Bundesnachrichtendienst

Neuer Nachbar Betonklotz

Bürogebäude auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes (BDN) in Berlin-Mitte
Bürogebäude auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes (BDN) in Berlin-Mitte © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Von Wolf-Sören Treusch |
Auch wenn die ersten Mitarbeiter schon eingezogen sind - wirklich belebt erscheint das neue BND-Gelände in Berlin nicht. Die Anwohner beäugen den Bau teils neugierig, teils skeptisch - und fürchten, dass die Mieten in der Gegend drastisch steigen.
14.000 Fenster, 135.000 Kubikmeter Beton, 45 Minuten dauert der Spaziergang einmal um die Anlage herum: Wie eine mächtige Trutzburg ragt die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes hinter dem Sicherheitszaun hervor. Der Verkehr tobt, die wenigen Anwohner, die vorbei eilen, kriegen von den neuen Nachbarn nichts mit.
"Was sollen wir da mitkriegen? Jar nüscht kriegen wir da mit."
"Die werden ihrem Ruf gerecht. Die sind so gut wie unsichtbar."
Vor einem halben Jahr hatte Kanzleramtschef Peter Altmaier frohlockt, jetzt, da die ersten 174 BND-Mitarbeiter eingezogen seien, würden sie in den Cafés der Umgebung mit ganz normalen Berlinern über das Wetter reden. Bis jetzt Fehlanzeige. - Noch ist es hier auch einfach zu laut. Gegenüber auf der anderen Straßenseite wird eine riesige Brachfläche bebaut. "The Garden" entsteht hier, eine luxuriöse Wohnanlage mit großzügigen Stadthäusern und individuellen Eigentumswohnungen, wie das Werbeplakat am Bauzaun verrät.
"Ja, mächtig dass sie bauen hier, bauen, bauen, überall wird gebaut hier.
"Dass sie bauen, ist gut, aber nicht nur für Prominente."
Fein Angezogene, die kommen und gehen
Das Stadtquartier rund um die BND-Zentrale steht am Anfang eines enormen Umbruchs. Gentrifizierung heißt das im Soziologendeutsch. Heute leben viele alte Menschen hier. Zum Beispiel das Ehepaar Strehlow, im Erdgeschoss eines schmucklosen Genossenschaftsbaus aus dem Jahr 1959.
Gisela: "Wo kriegen Sie jetzt noch ne Drei-Raum-Wohnung mit Küche, mit Balkon und allet für 363 Euro? Das behalten wir natürlich, so lange es geht."
Gerhard: "Wir haben zu DDR-Zeiten 45 Mark bezahlt."
Mit den Veränderungen im Viertel könnten sie leben, erzählen sie, nur dass die Straßenbahn vor ihrer Haustür nicht mehr fährt, das ärgert sie. Sie hätten gehört, der BND habe das veranlasst: aus Sicherheitsgründen. Ob sie schon Kontakt hatten zu ihren neuen Nachbarn? Nein, sagt Gerhard Strehlow.
"Der erste Bau, wo die Panzersperren vorgebaut, anders kann man es ja gar nicht bezeichnen, da sieht man mal, fein angezogen, gehen sie rein, und dann manch ein Wochenende kommen sie mit Busse, scheinbar die zukünftigen Arbeiter, Angestellte, sehen sich den Bau an."
Überall auf den Zäunen Kameras
Von seinem Balkon aus kann er das alles bestens beobachten. Der Haupteingang der BND-Zentrale liegt schräg gegenüber, hundert Meter entfernt. Früher habe er viel Zeit auf dem Balkon verbracht. Jetzt nicht mehr. Wegen des Neubaus käme die Sonne nicht mehr so recht durch. Wollen Sie den Balkon mal sehen? Fragt er. Schon schiebt er den schweren Vorhang zur Seite und zeigt hinüber aufs BND-Gebäude.
"Die kleinen Vierecke, da sind die Kameras drin. Und dann der ganze Zaun lang: alles Kameras. Und die sind ja genau auf uns gerichtet. Wir werden immer fotografiert. Wir sind sehr fotogen."
Auch andere Bewohner nehmen es mit Humor. Auf dem Nachbarbalkon sitzt eine Puppe, die den BND mit einem Fernglas beobachtet. – Schattig ist es aber auch, weil ein zwölf Meter hoher Baum viel zu dicht am Balkon der Strehlows steht.
Gleich um die Ecke gibt es einen neuen Friseurladen. Mit Loungemusik, viel Glitzer an unverputzter Wand, Puppen und Plüsch auf den Sitzmöbeln.
"Der Wandel in der Gegend findet ja so oder so, auch unabhängig vom BND statt. Sicherlich: fürs Geschäft mag es positiv sein, aber für die Menschen, die hier gelebt haben oder noch leben, ist es wahrscheinlich eher nicht so positiv. Weil: die Preisentwicklung hier in der Stadt ist ja, hat ja so ne Verdrängung zur Folge."
Kritik am Bau
Noch sei die Ladenmiete günstig, erzählt Mario. Das habe ihn hierher gelockt, aber ohne seine alte Stammkundschaft wäre das Geschäft hier noch ziemlich mau.
"Mir wäre lieber, der BND wäre nicht hier. Weil das vorher ne ganz tolle Freizeitfläche gewesen ist, ja, finde ich eigentlich sehr schade, dass das weg ist, und den BND, den hätte man auch woanders hin verlegen können, der muss jetzt nicht unbedingt hier so ein Filetstück der Stadt sein. Und hübsch ist er auch nicht."
Auf der Rückseite gibt es einen kleinen Park, eine Oase der Ruhe. Auf einer Bank sitzt ein alter Herr. Zwei Mal die Woche sei er hier, sagt er, es interessiere ihn, wie der Bau vorankomme. Das Gebäude gefällt ihm nicht.
"Sieht aus wie Schießscharten, die kleinen Fenster. Ist ein Betonklotz. So sieht das aus. Noch ohne Leben. Ja."
Wenige Meter weiter ist es schon wieder vorbei mit der Ruhe. Das Wohnquartier auf der Rückseite der BND-Zentrale ist bald fertig. Sanierte Altbauten, schicke Neubauten: viereinhalb bis 5.000 Euro pro Quadratmeter kostet eine Eigentumswohnung. Wer es sich leisten kann, bucht den Concierge gleich mit dazu.
Lob für die Gegend
Die junge Frau, die das Cabrio in der Garage ihres Townhouses parkt, ist vor zwei Wochen mit ihrem Mann eingezogen. Die Gegend habe sehr viel Potenzial, sagt sie. Deshalb hätten sie hier und nicht woanders nach einer Wohnung gesucht. Und dass der BND zu ihren Nachbarn gehört, das juckt sie überhaupt nicht.
"Das dauert ja noch, bis die kommen. 2017 wird doch gesagt. Brandschutzauflagen mal wieder nicht erfüllt. Das können die Berliner gut."