Von der Entschuldigung zum Aufbruchsversuch
Die SPD tagt in Berlin und Martin Schulz hält eine bemerkenswerte Rede, findet unser Korrespondent Klaus Remme. Der Publizist Sergey Lagodinsky sieht es so: Die sozialdemokratische Angst vor einem neuen Tanz mit der Union ist übertrieben.
Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz will einen umfassenden Neubeginn. "Wir müssen schonungslos die letzten 20 Jahre aufarbeiten", sagte er auf dem Bundesparteitag in Berlin. Man habe nicht nur diese letzte, sondern die letzten vier Bundestagswahlen verloren: "Wir haben nicht nur dieses Mal 1,7 Millionen Stimmen verloren, sondern 10 Millionen seit 1998 - die Hälfte unserer Wählerschaft", so der SPD-Chef. Die Rettung laut Schulz: Aus den eigenen Fehlern lernen. Und eine neue Vision entwickeln.
Ungewöhnliche Tonlage: Schulz sagt sorry
Schulz habe sogar um Entschuldigung für die Schlappe bei der Bundestagswahl gebeten, berichtet unser Korrespondent Klaus Remme: eine Tonlage, die man in der politischen Landschaft nicht häufig höre.
Doch danach kamen auch die "kämpferischen Töne", die laut Remme im Saal Wohlwollen erzeugten. Schulz' wichtigster Hebel sei nun Europa, damit wolle er die Partei locken. Denn die Sorge um Europa lässt sich einfacher vermitteln, als der Wunsch mitzuregieren.
Remme sagt, Schulz sei damit in Vorlage gegangen, schließlich müsse er den Delegierten seine Kehrtwende vom GroKo-Gegner zum Befürworter ergebnisoffener Gespräche verkaufen. Dabei muss er auch die rund hundert Jusos mitnehmen, die unter den 600 Parteitagsteilnehmern sitzen und auf keinen Fall eine Neuauflage des Bündnisses mit der Union wollen.
Dramaturgie des Parteitags sorgfältig geplant
Die Dramaturgie des Parteitags sei jedenfalls sorgfältig geplant worden, so Remme. Zuerst das "reinigende Gewitter", und erst dann gehe es um Schulz' Position und seine Wiederwahl: "Ich vermute mal, vor allem mangels personeller Alternativen ist Martin Schulz hier nicht wirklich gefährdet."
Der Publizist Sergey Lagodinsky sagt im Deutschlandfunk Kultur, die zurückliegende GroKo habe eigentlich erfolgreich gearbeitet, und vieles sei das Verdienst der SPD gewesen – das Problem sei nur, dass die SPD dies weder der Öffentlichkeit noch der eigenen Basis habe vermitteln können.
Auch die CDU und Merkel sind geschwächt
Nun gebe es die Furcht, dass sich dies wiederholt. Die Angst vor der neuen GroKo sei aber übertrieben. "Denn wir haben eine geschwächte CDU, wir haben eine geschwächte Kanzlerin, die jetzt in die Große Koalition hineingeht und eine Kanzlerin, die vielleicht zur Mitte dieser Legislaturperiode aufhören würde, und dann kann die SPD am Ende dieser vier Jahre wahrscheinlich sich genauso gut profilieren."
(ahe)