Bundesprogramm "Neustart Kultur"

Musikrat fordert Selbstverpflichtung der Länder

07:58 Minuten
Drei junge Frauen sitzen gemeinsam auf einer Wiese und schauen auf das Festivalgelände.
Der Festivalsommer 2020 fällt aus, die Sehnsucht nach Open-air Musik und feiern bleibt. Der Musikrat will nun weitere Einsparungen für Bühnen und Festivals verhindern. © Unsplash/ Aranxa Esteve
Christian Höppner im Gespräch mit Mathias Mauersberger |
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Der Deutsche Musikrat begrüßt, dass der Bund 150 Millionen Euro für die Musik-Infrastruktur von Live-Bühnen bis Festivals bereitstellt. Der Rat fordert von den Ländern nun festzuschreiben, dass nicht überproportional an der Kultur gespart wird.
Der Deutsche Musikrat begrüßt das Programm der Bundesregierung, mit dem der Kultursektor über die Zeit der Coronakrise geführt werden soll, und nimmt zugleich Länder und Kommunen in die Pflicht. Diese dürften jetzt nicht ihre Ausgaben für die Kultur kürzen, fordert Christian Höppner, der Generalsekretär des Musikrates. Am besten sei, die Länderparlamente würden eine Selbstverpflichtung eingehen. Er betont, dass die Krise gewiss auch 2021 noch andauern werde und fordert vorausschauendes Handeln.
"Ich freue mich erst mal, das ist ein großartiger Erfolg für die Kulturstaatsministerin und auch eine Win-win-Situation für die Kultur und die Bundesregierung", sagt Höppner zum Programm "Neustart Kultur". Es gehe darum, in einer anhaltenden Krise ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte das Programm am Donnerstag vorgestellt: Insgesamt stehen rund eine Milliarde Euro zur Verfügung, rund 150 Millionen davon sollen an die Musikwirtschaft fließen.

Programm für die Infrastruktur

"Neustart Kultur" sei ein Programm für die Kulturinfrastruktur, betont Höppner. Alle würden profitieren, die es auf dieser Ebene nötig haben. Die Feinabstimmung zu den Kriterien kenne er noch nicht: "Aber wenn man mal in die Interpretation der vorliegenden Papiere und Verlautbarungen der Kulturstaatsministerin geht, dann gehe ich davon aus, dass wirklich alle Bereiche der Kulturinfrastruktur und Privatwirtschaft von dem Programm profitieren werden: Das sind die Veranstalter, der Musikhandel, die Hersteller, die Verlage oder auch die Spielstätten."
Er freue sich zudem, sagt Höppner, dass in dem Eckpunktepapier ein deutliches Signal zur Stärkung der Kommunen gesetzt ist. Denn 85 Prozent der Kulturausgaben würden Länder und Kommunen tragen, die Kommunen an erster Stelle, so Höppner.
Nun gehe es darum zu klären, wie die Bundesmittel die richtigen Empfänger erreichen: "Es gilt, Institutionen zu finden, die nicht in dem Verdacht stehen, Partikularinteressen zu vertreten, sondern demokratisch legitimiert sind und das Geld wirklich professionell und unparteilich verteilen."

Wichtiges Jahr 2021

Höppner glaubt allerdings, dass das Geld angesichts von Hygiene- und Abstandsregeln nicht ausreichen werden, um den Betrieb von Konzerthäuser, Clubs und Festivals langfristig zu sichern. "Natürlich ist das ein erster, guter, richtiger Aufschlag, aber der reicht natürlich nicht." Denn niemand, der privatwirtschaftlich im Veranstaltungsbereich tätig sei, werde mit diesen Hygieneauflagen wirtschaftlich arbeiten können, meint Höppner. Er gehe zudem davon aus, dass die Hygieneregeln länger in Kraft blieben.
"Wenn der politische Wille da ist – und den erkenne ich an allen Ecken und Enden –, dann muss da noch sehr viel mehr Geld in die Hand genommen werden." Er sage das explizit nicht als Kritik an diesem Programm, sondern mit Bezug auf den Haushalt 2021, der jetzt im Deutschen Bundestag verhandelt werde. "Sonst werden wir im nächsten Jahr wirklich einen Crash erleben, dann werden viele Unternehmen das nicht mehr überleben."
Der Musikrat appelliere an die Landesparlamente, nicht an der Kultur zu sparen und das auch festzuschreiben: "Wenn 85 Prozent auf Landes- und Kommunalebene verausgabt werden, dann liegt da auch der Schlüssel, was den Haushalt 2021 anbetrifft. Deshalb bin ich so froh, dass die Kommunen nun eine Unterstützung erhalten."
Aber das dürfe nicht dazu führen, dass bei den Kulturausgaben auf Länder- und Kommunalebene im kommenden Jahr überproportional gespart wird, sagt Höppner: "Im Gegenteil: Wir müssen da mehr investieren."

Selbstverpflichtung der Länder gefordert

Der Deutsche Musikrat schlage vor, dass die Länderparlamente eine Selbstverpflichtung eingehen: "Das können sie tun, indem man prozentual die Haushaltsansätze von diesem Jahr für drei Jahre festschreibt." Damit seien die Kulturausgaben zwar nicht vor Kürzungen geschützt, aber zumindest vor überproportionalen Kürzungen. "Dieses Haushaltsinstrument gibt es; das fordert der Deutsche Musikrat nachdrücklich ein, sonst wird das Jahr 2021, spätestens 2022, wirklich ein GAU für unseren Kulturbereich mit großem Schaden für die kulturelle Vielfalt in unserem Land."
Ein Baustelle sei dagegen noch die Hilfe für Menschen, die als Musiker tätig seien. "Es gibt für die Solo-Selbstständigen ja diverse Programme, von den Hilfsprogrammen des Bundes, von dem Sozialschutzpaket, von den Maßnahmen in den Ländern", aber das sei noch ein Flickenteppich und unterscheide sich von Bundesland zu Bundesland.
Was der Musikrat schon Mitte März vorgeschlagen hat, "nämlich wirklich unbürokratisch, schnell, rasch eine Überbrückungshilfe zu zahlen von mindestens 1000 Euro im Monat für sechs Monate" – das sei zwar in Baden-Württemberg und später auch in Bayern aufgegriffen worden. Auch die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder habe das unterstützt: "Aber da sind wir noch nicht wirklich durch. Aber hier muss man wirklich auch mal auf die Verantwortung der Länder verweisen."
(mfu)
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