"Ich komme als Nachbar"
Gern nahm Bundespräsident Joachim Gauck die Einladung der muslimischen Gemeinde Moabit zum traditionellen Fastenbrechen während des Ramadan an - immerhin sind sie fast Nachbarn. Gauck nutzte die Gelegenheit, für ein friedliches Miteinander zu werben.
"Ich komme als Nachbar, denn das Schloss Bellevue, das liegt ja kaum zwei Kilometer entfernt. Und so habe ich Ihre Einladung, heute Abend mit Ihnen hier in Moabit zu feiern, das Fastenbrechen zu feiern, gerne angenommen."
Als Joachim Gauck auf einer kleinen überdachten Bühne am Rande eines Spielplatzes um kurz nach Acht das Wort ergreift, da haben viele seiner Zuhörer seit knapp 17 Stunden nichts mehr gegessen. So auch El-Ali Adil, von der Gemeinde Haus der Weisheit, die den Abend mit organisiert hat. Seine letzte Mahlzeit:
"Um drei Uhr. Frühmorgens, drei Uhr."
Wie er sich da noch auf Ansprachen konzentrieren könne, frage ich:
"Der liebe Gott ist mit den Leuten, die fasten, und schönes Wetter, das geht jetzt gut."
Rund 300 Gäste sind für dieses gemeinsame Fastenbrechen zusammengekommen. Längst nicht nur Muslime. Auch christliche Gemeinden und das Quartiersmanagement, das Bezirksamt und interreligiöse Initiativen haben eingeladen. Nun sitzen Muslime und Nichtmuslime Schulter an Schulter an langen Tafeln aus Bierbänken und –Tischen. Vor ihnen stehen Wasserfläschchen und Obstteller mit Äpfeln, Aprikosen, Pfirsichen. Niemand rührt etwas davon an, es ist noch zu früh.
Auch zwei Mitarbeiterinnen eines nahegelegenen SOS-Kinderdorfes sind gekommen.
"Weil meine liebe Kollegin Mariam Ramadanfasten macht und ich sie begleiten wollte."
Vorbehalte auf beiden Seiten
Sie haben auch 20 Flüchtlinge mitgebracht, die sie hier betreuen. Auch eine fünfköpfige Familie aus Syrien ist gekommen. Die Mutter findet das Fasten hier schwerer als in der Heimat, weil die Tage so lang sind. Dafür seien die kühleren Temperaturen hier besser.
Von der Rede des Bundespräsidenten bekommt sie allerdings nicht viel mit, er spricht deutsch, es gibt keine Übersetzung.
"Bei manchem ist die Angst vor dem islamistischen Terror auch zu einer Angst vor Muslimen geworden. Das ist nicht gut. Und auf der anderen Seite: Nicht wenige Muslime bezweifeln ihrerseits, den Willen unserer Gesellschaft, zu einem gleichberechtigten Miteinander. Weil sie sich diskriminiert und oftmals einem Generalverdacht ausgesetzt sehen."
Ein Miteinander sei aber möglich, so wie hier, lautet Gaucks Botschaft.
Besondere Symbolik
Bis 21 Uhr 37 reihen sich die Reden aneinander, die die besondere Symbolik dieses Beisammenseins hervorheben. So betont Abdallah Hajjir, der Imam aus der Gemeinde "Haus der Weisheit":
"Moabit ist ein Beispiel für ein Stadtteil, in dem Menschen aller Hintergründe friedlich und gleichberechtigt zusammenleben, in dem also auch wir als Moscheegemeinde uns als sozialer Akteur mit Rechten und Pflichten sehen und so agieren."
Nicht nur für die hungrigen Muslime heißt es still sitzen und zuhören. Nur eine Musikgruppe ermöglicht zwischendrin mit arabischen Sufi-Gesängen einen Klönschnack mit den Tischnachbarn. Was Daniela Schadt mit ihrem Sitznachbarn Imam Hajjir plaudert und Joachim Gauck mit anderen Umsitzenden aus dem Organisatorenteam, bleibt allerdings offen.
Mit viel Engagement für ein besseres Miteinander
Deutlich wird dagegen, dass es einigen engagierten Moabiter Bürgern zu verdanken ist, dass es dieses große Treffen an diesem Abend überhaupt gibt. Safiye Ergün arbeitet für einen Pflegedienst, der auf türkische Migranten spezialisiert ist. Nur ein Jahr Vorbereitung habe das Treffen gebraucht, berichtet sie stolz in ihrer Ansprache:
"Nun ist es schon so weit! Für Berliner Verhältnisse unglaublich schnell!"
Nur sehr langsam dagegen verdunkelt sich an diesem Abend der bewölkte Himmel. Endlich gibt der Imam das Signal:
"Im Namen der Veranstaltung bitte ich Sie jetzt, das Buffet ist schon geöffnet und dass sie jetzt zum Essen zugreifen – guten Appetit!"
Es gibt Reis mit Huhn und Gemüsesoße. Zum Nachtisch: Pudding.
Safiye Ergün:
"Wir laden alle ein, die Botschaft der Barmherzigkeit gemeinsam Wirklichkeit werden zu lassen. Diese Botschaft verbindet Muslime, Christen und Juden. Sie verbindet über alle politischen und weltanschaulichen Differenzen, über Generationen und Nationen hinweg. Mögen Ihnen alle die Speisen süß sein!"