Bundeskunsthalle Bonn: Eine kurze Geschichte der Menschheit
100 000 Jahre Kulturgeschichte
22. November 2016 bis 26. März 2017
Kulturgeschichte der Menschheit in 15 Objekten
In der Bundeskunsthalle in Bonn sind jetzt 100.000 Jahre Kulturgeschichte im Schnelldurchgang zu erleben. Insgesamt nur 15 Objekte sollen "eine kurze Geschichte der Menschheit" erzählen. Das gelingt leider nur ansatzweise.
Romane der Weltliteratur für die Bühne kennen wir schon. Thomas Manns "Buddenbrooks" oder der "Zauberberg" sind fürs Theater nicht mehr ungewöhnlich. Jetzt finden neuerdings aber schon Sachbücher auf die Bühne der Museen. Der Erfolgstitel des Historikers Yuval Noah Harari, "Eine kurze Geschichte der Menschheit", lieferte die ideelle Vorlage für die Ausstellung des Israel Museums. Zu dessen 50. Geburtstag ist diese Schau entstanden. Kuratorin Tania Coen:
"Die Ausstellung möchte nicht die ganze Geschichte der Menschheit erzählen, aber die Besucher einladen, bestimmte, wesentliche Momente dieser Geschichte zu bedenken, zu reflektieren. Das geschieht beispielhaft anhand ausgewählter Ausgrabungsstücke oder Manuskripte von Albert Einstein. Insgesamt sind es fünfzehn herausragende Objekte voller Bedeutung. Wir laden sie ein, den Einfluss dieser Gegenstände aufs heutige Leben zu entdecken."
Die Exponate passen in zwei Koffer
Im Grunde passen die Exponate in zwei Koffer. Die ersten behauenen Steine, prähistorische Werkzeuge dienen als Beleg für Werkzeuggebrauch. Feuersteine bezeugen den Gebrauch und die Domestizierung des Feuers. Ein etwa 60.000 Jahre altes Skelett eines Zungenbeins aus Nordpalästina belegt die Sprachfähigkeit des Menschen, die kommunikative Wende. Die Sprache schafft soziale Räume, Fortschritt, Lernen, Gedächtnis und Erinnerung.
"Wir zeigen die erste Revolution, die linguistische und kognitive, wir zeigen die landwirtschaftliche, die industrielle und die wissenschaftliche Revolution, von der wir noch nicht wissen, wo sie uns hinführt."
Ein 9000 Jahre alter, mit Stuck verzierter Schädel, gibt Auskunft über Ahnenverehrung. Eine Schale, in der Samen gemahlen werden, symbolisiert den Beginn des Ackerbaus vor 9000 Jahren.
Scherben und Tafeln, Fragmente mit den Zehn Geboten informieren über Religion und Gesetzgebung. Ausstellungsleiterin Agnieszka Lulinska:
"Der leitende Gedanke ist, wie hat sich der Mensch innerhalb seiner Geschichte entwickelt? Welche Fragestellungen waren über Jahrtausende aktuell und wie reflektieren wir das heute?"
Es geht also nicht um eine komplette Menschheitsgeschichte, sonder ausgewählte Stationen, die die Frage nach Familie, nach dem Wesen der Arbeit, nach Nachbarschaft oder der Wissensexplosion stellen.
Dazu gesellen sich zeitgenössische Kunstwerke, Fotos, Figuren, Videos, die zeigen, dass man aus Feuer auch Gaskammern bauen kann oder Atombomben und dass der Fernsehapparat die Funktion des Lagerfeuers übernommen hat.
"Wir haben ein Gespräch erzeugt, eine Begegnung zwischen archäologischen Gegenständen und zeitgenössischer Kunst, damit jeder die Vergangenheit und die Gegenwart sehen kann."
Entscheidende Fragen werden nur angerissen
Und da wird die Ausstellung problematisch. Als besuchenswerte Weihnachtsausstellung für die ganze Familie ist sie zum Nachdenken geeignet. Sie mag auch willkommenes Ergebnis eines deutsch-israelischen Kulturabkommens sein. Aber die Frage nach dem prometheischen Geist des Menschen, der Technik und Wissenschaft erfindet, um die Welt und seinen Nächsten zu unterwerfen, wird nur angerissen.
Auch die Frage nach Auslöschen und Überleben, extiction and survival, von Zivilisationen ist doch eine sehr handfeste, wenn ein Museum aus Israel in Deutschland ausstellt. Ganz zu schweigen davon, was gerade in Syrien und Afghanistan an Auslöschung von Bevölkerung passiert. Davon keine Spur.
"Ich finde, diese Ausstellung bietet einfach Entwicklungslinien. Sie versucht nicht, und das ist sehr wichtig, anhand von Exponaten, diese Entwicklung zu illustrieren. Sie stellt Fragen, sie markiert Wendepunkte."
Ein Bildschirm mit Ausschnitten des Stummfilmklassikers "Modern Times" mit Charlie Chaplin, ein paar alte Steine, Münzen und Knochen sind dann für den verwöhnten Museumsbesucher doch etwas wenig. Zum Staunen reicht es. Aber die Ausstellung wird Opfer ihres Themas.
Inzwischen gibt es die Weltgeschichte in hundert Objekten (Neil MacGregor), die deutsche Geschichte in hundert Objekten (Hermann Schäfer) und nun 100.000 Jahre Menschheit in fünfzehn Objekten mit ein paar hübschen Kunstwerken. Das ist eine Art speed-dating durch die Kulturgeschichte im Zeitalter von clip and casting. Ein schöner Parcours, letztlich aber Fassadenzauber. Spatenstiche ins Erdreich der Erinnerung, wie sie Walter Benjamin forderte, gelingen so nicht.