Wie soziale Medien die Debattenkultur verändern
Wie viel Social Media ist notwendig? Im politischen Berlin ist diese Frage durchaus umstritten. Alexander Dobrindt, Minister für digitale Infrastruktur, macht nicht mehr mit bei Facebook & Co. - andere Politiker riskieren für ihre Meinung schon mal einen Shitstorm.
"Wissen Sie, wie viele Follower Sie aktuell haben?"
"Rund 5400, glaube ich."
"Rund 5400, glaube ich."
Im fünften Stock eines der Abgeordneten-Häuser in Berlin hat Michael Grosse-Bröhmer sein Büro. Twitter ist das soziale Medium seiner Wahl. Mit 55 Jahren zählt der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion nicht mehr zur Generation der jungen, hippen Netzpolitiker – aber er empfindet Social Media als Bereicherung:
"Ich finde es wichtig, wie es in einer Demokratie auch sein soll, dass man den Diskurs pflegt, man sich auch gerne streitet."
Da wären wir beim Stichwort:
"Ich bin ja ein absoluter Befürworter von TTIP und ein absoluter Befürworter der Vorratsdatenspeicherung – immer bei solchen Themen, da kriegt man natürlich auch 'ne Menge Widerspruch, manchmal auch Pöbelei damit vermixt. Möglicherweise war das teilweise auch schon ein Shitstorm. Der ist mir aber letztlich egal."
Contra geben sei besser, als Kommentare einfach zu löschen
Auch Halina Wawzyniak – politisch wohl das genaue Gegenteil von Grosse-Bröhmer – hat solche Erfahrungen gemacht. Gerade hat die Linken-Politikerin im Bundestag gegen die Vorratsdatenspeicherung gesprochen. Statt Business-Outfit trägt sie Strickpulli und Jeans. Blog, Facebook, Twitter – sie nutzt das alles.
"In letzter Zeit gab es das, wenn ich mich zu Flüchtlingsfragen geäußert habe. Ich habe einen Blogbeitrag geschrieben, warum ich glaube, dass der Begriff Wirtschaftsflüchtling nicht zutreffend ist, und da gab es einen ordentlichen Shitstorm."
Geantwortet habe sie aber trotzdem jedem – auch den Pöblern:
"Weil ich finde, nicht löschen ist das geeignete Mittel, sondern Contra geben."
Und das, obwohl die Beschimpfungen manchmal unterirdische Ausmaße annehmen:
"Also ich hatte irgendwann – sinngemäß – 'geh doch Neger ficken'".
Egal sind Wawzyniak die Shitstorms nicht.
"Glauben Sie, dass das eine Art Selbstzensur bei Ihnen auslöst?"
"Ich bin mir da ehrlich gesagt, nicht wirklich sicher. Manchmal im Plenum, wenn ich mich aufrege, dass ich mir denke, nee, das kommentierst du jetzt nicht. Weil als Privatperson könnte man das machen, aber als MdB ist das vielleicht schwierig."
Aber es gibt dann doch auch die Politiker, die soziale Medien schlicht für unnötig halten oder auch von der unkontrollierten Dauererreichbarkeit abgeschreckt sind. So stammt der letzte Facebook-Eintrag des Bundesdigitalministers Alexander Dobrindt vom 15. September 2013 – das war eine Woche vor der vergangenen Bundestagswahl. Und auf Twitter gibt es nur Fake-Accounts, die vorgeben Dobrindt zu sein. Manchmal setzt die Schere im Kopf offenbar schon mit der Wahl des Kommunikationsmediums ein.