Wirtschaftspolitische "Null-Kompetenz"
Manche nennen es einen "historischen Moment": Der Etatentwurf des Bundes für 2015 will zum ersten Mal seit 1969 eine "schwarze Null" schreiben. Die sei nicht zu halten, befürchtet der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel.
Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler und frühere Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft, Rudolf Hickel, hat sich kritisch über den vom Haushaltsausschuss genehmigten Etatentwurf des Bundes für 2015 geäußert.
Er sei sich ziemlich sicher, dass die "schwarze Null" nicht zu halten sei, sagte Hickel im Deutschlandradio Kultur. Es gebe jetzt bereits rückläufige Steuereinnahmen:
"Wenn die Konjunktur nur etwas schlechter läuft, dann wird sofort wieder aus der 'schwarzen Null' sozusagen ein schwarzes Defizit."
Der Preis, der für diesen Etat gezahlt werden müsse, sei die Niedrigzinspolitik. Gesamtwirtschaftlich gesehen zeige dieser Haushalt eine "Null-Kompetenz", kritisierte Hickel. Denn er baue nicht vor für den Fall einer möglichen konjunkturellen Abschwächung:
"Dazu fehlen die Impulse. Dazu wird viel zu wenig ausgegeben, beispielsweise im Infrastrukturbereich."
Wirtschaftspolitisches Fehlverhalten
Hickel warf der Bundesregierung "wirtschaftspolitisches Fehlverhalten" vor. Denn der Bundeshaushalt mit einem Volumen von fast 300 Milliarden Euro habe auch Einfluss auf die wirtschaftspolitische Entwicklung:
"Der Bund ist nicht die schwäbische Hausfrau, die die Bundeskanzlerin immer zitiert. Wenn der Bund jetzt sozusagen einen restriktiven, einen zurückhaltenden Haushalt fährt, dann belastet er am Ende die Konjunktur."
Wenn dadurch Wirtschaftspotential verloren gehe und es möglicherweise auch weniger Steuereinnahmen gebe, dann "kann das Ganze sehr schnell in sich zusammenbrechen".
Harte Kritik beim G20-Gipfel
Er rechne damit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem bevorstehenden G20-Gipfel in Australien mit einer sehr harten Kritik bezüglich ihrer Austeritätspolitik und den Auswirkungen der Euro-Politik konfrontiert werde, sagte Hickel. Die Bundesregierung stehe in der Kritik, weil sie beispielsweise in Griechenland und Spanien als Gegenleistung für Finanzhilfen "harte Abbaumaßnahmen" gefordert habe:
"Wir werden da eine große grundlegende Auseinandersetzung bekommen. Ich hoffe, dass sie zurückstrahlt am Ende auch auf die bundesdeutsche Debatte."