Nein heißt nein - oder etwa nicht?
Vergewaltigungsvorwürfe führen nur in acht Prozent der Fälle zu Verurteilungen. Um Frauen besser vor sexuellen Übergriffen zu schützen, will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) das Sexualstrafrecht nun reformieren. Doch der Gesetzentwurf gilt vielen als zu soft.
Katja Keul, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, fasste die Debatte zum Sexualstrafrecht so zusammen:
"Sehr geehrter Herr Maas, wenn ich diese Reden hier so höre, dann, glaube ich, haben Sie ein Problem."
Der Grund: Ausnahmslos allen Rednern in der Debatte, auch denen aus der SPD, ging die Reform aus dem Haus von Bundesjustizminister Maas nicht weit genug. Der SPD-Politiker hatte zu Beginn den Gesetzentwurf verteidigt, der durchaus Verschärfungen vorsieht. Vergewaltigungsvorwürfe führten in gerade mal acht Prozent der Fälle zu Verurteilungen. Und das, obwohl nur etwa jeder zehnte Fall zur Anzeige komme, so Maas.
"Dies führt dazu, dass Frauen, die Opfer sexueller Gewalt werden, sich nicht ermuntert fühlen, die Taten, die gegen sie begangen worden sind, auch strafrechtlich ahnden zu lassen."
Der Haustyrann kann straffrei ausgehen
Derzeit kann wegen sexueller Übergriffe nach Paragraph 177 bestraft werden, wer Gewalt einsetzt, wer dem Opfer droht, und zwar mit Gefahr für Leib oder Leben, oder wer ausnutzt, dass das Opfer ihm schutzlos ausgeliefert ist. Der Wille des Opfers muss also gerade in Zusammenhang mit der Tat überwunden werden.
Der Haustyrann, dessen Partnerin ohnehin in ständiger Angst lebt, kann dagegen straffrei ausgehen. Das will der Entwurf mit einer neuen Vorschrift ändern. Außerdem sollen auch geringere Drohungen als bisher für die Strafbarkeit genügen, so Justizminister Maas.
"Es geht um die Angst, dass man zum Beispiel seinen Arbeitsplatz verliert, wenn man sich sexuellen Handlungen verweigert, oder dass man als Ausländerin abgeschoben wird, wenn man sich dem Täter verweigert."
Auch der Überraschungsangriff, der Griff von hinten unter den Rock zum Beispiel, soll nicht mehr nur als Beleidigung geahndet werden können. Allen Rednern genügte das nicht. Wie Halina Wawzyniak von der Fraktion die Linke forderten sie:
"Nein, heißt nein. Das ist eine banale Selbstverständlichkeit. Eigentlich. Denn im Sexualstrafrecht gilt sie leider noch nicht."
Warum Opfer sich nicht wehren
Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, zählte auf, warum sich ein Opfer möglicherweise nicht wehrt – und der Übergriff doch strafwürdig sei. Die Frau, die Rücksicht auf die im Nebenzimmer schlafenden Kinder nimmt - oder:
"Das Opfer wehrt sich nicht aus Angst, aus Ekel, weil es irgendwie doch das nicht erwartet hätte, was passiert und vielleicht nicht die Kraft aufbringt, zu gehen. Manchmal vielleicht auch, weil etwas Alkohol im Spiel ist."
Allerdings: Der Eindruck, die große Mehrheit des Bundestages wolle so weit gehen wie die heutigen Redner, könnte trügen. Den Vertretern der Union, die Verschärfungen gefordert hatten, wünschte der SPD-Politiker Johannes Fechner viel Erfolg in der eigenen Fraktion.
"Wir haben in den Vorberatungen explizit gefragt: Herr Strobl, wie sieht's aus, Herr Kauder, wie sieht's aus mit 'Nein heißt Nein'? Die klare Antwort war: 'Nein heißt Nein' gibt es mit der Union nicht. Wenn sich daran etwas ändert – wunderbar… "
In jedem Fall zeichnet sich aber ab, dass der Entwurf verschärft werden wird. Vertreter aller Fraktionen, unterstützt von Landesjustizministern aus der Union wollen, dass die sexuelle Belästigung – zum Beispiel das unerwünschte Begrapschen – als eigene Tat unter Strafe gestellt wird, und nicht nur möglicherweise als Beleidigung.