Die Zukunft des Kinos

Die Digitalisierung hat die etwa 140 kommunalen Kinos Millionen gekostet. Der Kraftakt ist geschafft, doch der Existenzkampf geht weiter. Ein Thema beim Bundeskongress in Potsdam: Wie können sie sich gegen Streamingdienste wie Netflix behaupten?
Die Suche nach der Zukunft beginnt mit einem Blick in die Vergangenheit: Im Kino-Saal des Filmmuseums Potsdam schauen die Kongress-Teilnehmer einen Stummfilm in Schwarz-Weiß von anno 1924 an: eine Dokumentation über das damalige Filmemachen im Studio Babelsberg, mit Live-Begleitung an der Kinoorgel.
Tjaja, so war das damals: Das Kino war Kunst, wer hin ging hatte vorher gespart und zog den besten Anzug an. Heute dagegen? Ein Jammertal, unablässig flimmern Bilder über Smartphones, Tablets und Laptops, während die Filmkunst untergeht. Meint zumindest Kongress-Schirmherr Volker Schlöndorff.
"Das ist alles auf dem Prüfstand, da weiß man überhaupt nicht, ob das weitergeht. Ich glaube, das Einzige, worum man sich keine Sorgen machen kann, ist die Zukunft der Multiplexe. Und alles andere muss neu erfunden werden. Denn wir leben zwar in einer Bilderflut, also alle Leute sehen ununterbrochen Audiovisuelles, nur meistens nicht im Kino. Vielleicht ist Kino als Saal überflüssig – glaube ich nicht, wäre schade drum. Aber so, wie es ist, reicht es wahrscheinlich nicht."
Keinen Schimmer zum Kino der Zukunft
Gefragt, wie das nichtkommerzielle Kino der Kommunen sich der Youtube-Herausforderung stellen kann, muss der 74-Jährige passen:
"Ich bin froh, wenn ich noch die Idee für einen nächsten Film habe, aber nicht, wie das Kino der Zukunft aussieht."
Eine neue Generation müsse das Kino neu erfinden, meint Schlöndorff noch.
"Und wie man die anlockt und wie man die für Filme interessiert in einem Land, wo die Filmkultur am Boden liegt, das ist sehr, sehr schwierig."
Doch die neue Generation ist längst am Werk: Manja Malz vom Kino B-Movie in Hamburg Sankt Pauli zeigt einen lustigen Trailer, mit dem ihr Team für das popcornfreie Kino wirbt. Und sie erzählt von immer ausverkauften Kinoabenden für Gehörlose, nach denen in Gebärdensprache heftig über den Film diskutiert werde. Hey Leute, meint Stefan Schimek vom Zebra-Kino in Konstanz unbefangen: Das böse Internet hat auch Riesenvorteile:
"Wir haben Live-Skype-Q&As gemacht. Also bei einem Film, der gar keinen deutschen Kinostart hatte, ‚Spring', der in Toronto 2014 Weltpremiere hatte, bin ich an die beiden Regisseure aus L.A. herangetreten, haben sie gefragt, ob sie Lust auf ein Live-Skype-Q&A hätten, hatten sie. Wir hatten im Juni bei über 30 Grad ein volles Haus, das war sehr cool. Man fragt die Regisseure, ob sie Lust auf ein Intro haben, also auf ein Video-Intro, oder die Hauptdarsteller, so was geht auch."
Ergraute Verbandsmitglieder
Junge Regisseure wollten halt auch noch gefunden werden, erklärt Schimek und rät den in Ehren ergrauten Mitgliedern des Verbandes für Kommunales Filmschaffen, doch mal bei Facebook oder schlicht Google ihr Glück zu versuchen. Schimek schreckt scheinbar vor nichts zurück: Sogar an den einstigen Todfeind des Kinos ist er per Mail heran getreten:
"Wenn hier jemand von Netflix zufällig da ist, immer gerne. "Beasts of No Nation" wird jedem ein Begriff sein, von Cary Fukunaga, der jetzt seit Mitte Oktober auf Netflix abrufbar ist. Klar, ich hätte den gerne zeigen wollen. Hätte sich Netflix gemeldet und man hätte da irgendwie eine Lösung gefunden, natürlich. Wieso nicht?"
Andere Kinos hatten da mehr Glück und konnten den Film zeigen. Bleibt abzuwarten, ob der Nachwuchs aufrütteln kann. Fest steht: Auch die nichtkommerziellen, von den Kommunen geförderten Kinos müssen kreativer werden. Das weiß auch Andreas Heidenreich, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes:
"Wenn ich vor fünf Jahren ein Programm gemacht habe, habe ich das für Cineasten gemacht, die einfach ins Kino gegangen sind, weil sie die Filme sehen wollten. Und jetzt mache ich die spanischen Filmtage für Leute, die spanischsprachiges Kino sehen wollen, oder die Anime-Filmtage oder das Queer-Filmfest oder was auch immer. Ich muss viel, viel mehr mit Zielgruppenpublikum und Zielgruppenmarketing arbeiten als das ich sag 'hier ist ein gutes, tolles Filmprogramm'."
Die kommunalen Kinos sollten sich nicht nur auf filmhistorische Programme oder Filmerbepflege verlassen, rät Ursula von Keitz, Direktorin des Filmmuseums Potsdam. Mehr Öffentlichkeitsarbeit, mehr Kooperationen auch mit Filmhochschulen, mehr Eventcharakter mit möglichst prominenten Gästen im Kino – dann habe man auch abseits des Mainstreams eine Zukunft.
"Also ich meine schon, dass dieses Pflegen und dieses Kultivieren einer filmischen Erfahrung die Chance ist, die in diesem Segment des Kinos als Betrieb die kommunalen und auch die guten Programmkinos nach wie vor haben, weil, da gibt's die leiseren Töne. Und es ist auch eine Chance, jenseits von dieser sehr stark infantilen Versorgtheit mit den Blockbustern wegzukommen und zu sagen: 'Guck mal, das ist die Breite der Filme'."
"Also ich meine schon, dass dieses Pflegen und dieses Kultivieren einer filmischen Erfahrung die Chance ist, die in diesem Segment des Kinos als Betrieb die kommunalen und auch die guten Programmkinos nach wie vor haben, weil, da gibt's die leiseren Töne. Und es ist auch eine Chance, jenseits von dieser sehr stark infantilen Versorgtheit mit den Blockbustern wegzukommen und zu sagen: 'Guck mal, das ist die Breite der Filme'."