. Das heißt aber nicht, dass wir dieses Problem – mehr unbefristete Stellen oder Stellenhülsen –, dass wir das damit lösen können, sondern das geht eher über das, was wir jetzt bereits beschlossen haben und heute wieder im Bundestag hoffentlich beschließen, mehr Geld und die Entscheidung in den Universitäten, das auch entsprechend einzusetzen. Und das tun auch eine ganze Reihe von Bundesländern, genau das, und haben dann natürlich einen Vorteil auch für ihre jungen Leute.
Frenzel: Das sagt die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Wanka: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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