Zwischen EM-Drama und gemeinsamer Geschichte
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Seine erste Auslandsreise seit vielen Monaten führt Bundespräsident Steinmeier nach Dänemark. Bei dem Besuch wird die gemeinsame, bewegte Geschichte der beiden Nachbarländer lebendig. Doch auch aktuelle politische Themen stehen auf dem Programm.
Auch Frank-Walter Steinmeier hat am Samstagabend Fußball geguckt. In seinem Hotelzimmer am Koldingfjord sah der Bundespräsident wie viele Millionen Fans weltweit, wie beim Spiel zwischen Dänemark und Finnland plötzlich Christian Eriksen bewusstlos zusammensackte und die Spieler und Ärzte begannen, um das Leben des 29-jährigen dänischen Spielers zu kämpfen.
Natürlich überschatten die Bilder aus dem Stadion das darauffolgende Abendessen mit der dänischen Regierungschefin. Nicht nur Steinmeier und Mette Frederiksen sind erleichtert, als es wenig später heißt: Eriksens Zustand hat sich stabilisiert.
Dänen mussten auf deutscher Seite kämpfen
Noch kurz vor dem Spiel konnte der Bundespräsident von all dem nichts ahnen und hielt auf der Hotelterrasse fest: "Ich darf Ihnen allen sagen: Ich freue mich wirklich riesig, diesen Besuch in Dänemark beginnen zu können."
Es ist die erste längere Auslandsreise von Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender seit zehn Monaten. Eigentlich sollte schon im vergangenen Jahr das 100-jährige Bestehen der deutsch-dänischen Grenze gefeiert werden. Und damit auch die Aussöhnung von zwei Staaten und eine ausgezeichnete Minderheitenpolitik. Dann kam Corona.
An diesem Wochenende trifft Steinmeier gleich zweimal die dänische Königin Margrethe II., das erste Mal beim Festgottesdienst in Hadersleben. Vor der Kirche stehen Hunderte Neugierige und warten. Fast niemand trägt eine Maske und sehr viele haben rot-weiße Fahnen dabei.
Auch Flemming Friis ist gekommen. "Mein Großvater hat im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft", berichtet er.
Rund 35.000 Dänen in der Region wurden damals gezwungen, für Deutschland zu kämpfen. Denn wenige Jahrzehnte zuvor war das Herzogtum Schleswig Teil des Deutschen Reichs geworden. Dann verlor Deutschland den Ersten Weltkrieg. Kopenhagen erkannte die Chance, seine Landsleute, aber auch verlorenes Gebiet zurückzuerlangen.
Heute droht kein Krieg mehr
1920 kam es in Schleswig zur Volksabstimmung. Der nördliche Teil stimmte mehrheitlich für ein Zusammengehen mit Dänemark. Das südliche Schleswig wollte weiterhin deutsch bleiben. Damit war die neue Grenze gezogen. Und sie besteht bis heute. "Man muss miteinander leben und einander akzeptieren. Das ist das Wichtigste", sagt der 73-jährige Flemming Friis.
Kurze Zeit später besuchen Steinmeier und die Königin die Düppeler Schanzen. Dort, wo Dänemark 1864 die entscheidende Schlacht gegen preußische und österreichische Soldaten verloren hatte und damit auch das Herzogtum Schleswig.
Auf den grünbewachsenen Hängen stehen zwei Dutzend älterer Männer mit flatternden Dänemark-Fahnen. Viele von ihnen tragen Uniformen und Orden. Am Himmel kreist ein rot-weißer Düsenjet.
Heute droht kein Krieg mehr zwischen Berlin und Kopenhagen. Wir stehen zusammen und kämpfen gemeinsam für unsere Werte, sagt die dänische Verteidigungsministerin Trine Bramsen.
Gespräche über die dänische Asylpolitik
Aber ist dieses Band wirklich so fest? Vor wenigen Wochen berichteten internationale Medien, dass der dänische Geheimdienst hochrangige europäische Politiker und Politikerinnen in Kooperation mit der amerikanischen NSA abgehört hat. Neben Angela Merkel soll auch Frank-Walter Steinmeier betroffen sein.
Sie wolle Spekulationen in den Medien nicht kommentieren, sagt die dänische Verteidigungsministerin. Aber nochmals: Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien gut, betont Bramsen.
Neben der Spionageaffäre dürfte Steinmeier in seinen Gesprächen mit der dänischen Ministerpräsidentin auch die dänische Asyl- und Flüchtlingspolitik angesprochen haben. Tatsächlich hat die Sozialdemokratin Mette Frederiksen auch deswegen die Wahl vor zwei Jahren gewonnen, weil sie den scharfen Rechtskurs der Vorgängerregierungen fortsetzt und sogar verschärft.
Trennung und Verlust bestimmten die Geschichte
Doch Steinmeier weiß, dass sein Besuch vor allem als wichtiges Signal der Anerkennung in der Region gesehen wird.
Die Volksabstimmung von 1920 habe einerseits das Ende von Krieg und Zerstörung versprochen. Andererseits habe sie aber für viele Menschen in der Region auch Trennung und Verlust gebracht, sagt der Bundespräsident bei der offiziellen Feier in Sonderborg:
"Und wir Deutschen vergessen nicht, dass das Friedensversprechen 20 Jahre später jäh gebrochen wurde, als wir Deutschen unsere dänischen Nachbarn überfielen. Deutschland war Dänemark wahrlich gegenüber nicht immer ein guter Nachbar!"
Auch deswegen wurden auf beiden Seiten der Grenze nach dem Krieg Zehntausende, die zur dänischen bzw. deutschen Minderheit zählen, häufig misstrauisch betrachtet. Heute ist es anders. Die Minderheiten haben eigene Schulen, Zeitungen, Sportvereine und Altenheime, die breit akzeptiert sind.
Auch die Frage nach der Loyalität beantworten die meisten in der Region heute sehr gelassen. Hinrich Jürgensen ist Vorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger und vertritt die Interessen der deutschen Minderheit in Dänemark. Jürgensen hält fest: "Wir haben nicht nur eine Königin, wir haben auch einen Bundespräsidenten!"