Bundeslandwirtschaftsministerin fordert von Milchbauern Anpassungen an den Markt
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat von den in der Krise steckenden Milchbauern mehr Anpassungsbereitschaft verlangt. Derzeit bemühe sie sich "auf allen Ebenen", um den betroffenen Bauern zu helfen, betonte die CSU-Politikerin.
Deutschlandradio Kultur: Wenn die Milch beim Discounter weniger kostet als eine gute Flasche Mineralwasser, was läuft dann eigentlich falsch?
Ilse Aigner: Das ist eine Frage des Marktes. Hier ist einfach zu viel Milchmenge momentan auf dem Markt. Die Molkereien bieten die Milch auch zu billig bei den Händlern an. Dementsprechend werden wohl auch noch die Verhandlungen geführt. Die Politik kann hier in dem Sinne nicht direkt auf die Preise einwirken. Das hat auch kartellrechtliche Relevanzen.
Deutschlandradio Kultur: Aber dann ist es doch ganz sinnvoll, wenn die Bauern sagen, wir machen einen Lieferstopp. Denn sie sehen ein, sie produzieren zu viel. Und das, was sie zu viel produzieren, müssten sie sich eigentlich sparen.
Ilse Aigner: Ich würde auf alle Fälle vorschlagen, dass gerade auch im Bereich der Molkereien mehr die Anstrengung dahingehend gemacht wird, die Vertiefung der Wertschöpfungskette, höherwertige Produkte zu produzieren und sich vielleicht auch etwas zu konsolidieren und auch eine Gegenmacht - in Anführungsstrichen - auch gegenüber dem Handel aufzustellen. Das scheint mir doch noch etwas ausbaufähig.
Deutschlandradio Kultur: Das scheint aber eher langfristig zu funktionieren. Kurzfristig sagen mehrere Bauern, vor allen Dingen auch in Bayern: Wenn wir nicht demnächst Geld bekommen, können wir den Laden dicht machen. Das nehmen Sie in Kauf?
Ilse Aigner: Das nehme ich erstens nicht in Kauf. Natürlich arbeite ich auf allen Ebenen, wo es irgendwo geht. Im Moment versuche ich gerade insbesondere ein Liquiditätsprogramm auf die Beine zu stellen. Da sind noch schwierige Verhandlungen, insbesondere natürlich auch im Finanzbereich. Aber da bin ich gerade mitten dabei. Das heißt, wenn jemand konkrete Schwierigkeiten bekommt, dass er auch Kredite bekommen kann. Die nächste Frage ist, wie wir auch Entlastungen mit der Vorziehung der Direktbeihilfen, die normalerweise erst am Ende des Jahres ausgezahlt werden, bekommen können.
Deutschlandradio Kultur: Diese Beihilfen würden Sie vorziehen auf den Oktober. Heute stehen die Bauern da und sagen: Eigentlich können wir unsere Milch direkt in den Gully schütten.
Ilse Aigner: Ich versuche das auch noch weiter vorzuziehen, aber das ist gerade im Moment in der Prüfung. Darüber hinaus möchte ich immer wieder darauf hinweisen: Das Einfachste wäre es, die Agrardieselbesteuerung wieder zurückzuführen auf den Stand vor Künast, vor den Änderungen. Das versuche ich seit mehreren Wochen. Aber es scheitert schlicht und ergreifend an der SPD. Ich finde es deshalb sehr bedauerlich, weil gerade auch die großen Betriebe jetzt große Schwierigkeiten bekommen, die monatlich die Löhne zahlen müssen und nicht mehr wissen, wie sie das Geld aktivieren. Das wäre sofort zusätzliches frisches Geld, das die Bauern bekommen würden. Aber an sich ist ja die Grundsatzfrage: Zu viel Menge auf dem Markt. Das ist eine Frage der Produzenten auf der einen Seite, auf der anderen Seite auch eine Frage des Exports oder des Wie-bring-ich-es-in-den-Markt.
Auch hier werden wir weiter versuchen nachzusteuern. Wir überlegen gerade auch eine zusätzliche Werbemaßnahme auf die Beine zu bekommen für die Milch, für den Milchkonsum - bis dahin, dass wir noch mal genauer hinweisen und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf hinweisen, sie sollen auf die Substitute achten. Man kann das auch erkennen. Es werden hier teilweise auch Milchprodukte vermutet, wo gar keine drin sind. Das ist nicht falsch gekennzeichnet, ich nehme mal den klassischen Pizzabelag, das ist aber nicht unbedingt dann Käse. Aber man kann es erkennen, wenn man genau hinschaut. Man könnte auch fragen und sagen: Ich will aber, dass hier Milchprodukte drin sind und nicht Substitute!
Deutschlandradio Kultur: Warum müssen Sie als Bundeslandwirtschaftsministerin überhaupt helfen? Die Bauern wissen, wohin die Reise geht. 2015 haben wir einen freien Milchmarkt. So hat es jedenfalls die EU beschlossen. Also muss man sich anpassen. Warum kommen die alle noch zu Ihnen?
Ilse Aigner: Wir haben auch auf der europäischen Ebene immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade die Frage des Ausstiegs aus der Milchquote auch begleitet werden muss. Es ist jetzt eben kein Softlanding, sondern es ist ein ziemlicher Crash. Das haben wir mehrfach angemerkt. Deswegen haben wir auch bei der Europäischen Union gesagt, sie muss ihre Sicherheitsmaßnahmen, die sie noch hat, auch ausbauen. Das ist auch unsere Pflicht. Das geht von der Intervention bis zur privaten Lagerhaltung bis hin zum Export. Da hat dann die Europäische Kommission auch mitgeholfen, aber all das löst das Grundproblem immer noch nicht, dass zu viel Milch auf dem Markt ist und der Absatz zusammengebrochen ist. Deshalb wollen wir jetzt hier ansetzen, hauptsächlich den Absatz wieder zu fördern.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn man den Absatz fördern möchte, das kann ja vielleicht gelingen oder auch nicht, je nach dem, wie der Konsument sich verhält. Wenn Sie sagen, 20 Prozent zu viel Milch im Moment in Deutschland, dann müsste man doch ehrlicherweise sagen: Leute, passt euch an. Ihr Bauern müsst das tun, wir werden das auf Dauer nicht subventionieren können oder wollen. Oder wollen Sie die Subventionen auf Dauer haben und sagen, wir wollen die Bauern erhalten, so wie wir sie heute haben?
Ilse Aigner: Erstens habe ich nicht von 20 Prozent gesprochen. Ich habe bloß gesagt, es ist zu viel Milch auf dem Markt.
Deutschlandradio Kultur: Wie viel ist es denn?
Ilse Aigner: Das kann man jetzt meines Erachtens nicht an%en festmachen, sondern man merkt es an der Preisgestaltung, dass zu viel Milch auf dem Markt ist. Was für uns wichtig ist, ist, dass die landwirtschaftliche Struktur auch auf Dauer erhalten wird. Das ist eigentlich die Grundsatzfrage, die man sich stellen muss, vor allem auch im Interesse des Verbrauchers. Wenn uns die Produzenten weg brechen und wir dann nur noch die Möglichkeit haben, die Produkte im Ausland oder woher auch immer zu bekommen, kann das auch nicht im Interesse des deutschen Verbrauchers sein, ganz abgesehen davon, dass wir auch eine funktionierende Landwirtschaft meines Erachtens zur Landschaftspflege haben müssen, dringend brauchen. Wir stellen ja auch von der Produktionsförderung auf die Hektar-Förderung sehr intensiv um.
Also, was verlangen wir von unseren Landwirten, dass sie mit höheren Standards, was den Umweltschutz, den Tierschutz, Wasserschutz usw. angeht, produzieren. Das gleichen wir dann durch die Direktzahlungen aus. Und das Zweite sind besondere Förderungen über die zweite Säule für benachteiligte Gebiete, wo ich keine Chance habe, auf irgendetwas umzusteigen, weil es einfach nur Grünland ist und ich nichts anderes anbauen kann. In allen anderen Bereichen wird auch mehr der Markt einziehen. Das ist korrekt.
Deutschlandradio Kultur: Was sagen Sie dann den Milchbauern, zum Beispiel dem Milchbauern in Bayern? Soll er nun aufhören oder nicht?
Ilse Aigner: Nein. Ich versuche eben auch über dieses Milchbegleitprogramm, das jetzt im Jahr 2010 einsetzt, und auch über das Konjunkturprogramm, wo wir auch Mittel bekommen haben, zusätzlich zu fördern über die Frage Wettbewerbsfähigkeit, also einzelbetriebliche Förderung, um sich besser aufzustellen. Wir fördern sie über die Frage der Grünlandprämie, eben für die benachteiligten Gebiete. Und sie können auch gefördert werden über solche Programme wie die Weideprämie. Ansonsten müssen sie sich natürlich zukünftig auch selbst wettbewerbsfähig aufstellen, keine Frage.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt auch Diversifizierung? Der Milchbauer, der nur noch Milchkühe hat, wird nicht überleben können?
Ilse Aigner: Diese Mono-Aufgestellten sind nicht so sehr, wie Sie vielleicht vermuten, in den Bereichen, aus denen ich stamme, sondern die sind eigentlich mehr in anderen Bereichen der Bundesrepublik. In der Regel haben bei uns in den südbayerischen Gebieten die Bauern schon auch mehrere Standbeine. Die haben noch Wald dabei, die haben Milchbauern dabei, die haben Nachzucht dabei usw., usf. Aber ein wesentlicher Einkommensbereich ist natürlich die Milch. Deshalb wird hier auch immer wieder Nachsteuerung nötig und sinnvoll sein.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn die EU jetzt wieder mit alten Rezepten reagiert, zum Beispiel mit der Intervention, also dem Aufkauf von Produkten, oder aber mit der Exportförderung besonders in Drittländer, dann machen wir dort die Märkte kaputt, nur weil wir Überschüsse haben. Das kann doch nicht gut sein.
Ilse Aigner: Die Intervention ist die unterste Marge, die unterste Auffanglinie, das letzte Fallnetz. Das hat letztendlich nichts mehr mit kostendeckenden Preisen zu tun. Deshalb ist es auch ein sinnvolles Instrument, wenn ich ansonsten die Leute in den Markt schicke. Zur zweiten Frage mit den Exportbeihilfen möchte ich immer wieder drauf hinweisen, es werden hier unsere höheren Preise nicht unter Weltmarktniveau, sondern auf Weltmarktniveau unterstützt.
Die Zielrichtung ist alles andere, als irgendwelche Entwicklungsländer, das war auch immer unser Bestreben, haben wir auch mehrfach innerhalb der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass wir das nicht in diese Länder, sondern in aufnahmefähige Märkte, wir Russland, Amerika, wie Indien, wie China auch unterstützen wollen und unseres Erachtens nicht die Märkte destabilisieren wollen. Wir liefern allerdings auch in Länder, bei denen überhaupt gar keine Milchproduktion stattfindet. Die wollen auch Milch haben. Sie könnten sich auf der anderen Seite auch durch höhere Zölle schützen, was sie nicht tun.
Deutschlandradio Kultur: Ich will noch mal auf diese kurzfristige Not der Milchbauern eingehen. Es gab den Milchgipfel. Viele der Beteiligten waren nicht richtig zufrieden. Jetzt fordert der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, Ihr Parteifreund, einen weiteren Milchgipfel. Was kann da rauskommen?
Ilse Aigner: Erstens war das ein Runder Tisch über alle Bereiche der Lebensmittelkette, weil auch andere Bereiche der Lebensmittelwirtschaft oder der Landwirtschaft Probleme haben. Ich sage nur den Bereich der Getreide, der auch 42 Prozent Preiseinbruch von März letzten Jahres auf dieses Jahr hatte. Auch im Schweinebereich hat es immer wieder Einbrüche und diese großen Marktschwankungen gegeben. Deswegen ist es sinnvoll, sich über die Struktur der Lebensmittelkette insgesamt zu unterhalten - über die Veredelung bis hin zum Einzelhandel. Dieses haben wir in einem Großaufmarsch gemacht.
Ansonsten sind die Probleme jetzt eigentlich bekannt. Es ist die Frage: Wie kriege ich jetzt das Geld, um zum Beispiel die Direktbeihilfen vorzuziehen? Wie kriege ich das mit dem Agrardiesel hin? Was kann ich sonst unter der Frage Absatzförderung auch noch zusätzlich aktivieren? Das sind die Fragen, die muss ich jetzt klären. Das ist das Wichtige.
Deutschlandradio Kultur: Noch eine kleine Zusatzfrage: Müssen wir der CSU noch die Milchquote austreiben, oder wollen Sie das gar nicht?
Ilse Aigner: Ich habe in allen Veranstaltungen, die jetzt momentan geführt habe, darauf hingewiesen, dass es einen aktiven Beschluss einer Kommission bräuchte, um zu sagen, wir wollen die Milchquote verlängern. So ist eigentlich die Reihenfolge. Ich sehe hier momentan keine Bereitschaft von Seiten der Europäischen Kommission, um es mal freundlich zu formulieren. Die andere Variante wäre, dass alle 27 Agar-Minister einen Beschluss fassen und die Kommission einstimmig auffordern, eine Verlängerung der Quote zu bringen. Diese Wahrscheinlichkeit halte ich unter den mir bekannten Persönlichkeiten, die da sitzen, auch für sehr, sehr gering. Und wenn das offensichtlich mit dem Absatzmarkt nicht funktioniert, dann ist die Forderung der CSU, das über die Menge zu steuern, nach wie vor da.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie selber sagen nicht, dass sie eindeutig gegen die Milchquote sind?
Ilse Aigner: Ich sehe Momentan keine Mehrheit das durchzusetzen. Ich habe es mehrfach versucht, das über die Mengensteuerung hinzukriegen. Ich kriege weder in der Bundesrepublik Deutschland, noch auf der europäischen Ebene dafür Mitstreiter. Insofern versuche ich lieber einen Plan B zu entwickeln und diesen dann voranzutreiben. Das ist mir wichtiger im Moment.
Deutschlandradio Kultur: Aber eine europäische Agrarförderung wird es so oder so in der nächsten Zeit geben. Das ist unstrittig?
Ilse Aigner: Ja, es wird eine Agrarförderung insgesamt noch bis 2013 geben. Über diese Frage beginnt jetzt langsam auch die Diskussion. Wo könnte es hingehen? Wir haben zwei Säulen der Agrarpolitik. Die erste Säule ist die Direktförderung, also, die direkte Einkommensstützung, begründet auf die zusätzlichen Leistungen, die wir von unseren Landwirten abverlangen. Es wird kontrolliert über die Cross-Compliance-Vorschriften. Wenn sie diese nicht erfüllen, bekommen sie Abzüge. Im Gegensatz zu früher, wo die Prämien sozusagen an die Produktion gekoppelt waren, wird das jetzt in einem fließenden Prozess bis 2013 vollkommen entkoppelt auf eine direkte Förderung zur Bestellung des einzelnen Hektars, eben unter diesen hochqualitativen Voraussetzungen, die zurecht die Verbraucherinnen und Verbraucher, wir alle verlangen, nämlich höhere Naturschutzstandards, höhere Wasserschutzstandards, höhere Umweltstandards, Tierschutzstandards, die deutlich höher sind als in Drittstaaten. Um die geht es jetzt.
Das ist die Begründung und die Legitimation, dieses auch nach 2013 fortzusetzen.
Und im zweiten Bereich, der zweiten Säule geht es dann bis zur Frage zur ländliche Entwicklung, zur Frage Energiegewinnung, zur Frage benachteiligter Gebiete usw., usf., also die Sonderleistungen und darüber hinausgehend zusätzliche Leistungen im Bereich Naturschutz, die gesondert entgolten werden über die zweite Säule. Dies ist eigentlich die Richtung, in der unser Haus, in die mein Haus auch künftig weitermarschieren wird. Die Weichenstellungen werden aber erst nach und nach getroffen.
Deutschlandradio Kultur: Und warum wollen Sie dann nicht über das Ausmaß der Direktzahlungen informieren? Warum der Streit um den Verbraucherschutz?
Ilse Aigner: Hier geht es jetzt momentan um eine rechtliche Klärung. Wir haben hier eine ganz seltsame Situation. Wir haben eine verabschiedete Transparenzrichtlinie. Noch unter meinem Vorgänger Horst Seehofer wurde diese verabschiedet. Das Problem war, dass Einzelne, die betroffen sind, bei Gerichten in Deutschland geklagt haben und wir jetzt eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen haben, die unterschiedlich bewerten. Die einen sagen, es muss veröffentlicht werden, die anderen sagen, es darf nicht veröffentlicht werden aus datenschutzrechtlichen Gründen. Da haben wir uns gemeinsam mit den Ländern darauf geeinigt, dass wir das jetzt erst mal in die nächste Instanz vorantreiben. Es gibt jetzt wieder zwei nächstinstanzliche Gerichtsverfahren beim Oberverwaltungsgericht, hier wieder zwei unterschiedliche Voten. Die einen sagen, veröffentlichen, die anderen sagen, nicht veröffentlichen.
Und ich bin auch zuständig für die einheitliche Rechtsetzung. Deshalb werden wir diese Frage erst schnellstmöglich klären müssen, damit wir dann auch rechtliche Klarheit haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn die Frage rechtlich geklärt ist und vom Grundsatz her hoffentlich bald: Wären Sie bereit, alle Daten zu veröffentlichen, so wie es der Datenschutzbeauftragte fordert, so, wie es auch die EU-Agrar-Kommissarin eigentlich fordert?
Ilse Aigner: Wir haben den Beschluss nicht grundsätzlich infrage gestellt, aber ich muss auch reagieren auf Gerichtsurteile. Es kann letztendlich jetzt bis zum Bundesverfassungsgericht kommen. Das ist dann eine interessante juristische Frage. Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, es ist unzulässig, und das EU-Recht was anderes sagt, dann müssen wir bis zum Europäischen Gerichtshof.
Deutschlandradio Kultur: Und wenn Sie es nicht klären oder wenn es nicht bald geklärt wird, dann droht die EU-Agrar-Kommissarin mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Ärger kriegen Sie so oder so.
Ilse Aigner: Ich kriege so oder so immer Ärger. Wir haben das aber auch geklärt mit der Europäischen Kommission. Sie wissen, dass wir das juristisch schnellstmöglich klären wollen. Wir haben das auch gegenüber den Ländern noch mal dokumentiert, dass wir darauf hinweisen, dass wir das in die nächste Instanz vorantreiben wollen. Wir werden uns auch in 14 Tagen noch mal unterhalten, ungefähr in diesem Zeithorizont, wie die neueste rechtliche Lage ist, und dann erneut
reagieren.
Deutschlandradio Kultur: Für mich als Laien war es ja ein lernender Nebeneffekt, dass gesagt worden ist: Wesentliche Gelder der Agrarförderung gehen an branchenfremde Unternehmen, beispielsweise die Lufthansa, die im Catering nach über Übersee Hähnchen aus der Europäischen Union verteilt. Das ist doch eigentlich ein Unding.
Ilse Aigner: Das ist ein Beispiel. Das sind offensichtlich historische Gegebenheiten. Aber es gibt auch andere Bereiche. Wenn eine Firma, wie auch immer die heißt, zum Beispiel Flächen bestellt und da noch historische Prämien erhält, wie jeder normale Landwirt. Da muss man einfach immer in die Vergangenheit schauen.
Aber noch mal: Ich habe da kein Problem, dieses zu veröffentlichen. Wir werden das auch noch mal auf den Prüfstand stellen. Es ist keine grundsätzliche Entscheidung, sondern eine juristische dringende Klärung.
Deutschlandradio Kultur: Und wann schaffen Sie das ab?
Ilse Aigner: Die juristische Klärung?
Deutschlandradio Kultur: Nein, diese historischen Privilegien von Unternehmen, die sie eigentlich nicht brauchen?
Ilse Aigner: Das ist im Prinzip immer wieder auf dem Prüfstand, jedes Mal wieder. Für die ganzen Förderungen werden auch bei der neuen Agrarpolitik ab 2013 die Weichen neu gestellt. Da wird das bestimmt auch wieder aufs Tablett kommen.
Deutschlandradio Kultur: Wechseln wir noch mal das Thema. Sie haben die Aussaat des Gen-Mais Mon810 nicht erlaubt, aber wohl den Anbau der Gen-Kartoffel "Amflora". Sind Sie nun für oder gegen die grüne Gentechnik?
Ilse Aigner: Erstens geht es da um zwei vollkommen unterschiedliche Sachzusammenhänge. Das eine ist die Frage des einzigen konventionell zugelassenen Anbaus aus europarechtlicher Sicht, also eine europäische Zulassung Mon810. Hier hatten wir Hinweise, Nachweise, dass es eben auf Schädigungen der Umwelt hinauslaufen könnte. Dieses ist jetzt auch in erster Instanz vom Gericht bestätigt worden, was mich sehr, sehr gefreut hat. Das ist die eine Sache, also, die Zulassung eines konventionellen Anbaus.
Bei der "Amflora"-Kartoffel geht es um einen Versuchsanbau unter allerallerhöchsten Sicherheitsvorkehrungen, die ich auch in Gesprächen mit der Firma noch wesentlich verschärft habe, auf der Rechtsgrundlage des Gentechnikgesetzes. Dieser Versuch wurde schon vor zwei Jahren mit einer wesentlich größeren Fläche genehmigt, 155 Hektar damals, unter geringeren Sicherheitsauflagen. Die habe ich wesentlich verschärft und auf 20 Hektar reduziert, eingezäunt mit einem Wildschutzzaun.
Die entscheidende Frage, der entscheidende Unterschied ist für mich aber, dass diese Gen-Kartoffel allein für den industriellen Bedarf letztendlich jetzt in diesem Versuchsanbau angebaut wird und auch definitiv nicht in den Lebens- und Futtermittelkreislauf kommen darf. Hier sind alle Sicherheitsvorkehrungen dafür getroffen.
Deutschlandradio Kultur: Horst Seehofer ist der Meinung, generell soll die Genforschung nicht auf dem freien Feld stattfinden, sondern im Labor. Ist das richtig?
Ilse Aigner: Wir werden zu dieser Frage, was im Freiland oder nicht im Freiland sein muss, auch einen Dialogprozess anstoßen. Das beginnt mit einer gemeinsamen Veranstaltung mit Annette Schavan, im Wesentlichen zu der Frage Sicherheitsforschung. Hier wird auch die Frage, brauche ich Freilandforschung, eine wesentliche Rolle spielen. Das werden wir intensiv mit den Forschern, aber auch mit den Pflanzenzüchtern und allen Beteiligten diskutieren.
Deutschlandradio Kultur: Was sagen Sie denn als CSU-Politikerin? Brauchen wir diese Freilandversuche, was gentechnisch veränderte Lebensmittel oder landwirtschaftliche Produkte angeht? Brauchen wir das oder sollten wir darauf verzichten?
Ilse Aigner: Was immer geht, sollte man erst mal im Labor machen. Und dann muss man die Frage stellen: Was muss zwingend überhaupt im Freiland sein? Dieses will ich eben bei diesen Runden Tischen auch dementsprechend erörtern.
Deutschlandradio Kultur: Aber die CSU will ja mehr. Die will eine gentechnikfreie Zone haben, nämlich Bayern.
Ilse Aigner: Es geht, wenn, dann um eine gentechnikanbaufreie, weil Gentechnik ist überall.
Deutschlandradio Kultur: Okay, eine gentechnikanbaufreie Zone, aber wie soll das funktionieren? Bayern macht nicht mit und die anderen dürfen es tun oder wie?
Ilse Aigner: Das ist auch eine grundsätzliche Frage, die wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr klären werden. Sondern die CSU bzw. mein Vorgänger und übrigens auch ich in Person, allerdings nicht die Bundesregierung, vertritt eigentlich die Ansicht, dass wir uns auf europäischer Ebene darüber unterhalten sollen, ob die Frage der Zulassung zwar europäisch geklärt wird, die Frage des Anbaus aber regionalisiert werden kann. Hierzu gibt es auch letztendlich Vorschläge zum Beispiel auch aus Holland. Das wird in einem weiteren Diskussionsprozess zu klären sein.
Deutschlandradio Kultur: In welche Richtung soll das denn gehen? Gentechnikversuche im Freiland nur für Forschungszwecke oder mit dem Ziel, dass BASF oder wer auch immer Produkte auf den Acker bringen und damit auch Geld verdienen?
Ilse Aigner: Im Wesentlichen brauchen wir erst mal Grundlagenforschung und auch Produkte, bei denen die Menschen anerkennen, dass es einen Nutzen bringt. Ich glaube, dass bei der Stärkekartoffel schon ein anderer Aspekt ist als bei der Frage Ersatz von Pflanzenschutzmitteln, um das mal ganz deutlich zu sagen. Hier geht es rein um die industrielle Produktion. Und wir werden andere Bereiche erforschen müssen, wie zum Beispiel die Frage Trockenresistenzen. Hier wird seit Jahren versprochen, dass es hier Möglichkeiten gibt. Sie sind noch nicht in absehbarer Zeit verfügbar.
Deshalb werden wir uns über die Zielsetzung, was brauchen wir für Pflanzen, in welcher Richtung, nicht nur in der Frage der speziellen grünen Gentechnik, sondern insgesamt in der Pflanzenforschung meines Erachtens auch mit den Pflanzenzüchtern unterhalten müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wie ist denn nun Ihre Position? Sie waren in Ihrem früheren Leben Forschungspolitikerin, haben sich dafür eingesetzt, dass die Genforschung auch auf dem Acker stattfinden kann, dass es auch gentechnisch veränderte Produkte geben darf. Hat sich da Ihre Haltung gewandelt?
Ilse Aigner: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir forschen müssen - das habe ich auch immer gesagt - unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Das habe ich früher schon gesagt. Ich war hier immer auf der vorsichtigen Seite im Bereich der grünen Gentechnik. Und ich werde es auch künftig sein. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Kann ich eine Freisetzung genehmigen oder kann ich eine Freisetzung nicht genehmigen? Für die ist übrigens das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel federführend zuständig.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist es aber doch so, dass - wenn man Umfragen glaubt - über 70 Prozent der Deutschen sagen: Wir wollen keine Gentechnik auf dem Acker haben. Sie müssen ja auch Politik machen, Wahlen gewinnen, Europawahl und dann die Bundestagswahl. Wie weit können Sie Rücksicht nehmen auf diese Bedenken und wie weit nehmen Sie Rücksicht, indem Sie sagen, nein dann lassen wir das? Es ist politisch nicht umzusetzen.
Ilse Aigner: Das hat in diesem Fall jetzt gut gepasst, muss ich jetzt mal sagen, bei Mon810. Aber die entscheidende Frage, um auch vor Gericht zu bestehen, ist nicht diese Frage, sondern: Kann ich fachlich begründen, dass Gefahren davon ausgehen? Dieses war Gott sei Dank der Fall, dass ich dieses auch begründen konnte. Und es wurde jetzt auch in der ersten Instanz so gesehen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem ist es ja ein bisschen schwierig. Wenn man die CSU in ihrer Argumentation sieht, weiß man nicht so ganz, wo sie hin will. Einmal will sie es wissenschaftlich begründen, Sicherheitsforschung, dann will sie es moralisch-ethisch begründen, nämlich Wahrung der Schöpfung, oder aber populistisch, nämlich: Das Volk ist dagegen, wir machen es auch nicht. Was machen Sie nun?
Ilse Aigner: Ich zitiere jetzt vielleicht auch noch mal meinen Vorsitzenden, damit das auch klargestellt ist. Der sagt: "Wir brauchen auch Forschung und wir unterhalten uns über die Frage, wie wir Forschung gestalten." Er hat dieses auch mehrfach, jetzt auch nach dieser Entscheidung, wieder bestätigt.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt also: Zwischen Frau Schavan, Frau Merkel, Herrn Seehofer und Ihnen passt kein Fliesblatt?
Ilse Aigner: Also, es gibt vielleicht unterschiedliche Nuancen, würde ich sagen.
Deutschlandradio Kultur: Dann nennen Sie die doch noch mal, bitte.
Ilse Aigner: Die CDU ist stärker für die gentechnische Forschung. Die CSU ist etwas zurückhaltender.
Deutschlandradio Kultur: Die Grünen beispielsweise haben eine klare Position. Die sagen: Wir wollen, aus welchen Gründen auch immer, der Natur da nicht ins Handwerk pfuschen. Damit sind die klar erkennbar. Bei der CDU oder der Schwesterpartei ist es einfach nicht klar erkennbar. Und es ist ja auch innerhalb der Partei umstritten, innerhalb der Flügel.
Deutschlandradio Kultur: Die Grünen waren auch gegen die rote, die medizinische Gentechnik. Und heute haben viele Menschen erkannt, dass die Nutzen, zum Beispiel beim Insulin, da sind. Bei der weißen Gentechnik ist es im Prinzip auch unumstritten letztendlich. Waschpulver ist zum Beispiel ein wesentlicher Bereich, wo weiße Gentechnik eingesetzt wird, wo wir eine deutliche Reduzierung im Einsatz als auch in der Temperatur erreichen konnten, um nur ein Beispiel zu nennen. Hier ist der Nutzen erkennbar für die Menschen. Dieser ist bei der grünen Gentechnik noch nicht erkennbar. Deshalb ist meines Erachtens schon die Frage: Wir brauchen eine Forschung, wo wir auch mal zu Produkten kommen, wo überhaupt ein Nutzen erkennbar ist. Dieser ist, wie gesagt, für die normalen Verbraucherinnen und Verbraucher momentan nicht erkennbar.
Deutschlandradio Kultur: In einem Einzelthema könnten Sie allerdings auch persönlich als Landwirtschaftsministerin helfen. Denn die Bauern haben ja Furcht, dass das Patentrecht beim gentechnisch veränderten Saatgut ein anderes ist, als bei dem normalen konventionellen Saatgut. Das ist wohl auch die ganz große Furcht in allen möglichen Versammlungen, die die Parteien machen. Kann man denen dann helfen und sagen, dass es dort in der Bundesrepublik eine andere Rechtsprechung gibt, als vielleicht im Ausland?
Ilse Aigner: Es gibt auch in der Bundesrepublik ein anderes Recht, als zum Beispiel in Amerika. Der Fall Percy Schmeiser hat dazu geführt, dass im deutschen Patentrecht eine andere Regelung getroffen ist, dass die zufällige Verunreinigung, wenn nach guter fachlicher Praxis angebaut wurde, nicht dazu führt, dass Lizenzgebühren von dem dann verlangt wurden, wie es im Fall Percy Schmeiser war. Die Frage ist viel komplizierter im Bereich der Biopatente bei den Tieren. Federführend ist das Justizministerium. Es geht im Wesentlichen auch um das europäische Patentrecht und um die Biopatentrichtlinie. Unser Ziel ist dabei ganz klar auf die Frage der Tiere gerichtet. Das Tier an sich darf nicht patentiert werden und die Nachzucht auch nicht.
Deutschlandradio Kultur: Dieses Thema grüne Gentechnik drückt Sie. Am 20. Mai wird es wieder einen Gipfel geben. Was werden wir nach diesem Gipfel wissen? Wird’s da klare Linien geben oder werden Sie sie sich noch mal zurückhalten und sagen, Entscheidungen treffen wir nach der Bundestagswahl?
Ilse Aigner: Nein, das ist ein Auftakt. Es hat auch keiner behauptet, dass das die einzige Veranstaltung ist. Das ist die Veranstaltung, die ich jetzt gemeinsam mit Annette Schavan jetzt am 20. Mai mache mit dem Forschungsschwerpunkt. Aber ich glaube, wir müssen auch die Bereiche, insbesondere, die ich angesprochen habe, Pflanzenzucht ansprechen. Wo wollen wir hin, was für Pflanzen brauchen wir? Für welche Belange brauchen wir Pflanzen? Wie können wir das erreichen? Gibt es Methoden, wie zum Beispiel die Bio-Informatik, die auch vollkommen unproblematisch ist, wo es um eine Selektion geht und nicht um einen Eintrag ins Genom? Können wir das noch stärker unterstützen?
Übrigens, die Pflanzenzüchter haben in ihren Petersberger Beschlüssen das auch so festgehalten mit dem Oberbegriff "smart greeding". Hier ist eine breite Palette, die im konventionellen Züchtungsbereich auch fortentwickelt werden muss.
Deutschlandradio Kultur: Und wer soll die Antwort geben? Die Fachleute? Geht es nicht auch um ethische Fragen, die Sie auf einer ganz anderen Ebene noch mal klären müssen?
Ilse Aigner: In erster Linie geht es jetzt mal darum, die Fachfragen auch zu klären, aber auch um den Dialog, natürlich auch eine ethische Bewertung. Es sind auch die Kirchen im Dialog mit dabei.
Deutschlandradio Kultur: Aber wäre es da nicht fair, wenn man so eine klare Linie haben möchte und sich auch die eigene Position möglichst auf eine Sicherheitsvariante hin beschreiben möchte, dass man sagt: Wir brauchen auch klare Labels. Ein klares Label wäre ein klares Gentechnik-frei-Label für Produkte. Es gibt Restverunreinigungen, die den Leuten sehr Bauchschmerzen machen. Und es gibt die Tierprodukte, die alle draußen sind.
Ilse Aigner: Nein, bei den Lebensmitteln ist die Kennzeichnung sehr klar. Alles, was in den normalen Lebensmitteln drin ist und über 0,9 Prozent ist, muss gekennzeichnet werden. Das ist eindeutig festgeschrieben auf europäischem Recht. Und die Frage der tierischen Produkte? Nachdem auf europäischer Ebene keine andere Einigung möglich war, haben wir uns gesagt, wir machen eine Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung, wo erkannt werden kann, ob mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurde oder nicht. Übrigens, der biologische Landbau macht das komplett frei. Das ist auch klar.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind mit Engagement bei der Sache, nicht nur im Bereich Landwirtschaft. Sie sind auch in ziemlich vielen Vereinen engagiert. Ich nenne mal zwei Beispiele. Beim Auer-Alm-Verein. Wer dort zur Hauptversammlung kommt, der kriegt ein halbes Freibier. Sie sind aber nicht nur dort, Sie sind auch in den Kuratorien der Max-Planck-Institute für Astrophysik und für Extraterrestrische Physik. Also, das Spektrum ist unendlich breit.
Ilse Aigner: Nicht mehr. Das habe ich mittlerweile abgegeben.
Deutschlandradio Kultur: Warum haben Sie es abgegeben?
Ilse Aigner: Das ist in der Verbindung gewesen mit meiner früheren Tätigkeit und ich habe das eigentlich im Wesentlichen jetzt auch verändern müssen und zurückführen müssen, weil einfach auch die Zeit nicht mehr ausreicht. Und das war, wie gesagt, in der Verbindung mit meiner Funktion als forschungspolitischer Sprecherin. Das hat mein Nachfolger jetzt übernommen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem die Frage: War das Ihre Verbindung von Laptop und Lederhose?
Ilse Aigner: Ja, ich glaube, das liegt bei mir auf der Hand. Ich habe ja auch einen sehr technischen Beruf erlernt. Es war für mich immer ein total spannendes Feld zwischen der Tradition aus den ländlich strukturierten Gebieten, aus denen ich komme, mit den herzhaften und netten Menschen, die da sind und auch sehr verwurzelt sind, wo ich auch sehr verwurzelt bin, das zu verbinden mit der Moderne. Ich glaube, spannender gibt es das fast nicht mehr.
Deutschlandradio Kultur: Frau Aigner, wir danken ganz herzlich für das Gespräch.
Ilse Aigner: Gern geschehen.
Ilse Aigner: Das ist eine Frage des Marktes. Hier ist einfach zu viel Milchmenge momentan auf dem Markt. Die Molkereien bieten die Milch auch zu billig bei den Händlern an. Dementsprechend werden wohl auch noch die Verhandlungen geführt. Die Politik kann hier in dem Sinne nicht direkt auf die Preise einwirken. Das hat auch kartellrechtliche Relevanzen.
Deutschlandradio Kultur: Aber dann ist es doch ganz sinnvoll, wenn die Bauern sagen, wir machen einen Lieferstopp. Denn sie sehen ein, sie produzieren zu viel. Und das, was sie zu viel produzieren, müssten sie sich eigentlich sparen.
Ilse Aigner: Ich würde auf alle Fälle vorschlagen, dass gerade auch im Bereich der Molkereien mehr die Anstrengung dahingehend gemacht wird, die Vertiefung der Wertschöpfungskette, höherwertige Produkte zu produzieren und sich vielleicht auch etwas zu konsolidieren und auch eine Gegenmacht - in Anführungsstrichen - auch gegenüber dem Handel aufzustellen. Das scheint mir doch noch etwas ausbaufähig.
Deutschlandradio Kultur: Das scheint aber eher langfristig zu funktionieren. Kurzfristig sagen mehrere Bauern, vor allen Dingen auch in Bayern: Wenn wir nicht demnächst Geld bekommen, können wir den Laden dicht machen. Das nehmen Sie in Kauf?
Ilse Aigner: Das nehme ich erstens nicht in Kauf. Natürlich arbeite ich auf allen Ebenen, wo es irgendwo geht. Im Moment versuche ich gerade insbesondere ein Liquiditätsprogramm auf die Beine zu stellen. Da sind noch schwierige Verhandlungen, insbesondere natürlich auch im Finanzbereich. Aber da bin ich gerade mitten dabei. Das heißt, wenn jemand konkrete Schwierigkeiten bekommt, dass er auch Kredite bekommen kann. Die nächste Frage ist, wie wir auch Entlastungen mit der Vorziehung der Direktbeihilfen, die normalerweise erst am Ende des Jahres ausgezahlt werden, bekommen können.
Deutschlandradio Kultur: Diese Beihilfen würden Sie vorziehen auf den Oktober. Heute stehen die Bauern da und sagen: Eigentlich können wir unsere Milch direkt in den Gully schütten.
Ilse Aigner: Ich versuche das auch noch weiter vorzuziehen, aber das ist gerade im Moment in der Prüfung. Darüber hinaus möchte ich immer wieder darauf hinweisen: Das Einfachste wäre es, die Agrardieselbesteuerung wieder zurückzuführen auf den Stand vor Künast, vor den Änderungen. Das versuche ich seit mehreren Wochen. Aber es scheitert schlicht und ergreifend an der SPD. Ich finde es deshalb sehr bedauerlich, weil gerade auch die großen Betriebe jetzt große Schwierigkeiten bekommen, die monatlich die Löhne zahlen müssen und nicht mehr wissen, wie sie das Geld aktivieren. Das wäre sofort zusätzliches frisches Geld, das die Bauern bekommen würden. Aber an sich ist ja die Grundsatzfrage: Zu viel Menge auf dem Markt. Das ist eine Frage der Produzenten auf der einen Seite, auf der anderen Seite auch eine Frage des Exports oder des Wie-bring-ich-es-in-den-Markt.
Auch hier werden wir weiter versuchen nachzusteuern. Wir überlegen gerade auch eine zusätzliche Werbemaßnahme auf die Beine zu bekommen für die Milch, für den Milchkonsum - bis dahin, dass wir noch mal genauer hinweisen und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf hinweisen, sie sollen auf die Substitute achten. Man kann das auch erkennen. Es werden hier teilweise auch Milchprodukte vermutet, wo gar keine drin sind. Das ist nicht falsch gekennzeichnet, ich nehme mal den klassischen Pizzabelag, das ist aber nicht unbedingt dann Käse. Aber man kann es erkennen, wenn man genau hinschaut. Man könnte auch fragen und sagen: Ich will aber, dass hier Milchprodukte drin sind und nicht Substitute!
Deutschlandradio Kultur: Warum müssen Sie als Bundeslandwirtschaftsministerin überhaupt helfen? Die Bauern wissen, wohin die Reise geht. 2015 haben wir einen freien Milchmarkt. So hat es jedenfalls die EU beschlossen. Also muss man sich anpassen. Warum kommen die alle noch zu Ihnen?
Ilse Aigner: Wir haben auch auf der europäischen Ebene immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade die Frage des Ausstiegs aus der Milchquote auch begleitet werden muss. Es ist jetzt eben kein Softlanding, sondern es ist ein ziemlicher Crash. Das haben wir mehrfach angemerkt. Deswegen haben wir auch bei der Europäischen Union gesagt, sie muss ihre Sicherheitsmaßnahmen, die sie noch hat, auch ausbauen. Das ist auch unsere Pflicht. Das geht von der Intervention bis zur privaten Lagerhaltung bis hin zum Export. Da hat dann die Europäische Kommission auch mitgeholfen, aber all das löst das Grundproblem immer noch nicht, dass zu viel Milch auf dem Markt ist und der Absatz zusammengebrochen ist. Deshalb wollen wir jetzt hier ansetzen, hauptsächlich den Absatz wieder zu fördern.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn man den Absatz fördern möchte, das kann ja vielleicht gelingen oder auch nicht, je nach dem, wie der Konsument sich verhält. Wenn Sie sagen, 20 Prozent zu viel Milch im Moment in Deutschland, dann müsste man doch ehrlicherweise sagen: Leute, passt euch an. Ihr Bauern müsst das tun, wir werden das auf Dauer nicht subventionieren können oder wollen. Oder wollen Sie die Subventionen auf Dauer haben und sagen, wir wollen die Bauern erhalten, so wie wir sie heute haben?
Ilse Aigner: Erstens habe ich nicht von 20 Prozent gesprochen. Ich habe bloß gesagt, es ist zu viel Milch auf dem Markt.
Deutschlandradio Kultur: Wie viel ist es denn?
Ilse Aigner: Das kann man jetzt meines Erachtens nicht an%en festmachen, sondern man merkt es an der Preisgestaltung, dass zu viel Milch auf dem Markt ist. Was für uns wichtig ist, ist, dass die landwirtschaftliche Struktur auch auf Dauer erhalten wird. Das ist eigentlich die Grundsatzfrage, die man sich stellen muss, vor allem auch im Interesse des Verbrauchers. Wenn uns die Produzenten weg brechen und wir dann nur noch die Möglichkeit haben, die Produkte im Ausland oder woher auch immer zu bekommen, kann das auch nicht im Interesse des deutschen Verbrauchers sein, ganz abgesehen davon, dass wir auch eine funktionierende Landwirtschaft meines Erachtens zur Landschaftspflege haben müssen, dringend brauchen. Wir stellen ja auch von der Produktionsförderung auf die Hektar-Förderung sehr intensiv um.
Also, was verlangen wir von unseren Landwirten, dass sie mit höheren Standards, was den Umweltschutz, den Tierschutz, Wasserschutz usw. angeht, produzieren. Das gleichen wir dann durch die Direktzahlungen aus. Und das Zweite sind besondere Förderungen über die zweite Säule für benachteiligte Gebiete, wo ich keine Chance habe, auf irgendetwas umzusteigen, weil es einfach nur Grünland ist und ich nichts anderes anbauen kann. In allen anderen Bereichen wird auch mehr der Markt einziehen. Das ist korrekt.
Deutschlandradio Kultur: Was sagen Sie dann den Milchbauern, zum Beispiel dem Milchbauern in Bayern? Soll er nun aufhören oder nicht?
Ilse Aigner: Nein. Ich versuche eben auch über dieses Milchbegleitprogramm, das jetzt im Jahr 2010 einsetzt, und auch über das Konjunkturprogramm, wo wir auch Mittel bekommen haben, zusätzlich zu fördern über die Frage Wettbewerbsfähigkeit, also einzelbetriebliche Förderung, um sich besser aufzustellen. Wir fördern sie über die Frage der Grünlandprämie, eben für die benachteiligten Gebiete. Und sie können auch gefördert werden über solche Programme wie die Weideprämie. Ansonsten müssen sie sich natürlich zukünftig auch selbst wettbewerbsfähig aufstellen, keine Frage.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt auch Diversifizierung? Der Milchbauer, der nur noch Milchkühe hat, wird nicht überleben können?
Ilse Aigner: Diese Mono-Aufgestellten sind nicht so sehr, wie Sie vielleicht vermuten, in den Bereichen, aus denen ich stamme, sondern die sind eigentlich mehr in anderen Bereichen der Bundesrepublik. In der Regel haben bei uns in den südbayerischen Gebieten die Bauern schon auch mehrere Standbeine. Die haben noch Wald dabei, die haben Milchbauern dabei, die haben Nachzucht dabei usw., usf. Aber ein wesentlicher Einkommensbereich ist natürlich die Milch. Deshalb wird hier auch immer wieder Nachsteuerung nötig und sinnvoll sein.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn die EU jetzt wieder mit alten Rezepten reagiert, zum Beispiel mit der Intervention, also dem Aufkauf von Produkten, oder aber mit der Exportförderung besonders in Drittländer, dann machen wir dort die Märkte kaputt, nur weil wir Überschüsse haben. Das kann doch nicht gut sein.
Ilse Aigner: Die Intervention ist die unterste Marge, die unterste Auffanglinie, das letzte Fallnetz. Das hat letztendlich nichts mehr mit kostendeckenden Preisen zu tun. Deshalb ist es auch ein sinnvolles Instrument, wenn ich ansonsten die Leute in den Markt schicke. Zur zweiten Frage mit den Exportbeihilfen möchte ich immer wieder drauf hinweisen, es werden hier unsere höheren Preise nicht unter Weltmarktniveau, sondern auf Weltmarktniveau unterstützt.
Die Zielrichtung ist alles andere, als irgendwelche Entwicklungsländer, das war auch immer unser Bestreben, haben wir auch mehrfach innerhalb der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass wir das nicht in diese Länder, sondern in aufnahmefähige Märkte, wir Russland, Amerika, wie Indien, wie China auch unterstützen wollen und unseres Erachtens nicht die Märkte destabilisieren wollen. Wir liefern allerdings auch in Länder, bei denen überhaupt gar keine Milchproduktion stattfindet. Die wollen auch Milch haben. Sie könnten sich auf der anderen Seite auch durch höhere Zölle schützen, was sie nicht tun.
Deutschlandradio Kultur: Ich will noch mal auf diese kurzfristige Not der Milchbauern eingehen. Es gab den Milchgipfel. Viele der Beteiligten waren nicht richtig zufrieden. Jetzt fordert der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, Ihr Parteifreund, einen weiteren Milchgipfel. Was kann da rauskommen?
Ilse Aigner: Erstens war das ein Runder Tisch über alle Bereiche der Lebensmittelkette, weil auch andere Bereiche der Lebensmittelwirtschaft oder der Landwirtschaft Probleme haben. Ich sage nur den Bereich der Getreide, der auch 42 Prozent Preiseinbruch von März letzten Jahres auf dieses Jahr hatte. Auch im Schweinebereich hat es immer wieder Einbrüche und diese großen Marktschwankungen gegeben. Deswegen ist es sinnvoll, sich über die Struktur der Lebensmittelkette insgesamt zu unterhalten - über die Veredelung bis hin zum Einzelhandel. Dieses haben wir in einem Großaufmarsch gemacht.
Ansonsten sind die Probleme jetzt eigentlich bekannt. Es ist die Frage: Wie kriege ich jetzt das Geld, um zum Beispiel die Direktbeihilfen vorzuziehen? Wie kriege ich das mit dem Agrardiesel hin? Was kann ich sonst unter der Frage Absatzförderung auch noch zusätzlich aktivieren? Das sind die Fragen, die muss ich jetzt klären. Das ist das Wichtige.
Deutschlandradio Kultur: Noch eine kleine Zusatzfrage: Müssen wir der CSU noch die Milchquote austreiben, oder wollen Sie das gar nicht?
Ilse Aigner: Ich habe in allen Veranstaltungen, die jetzt momentan geführt habe, darauf hingewiesen, dass es einen aktiven Beschluss einer Kommission bräuchte, um zu sagen, wir wollen die Milchquote verlängern. So ist eigentlich die Reihenfolge. Ich sehe hier momentan keine Bereitschaft von Seiten der Europäischen Kommission, um es mal freundlich zu formulieren. Die andere Variante wäre, dass alle 27 Agar-Minister einen Beschluss fassen und die Kommission einstimmig auffordern, eine Verlängerung der Quote zu bringen. Diese Wahrscheinlichkeit halte ich unter den mir bekannten Persönlichkeiten, die da sitzen, auch für sehr, sehr gering. Und wenn das offensichtlich mit dem Absatzmarkt nicht funktioniert, dann ist die Forderung der CSU, das über die Menge zu steuern, nach wie vor da.
Deutschlandradio Kultur: Aber Sie selber sagen nicht, dass sie eindeutig gegen die Milchquote sind?
Ilse Aigner: Ich sehe Momentan keine Mehrheit das durchzusetzen. Ich habe es mehrfach versucht, das über die Mengensteuerung hinzukriegen. Ich kriege weder in der Bundesrepublik Deutschland, noch auf der europäischen Ebene dafür Mitstreiter. Insofern versuche ich lieber einen Plan B zu entwickeln und diesen dann voranzutreiben. Das ist mir wichtiger im Moment.
Deutschlandradio Kultur: Aber eine europäische Agrarförderung wird es so oder so in der nächsten Zeit geben. Das ist unstrittig?
Ilse Aigner: Ja, es wird eine Agrarförderung insgesamt noch bis 2013 geben. Über diese Frage beginnt jetzt langsam auch die Diskussion. Wo könnte es hingehen? Wir haben zwei Säulen der Agrarpolitik. Die erste Säule ist die Direktförderung, also, die direkte Einkommensstützung, begründet auf die zusätzlichen Leistungen, die wir von unseren Landwirten abverlangen. Es wird kontrolliert über die Cross-Compliance-Vorschriften. Wenn sie diese nicht erfüllen, bekommen sie Abzüge. Im Gegensatz zu früher, wo die Prämien sozusagen an die Produktion gekoppelt waren, wird das jetzt in einem fließenden Prozess bis 2013 vollkommen entkoppelt auf eine direkte Förderung zur Bestellung des einzelnen Hektars, eben unter diesen hochqualitativen Voraussetzungen, die zurecht die Verbraucherinnen und Verbraucher, wir alle verlangen, nämlich höhere Naturschutzstandards, höhere Wasserschutzstandards, höhere Umweltstandards, Tierschutzstandards, die deutlich höher sind als in Drittstaaten. Um die geht es jetzt.
Das ist die Begründung und die Legitimation, dieses auch nach 2013 fortzusetzen.
Und im zweiten Bereich, der zweiten Säule geht es dann bis zur Frage zur ländliche Entwicklung, zur Frage Energiegewinnung, zur Frage benachteiligter Gebiete usw., usf., also die Sonderleistungen und darüber hinausgehend zusätzliche Leistungen im Bereich Naturschutz, die gesondert entgolten werden über die zweite Säule. Dies ist eigentlich die Richtung, in der unser Haus, in die mein Haus auch künftig weitermarschieren wird. Die Weichenstellungen werden aber erst nach und nach getroffen.
Deutschlandradio Kultur: Und warum wollen Sie dann nicht über das Ausmaß der Direktzahlungen informieren? Warum der Streit um den Verbraucherschutz?
Ilse Aigner: Hier geht es jetzt momentan um eine rechtliche Klärung. Wir haben hier eine ganz seltsame Situation. Wir haben eine verabschiedete Transparenzrichtlinie. Noch unter meinem Vorgänger Horst Seehofer wurde diese verabschiedet. Das Problem war, dass Einzelne, die betroffen sind, bei Gerichten in Deutschland geklagt haben und wir jetzt eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen haben, die unterschiedlich bewerten. Die einen sagen, es muss veröffentlicht werden, die anderen sagen, es darf nicht veröffentlicht werden aus datenschutzrechtlichen Gründen. Da haben wir uns gemeinsam mit den Ländern darauf geeinigt, dass wir das jetzt erst mal in die nächste Instanz vorantreiben. Es gibt jetzt wieder zwei nächstinstanzliche Gerichtsverfahren beim Oberverwaltungsgericht, hier wieder zwei unterschiedliche Voten. Die einen sagen, veröffentlichen, die anderen sagen, nicht veröffentlichen.
Und ich bin auch zuständig für die einheitliche Rechtsetzung. Deshalb werden wir diese Frage erst schnellstmöglich klären müssen, damit wir dann auch rechtliche Klarheit haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn die Frage rechtlich geklärt ist und vom Grundsatz her hoffentlich bald: Wären Sie bereit, alle Daten zu veröffentlichen, so wie es der Datenschutzbeauftragte fordert, so, wie es auch die EU-Agrar-Kommissarin eigentlich fordert?
Ilse Aigner: Wir haben den Beschluss nicht grundsätzlich infrage gestellt, aber ich muss auch reagieren auf Gerichtsurteile. Es kann letztendlich jetzt bis zum Bundesverfassungsgericht kommen. Das ist dann eine interessante juristische Frage. Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, es ist unzulässig, und das EU-Recht was anderes sagt, dann müssen wir bis zum Europäischen Gerichtshof.
Deutschlandradio Kultur: Und wenn Sie es nicht klären oder wenn es nicht bald geklärt wird, dann droht die EU-Agrar-Kommissarin mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Ärger kriegen Sie so oder so.
Ilse Aigner: Ich kriege so oder so immer Ärger. Wir haben das aber auch geklärt mit der Europäischen Kommission. Sie wissen, dass wir das juristisch schnellstmöglich klären wollen. Wir haben das auch gegenüber den Ländern noch mal dokumentiert, dass wir darauf hinweisen, dass wir das in die nächste Instanz vorantreiben wollen. Wir werden uns auch in 14 Tagen noch mal unterhalten, ungefähr in diesem Zeithorizont, wie die neueste rechtliche Lage ist, und dann erneut
reagieren.
Deutschlandradio Kultur: Für mich als Laien war es ja ein lernender Nebeneffekt, dass gesagt worden ist: Wesentliche Gelder der Agrarförderung gehen an branchenfremde Unternehmen, beispielsweise die Lufthansa, die im Catering nach über Übersee Hähnchen aus der Europäischen Union verteilt. Das ist doch eigentlich ein Unding.
Ilse Aigner: Das ist ein Beispiel. Das sind offensichtlich historische Gegebenheiten. Aber es gibt auch andere Bereiche. Wenn eine Firma, wie auch immer die heißt, zum Beispiel Flächen bestellt und da noch historische Prämien erhält, wie jeder normale Landwirt. Da muss man einfach immer in die Vergangenheit schauen.
Aber noch mal: Ich habe da kein Problem, dieses zu veröffentlichen. Wir werden das auch noch mal auf den Prüfstand stellen. Es ist keine grundsätzliche Entscheidung, sondern eine juristische dringende Klärung.
Deutschlandradio Kultur: Und wann schaffen Sie das ab?
Ilse Aigner: Die juristische Klärung?
Deutschlandradio Kultur: Nein, diese historischen Privilegien von Unternehmen, die sie eigentlich nicht brauchen?
Ilse Aigner: Das ist im Prinzip immer wieder auf dem Prüfstand, jedes Mal wieder. Für die ganzen Förderungen werden auch bei der neuen Agrarpolitik ab 2013 die Weichen neu gestellt. Da wird das bestimmt auch wieder aufs Tablett kommen.
Deutschlandradio Kultur: Wechseln wir noch mal das Thema. Sie haben die Aussaat des Gen-Mais Mon810 nicht erlaubt, aber wohl den Anbau der Gen-Kartoffel "Amflora". Sind Sie nun für oder gegen die grüne Gentechnik?
Ilse Aigner: Erstens geht es da um zwei vollkommen unterschiedliche Sachzusammenhänge. Das eine ist die Frage des einzigen konventionell zugelassenen Anbaus aus europarechtlicher Sicht, also eine europäische Zulassung Mon810. Hier hatten wir Hinweise, Nachweise, dass es eben auf Schädigungen der Umwelt hinauslaufen könnte. Dieses ist jetzt auch in erster Instanz vom Gericht bestätigt worden, was mich sehr, sehr gefreut hat. Das ist die eine Sache, also, die Zulassung eines konventionellen Anbaus.
Bei der "Amflora"-Kartoffel geht es um einen Versuchsanbau unter allerallerhöchsten Sicherheitsvorkehrungen, die ich auch in Gesprächen mit der Firma noch wesentlich verschärft habe, auf der Rechtsgrundlage des Gentechnikgesetzes. Dieser Versuch wurde schon vor zwei Jahren mit einer wesentlich größeren Fläche genehmigt, 155 Hektar damals, unter geringeren Sicherheitsauflagen. Die habe ich wesentlich verschärft und auf 20 Hektar reduziert, eingezäunt mit einem Wildschutzzaun.
Die entscheidende Frage, der entscheidende Unterschied ist für mich aber, dass diese Gen-Kartoffel allein für den industriellen Bedarf letztendlich jetzt in diesem Versuchsanbau angebaut wird und auch definitiv nicht in den Lebens- und Futtermittelkreislauf kommen darf. Hier sind alle Sicherheitsvorkehrungen dafür getroffen.
Deutschlandradio Kultur: Horst Seehofer ist der Meinung, generell soll die Genforschung nicht auf dem freien Feld stattfinden, sondern im Labor. Ist das richtig?
Ilse Aigner: Wir werden zu dieser Frage, was im Freiland oder nicht im Freiland sein muss, auch einen Dialogprozess anstoßen. Das beginnt mit einer gemeinsamen Veranstaltung mit Annette Schavan, im Wesentlichen zu der Frage Sicherheitsforschung. Hier wird auch die Frage, brauche ich Freilandforschung, eine wesentliche Rolle spielen. Das werden wir intensiv mit den Forschern, aber auch mit den Pflanzenzüchtern und allen Beteiligten diskutieren.
Deutschlandradio Kultur: Was sagen Sie denn als CSU-Politikerin? Brauchen wir diese Freilandversuche, was gentechnisch veränderte Lebensmittel oder landwirtschaftliche Produkte angeht? Brauchen wir das oder sollten wir darauf verzichten?
Ilse Aigner: Was immer geht, sollte man erst mal im Labor machen. Und dann muss man die Frage stellen: Was muss zwingend überhaupt im Freiland sein? Dieses will ich eben bei diesen Runden Tischen auch dementsprechend erörtern.
Deutschlandradio Kultur: Aber die CSU will ja mehr. Die will eine gentechnikfreie Zone haben, nämlich Bayern.
Ilse Aigner: Es geht, wenn, dann um eine gentechnikanbaufreie, weil Gentechnik ist überall.
Deutschlandradio Kultur: Okay, eine gentechnikanbaufreie Zone, aber wie soll das funktionieren? Bayern macht nicht mit und die anderen dürfen es tun oder wie?
Ilse Aigner: Das ist auch eine grundsätzliche Frage, die wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr klären werden. Sondern die CSU bzw. mein Vorgänger und übrigens auch ich in Person, allerdings nicht die Bundesregierung, vertritt eigentlich die Ansicht, dass wir uns auf europäischer Ebene darüber unterhalten sollen, ob die Frage der Zulassung zwar europäisch geklärt wird, die Frage des Anbaus aber regionalisiert werden kann. Hierzu gibt es auch letztendlich Vorschläge zum Beispiel auch aus Holland. Das wird in einem weiteren Diskussionsprozess zu klären sein.
Deutschlandradio Kultur: In welche Richtung soll das denn gehen? Gentechnikversuche im Freiland nur für Forschungszwecke oder mit dem Ziel, dass BASF oder wer auch immer Produkte auf den Acker bringen und damit auch Geld verdienen?
Ilse Aigner: Im Wesentlichen brauchen wir erst mal Grundlagenforschung und auch Produkte, bei denen die Menschen anerkennen, dass es einen Nutzen bringt. Ich glaube, dass bei der Stärkekartoffel schon ein anderer Aspekt ist als bei der Frage Ersatz von Pflanzenschutzmitteln, um das mal ganz deutlich zu sagen. Hier geht es rein um die industrielle Produktion. Und wir werden andere Bereiche erforschen müssen, wie zum Beispiel die Frage Trockenresistenzen. Hier wird seit Jahren versprochen, dass es hier Möglichkeiten gibt. Sie sind noch nicht in absehbarer Zeit verfügbar.
Deshalb werden wir uns über die Zielsetzung, was brauchen wir für Pflanzen, in welcher Richtung, nicht nur in der Frage der speziellen grünen Gentechnik, sondern insgesamt in der Pflanzenforschung meines Erachtens auch mit den Pflanzenzüchtern unterhalten müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wie ist denn nun Ihre Position? Sie waren in Ihrem früheren Leben Forschungspolitikerin, haben sich dafür eingesetzt, dass die Genforschung auch auf dem Acker stattfinden kann, dass es auch gentechnisch veränderte Produkte geben darf. Hat sich da Ihre Haltung gewandelt?
Ilse Aigner: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir forschen müssen - das habe ich auch immer gesagt - unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Das habe ich früher schon gesagt. Ich war hier immer auf der vorsichtigen Seite im Bereich der grünen Gentechnik. Und ich werde es auch künftig sein. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Kann ich eine Freisetzung genehmigen oder kann ich eine Freisetzung nicht genehmigen? Für die ist übrigens das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel federführend zuständig.
Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist es aber doch so, dass - wenn man Umfragen glaubt - über 70 Prozent der Deutschen sagen: Wir wollen keine Gentechnik auf dem Acker haben. Sie müssen ja auch Politik machen, Wahlen gewinnen, Europawahl und dann die Bundestagswahl. Wie weit können Sie Rücksicht nehmen auf diese Bedenken und wie weit nehmen Sie Rücksicht, indem Sie sagen, nein dann lassen wir das? Es ist politisch nicht umzusetzen.
Ilse Aigner: Das hat in diesem Fall jetzt gut gepasst, muss ich jetzt mal sagen, bei Mon810. Aber die entscheidende Frage, um auch vor Gericht zu bestehen, ist nicht diese Frage, sondern: Kann ich fachlich begründen, dass Gefahren davon ausgehen? Dieses war Gott sei Dank der Fall, dass ich dieses auch begründen konnte. Und es wurde jetzt auch in der ersten Instanz so gesehen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem ist es ja ein bisschen schwierig. Wenn man die CSU in ihrer Argumentation sieht, weiß man nicht so ganz, wo sie hin will. Einmal will sie es wissenschaftlich begründen, Sicherheitsforschung, dann will sie es moralisch-ethisch begründen, nämlich Wahrung der Schöpfung, oder aber populistisch, nämlich: Das Volk ist dagegen, wir machen es auch nicht. Was machen Sie nun?
Ilse Aigner: Ich zitiere jetzt vielleicht auch noch mal meinen Vorsitzenden, damit das auch klargestellt ist. Der sagt: "Wir brauchen auch Forschung und wir unterhalten uns über die Frage, wie wir Forschung gestalten." Er hat dieses auch mehrfach, jetzt auch nach dieser Entscheidung, wieder bestätigt.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt also: Zwischen Frau Schavan, Frau Merkel, Herrn Seehofer und Ihnen passt kein Fliesblatt?
Ilse Aigner: Also, es gibt vielleicht unterschiedliche Nuancen, würde ich sagen.
Deutschlandradio Kultur: Dann nennen Sie die doch noch mal, bitte.
Ilse Aigner: Die CDU ist stärker für die gentechnische Forschung. Die CSU ist etwas zurückhaltender.
Deutschlandradio Kultur: Die Grünen beispielsweise haben eine klare Position. Die sagen: Wir wollen, aus welchen Gründen auch immer, der Natur da nicht ins Handwerk pfuschen. Damit sind die klar erkennbar. Bei der CDU oder der Schwesterpartei ist es einfach nicht klar erkennbar. Und es ist ja auch innerhalb der Partei umstritten, innerhalb der Flügel.
Deutschlandradio Kultur: Die Grünen waren auch gegen die rote, die medizinische Gentechnik. Und heute haben viele Menschen erkannt, dass die Nutzen, zum Beispiel beim Insulin, da sind. Bei der weißen Gentechnik ist es im Prinzip auch unumstritten letztendlich. Waschpulver ist zum Beispiel ein wesentlicher Bereich, wo weiße Gentechnik eingesetzt wird, wo wir eine deutliche Reduzierung im Einsatz als auch in der Temperatur erreichen konnten, um nur ein Beispiel zu nennen. Hier ist der Nutzen erkennbar für die Menschen. Dieser ist bei der grünen Gentechnik noch nicht erkennbar. Deshalb ist meines Erachtens schon die Frage: Wir brauchen eine Forschung, wo wir auch mal zu Produkten kommen, wo überhaupt ein Nutzen erkennbar ist. Dieser ist, wie gesagt, für die normalen Verbraucherinnen und Verbraucher momentan nicht erkennbar.
Deutschlandradio Kultur: In einem Einzelthema könnten Sie allerdings auch persönlich als Landwirtschaftsministerin helfen. Denn die Bauern haben ja Furcht, dass das Patentrecht beim gentechnisch veränderten Saatgut ein anderes ist, als bei dem normalen konventionellen Saatgut. Das ist wohl auch die ganz große Furcht in allen möglichen Versammlungen, die die Parteien machen. Kann man denen dann helfen und sagen, dass es dort in der Bundesrepublik eine andere Rechtsprechung gibt, als vielleicht im Ausland?
Ilse Aigner: Es gibt auch in der Bundesrepublik ein anderes Recht, als zum Beispiel in Amerika. Der Fall Percy Schmeiser hat dazu geführt, dass im deutschen Patentrecht eine andere Regelung getroffen ist, dass die zufällige Verunreinigung, wenn nach guter fachlicher Praxis angebaut wurde, nicht dazu führt, dass Lizenzgebühren von dem dann verlangt wurden, wie es im Fall Percy Schmeiser war. Die Frage ist viel komplizierter im Bereich der Biopatente bei den Tieren. Federführend ist das Justizministerium. Es geht im Wesentlichen auch um das europäische Patentrecht und um die Biopatentrichtlinie. Unser Ziel ist dabei ganz klar auf die Frage der Tiere gerichtet. Das Tier an sich darf nicht patentiert werden und die Nachzucht auch nicht.
Deutschlandradio Kultur: Dieses Thema grüne Gentechnik drückt Sie. Am 20. Mai wird es wieder einen Gipfel geben. Was werden wir nach diesem Gipfel wissen? Wird’s da klare Linien geben oder werden Sie sie sich noch mal zurückhalten und sagen, Entscheidungen treffen wir nach der Bundestagswahl?
Ilse Aigner: Nein, das ist ein Auftakt. Es hat auch keiner behauptet, dass das die einzige Veranstaltung ist. Das ist die Veranstaltung, die ich jetzt gemeinsam mit Annette Schavan jetzt am 20. Mai mache mit dem Forschungsschwerpunkt. Aber ich glaube, wir müssen auch die Bereiche, insbesondere, die ich angesprochen habe, Pflanzenzucht ansprechen. Wo wollen wir hin, was für Pflanzen brauchen wir? Für welche Belange brauchen wir Pflanzen? Wie können wir das erreichen? Gibt es Methoden, wie zum Beispiel die Bio-Informatik, die auch vollkommen unproblematisch ist, wo es um eine Selektion geht und nicht um einen Eintrag ins Genom? Können wir das noch stärker unterstützen?
Übrigens, die Pflanzenzüchter haben in ihren Petersberger Beschlüssen das auch so festgehalten mit dem Oberbegriff "smart greeding". Hier ist eine breite Palette, die im konventionellen Züchtungsbereich auch fortentwickelt werden muss.
Deutschlandradio Kultur: Und wer soll die Antwort geben? Die Fachleute? Geht es nicht auch um ethische Fragen, die Sie auf einer ganz anderen Ebene noch mal klären müssen?
Ilse Aigner: In erster Linie geht es jetzt mal darum, die Fachfragen auch zu klären, aber auch um den Dialog, natürlich auch eine ethische Bewertung. Es sind auch die Kirchen im Dialog mit dabei.
Deutschlandradio Kultur: Aber wäre es da nicht fair, wenn man so eine klare Linie haben möchte und sich auch die eigene Position möglichst auf eine Sicherheitsvariante hin beschreiben möchte, dass man sagt: Wir brauchen auch klare Labels. Ein klares Label wäre ein klares Gentechnik-frei-Label für Produkte. Es gibt Restverunreinigungen, die den Leuten sehr Bauchschmerzen machen. Und es gibt die Tierprodukte, die alle draußen sind.
Ilse Aigner: Nein, bei den Lebensmitteln ist die Kennzeichnung sehr klar. Alles, was in den normalen Lebensmitteln drin ist und über 0,9 Prozent ist, muss gekennzeichnet werden. Das ist eindeutig festgeschrieben auf europäischem Recht. Und die Frage der tierischen Produkte? Nachdem auf europäischer Ebene keine andere Einigung möglich war, haben wir uns gesagt, wir machen eine Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung, wo erkannt werden kann, ob mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurde oder nicht. Übrigens, der biologische Landbau macht das komplett frei. Das ist auch klar.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind mit Engagement bei der Sache, nicht nur im Bereich Landwirtschaft. Sie sind auch in ziemlich vielen Vereinen engagiert. Ich nenne mal zwei Beispiele. Beim Auer-Alm-Verein. Wer dort zur Hauptversammlung kommt, der kriegt ein halbes Freibier. Sie sind aber nicht nur dort, Sie sind auch in den Kuratorien der Max-Planck-Institute für Astrophysik und für Extraterrestrische Physik. Also, das Spektrum ist unendlich breit.
Ilse Aigner: Nicht mehr. Das habe ich mittlerweile abgegeben.
Deutschlandradio Kultur: Warum haben Sie es abgegeben?
Ilse Aigner: Das ist in der Verbindung gewesen mit meiner früheren Tätigkeit und ich habe das eigentlich im Wesentlichen jetzt auch verändern müssen und zurückführen müssen, weil einfach auch die Zeit nicht mehr ausreicht. Und das war, wie gesagt, in der Verbindung mit meiner Funktion als forschungspolitischer Sprecherin. Das hat mein Nachfolger jetzt übernommen.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem die Frage: War das Ihre Verbindung von Laptop und Lederhose?
Ilse Aigner: Ja, ich glaube, das liegt bei mir auf der Hand. Ich habe ja auch einen sehr technischen Beruf erlernt. Es war für mich immer ein total spannendes Feld zwischen der Tradition aus den ländlich strukturierten Gebieten, aus denen ich komme, mit den herzhaften und netten Menschen, die da sind und auch sehr verwurzelt sind, wo ich auch sehr verwurzelt bin, das zu verbinden mit der Moderne. Ich glaube, spannender gibt es das fast nicht mehr.
Deutschlandradio Kultur: Frau Aigner, wir danken ganz herzlich für das Gespräch.
Ilse Aigner: Gern geschehen.