Ein wenig emotionaler und klarer, bitte!
Während Bundespräsident und Vize-Kanzler Klartext reden, bleibt Angela Merkel beim Flüchtlingsthema viel zu zurückhaltend, kommentiert Frank Capellan. Zu den großen Herausforderungen der Flüchtlingspolitik waren von ihr heute nur Allgemeinplätze zu hören.
Nüchtern, unkonkret, abwägend - wie sollte es anders sein: Angela Merkel bleibt ihrer Linie treu. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Gelassenheit die Kanzlerin auf die aufgeheizte Stimmung im Land reagiert. Brennende Flüchtlingsunterkünfte, Hasstiraden, Beleidigungen - eine Angela Merkel kann das nicht aus der Fassung bringen. Ungarn macht die Grenze dicht, Österreich stoppt Flüchtlingszüge, Europa sieht sich außerstande, für eine gerechte Verteilung der Menschen zu sorgen. Und was sagt die CDU-Chefin? "Die derzeitige Situation ist nicht zufriedenstellend." Viel mehr ist nicht von ihr zu hören. Würde es um den Euro gehen, wäre sie vermutlich schon auf dem Weg nach Brüssel.
Während ihr Vizekanzler Klartext redet und gewaltbereite Demonstranten political incorrect als Pack bezeichnet, während der Bundespräsident nicht nur vom hellen und dunklen Deutschland spricht, sondern sogar vom "Dunkeldeutschland" und damit die Frage aufwirft, ob und wenn ja warum der Fremdenhass in der ehemaligen DDR besonders groß ist, unternimmt die Chefin wieder einmal alles, um nicht anzuecken. Auf die Ost-West-Debatte will sie sich gar nicht erst einlassen. Wir sind ein Volk, ein Land, Punkt. Wer nach Erklärungsmustern sucht, zeigt immer auch Verständnis, fürchtet Merkel.
Mag sein, aber wäre es nicht dennoch hilfreich und angebracht, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen? Warum kann rechtsextremes Gedankengut in Teilen Ostdeutschlands salonfähig werden? Wie kann es sein, dass es während der Krawalle in Heidenau kaum Festnahmen gab? Wie ist es möglich, dass Merkels eigene Parteifreunde in Sachsen kläglich versagen, indem sie erst einmal ein juristisch zum Glück unhaltbares Versammlungsverbot erlassen?
Klare Regeln tun Not
Merkel redet all das schön, wenn sie darauf verweist, dass Deutschland trotz aller fremdenfeindlichen Ausschreitungen in guter Verfassung sei. Wohl wahr, die Hilfsbereitschaft vieler Deutscher ist überwältigend, das gibt Hoffnung, und doch muss die Politik, muss die Kanzlerin schnell, sehr schnell Antworten finden, damit die Stimmung nicht kippt. Schnelle Hilfen für die Kommunen, Schluss mit endlosen Asylverfahren, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik, zu diesen Herausforderungen waren von der Kanzlerin heute nur Allgemeinplätze zu hören. Und an ein Einwanderungsgesetz traut sich die Christdemokratin wegen des Widerstands aus den eigenen Reihen nach wie vor nicht ran.
Dabei täten klare Regeln Not, um gerade den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen deutlich zu machen, wer in Deutschland eine Perspektive haben kann. Immerhin: Ausdrücklich hat Angela Merkel dazu aufgerufen, nicht denen zu folgen, die zu Demonstrationen gegen Einwanderer aufrufen. Im Sinne der oft beschworenen Willkommenskultur allerdings hätte es gern ein wenig konkreter, emotionaler und klarer sein können - aber das ist eben nicht die Linie der Angela Merkel.