Nix los unter der Reichstagskuppel?
Zwei Monate dauert die Sommerpause: Trotzdem ist im Bundestag mitten in Berlin eine Menge los. Besonders viele Besucher kommen jetzt. Außerdem ist Putzen angesagt, um zum Beispiel Pollen und Leberwurstreste vom Glas der Kuppel zu entfernen.
Jens Brandenburg: "Ja, erst einmal herzlich Willkommen. Ich hoffe, ihr habt eine gute Anreise und eine gute Zeit in Berlin hier gehabt."
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg begrüßt über 60 Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse eines Gymnasiums aus Baden-Württemberg. Kurz vor den Sommerferien sind sie nach Berlin gekommen – Jahrgangsfahrt. Den Bundestag besuchen – ein Muss. Ein Schüler möchte vom FDP-Politiker wissen, wie viel er im Monat verdient.
Jens Brandenburg: "Also im Kern gibt es eine Abgeordnetendiät. Ach so, da hört die Presse mit. Es ist bekannt."
Endlich Zeit für die Besucher
Es ist Sommerpause im Parlament, sitzungsfreie Zeit.
Ist es überhaupt spannend, vor allem für junge Leute, auf leere blaue Stuhlreihen im Plenum von der Besuchertribüne aus runterzuschauen? Reden von Abgeordneten, Wortgefechte, Debatten – all das fehlt.
"Also schade finde ich das schon, weil ich hätte schon gerne zugeguckt, wie das so abläuft," sagt der Schüler Riad: "Aber ich finde nicht, dass es jetzt leer oder langweilig ist. Auch so einen Bundestagsabgeordneten kennenzulernen und zu hören, was sie so machen und wie sie es machen ist auch sehr, sehr interessant. Und für uns alle ziemlich gut, weil wir uns vielleicht für diesen Beruf mal entscheiden werden oder vielleicht auch nicht."
Seit Jahren steigende Gästezahlen
Besuchergruppen schwirren durch das Reichstagsgebäude. Im Jahr kommen über zwei Millionen Menschen hierher, fast doppelt so viele wie noch vor sechs Jahren. Vor allem während des Sommers ist der Andrang groß.
Frank Bergmann. "Das liegt auch ein bisschen daran, dass wir die Einschränkung, die wir sonst im Sitzungsbetrieb haben, wegen Brandschutz und so, in dieser Zeit dann nicht haben. Das heißt, tatsächlich können von acht bis 24 Uhr die Besucher auf der Kuppel sein und sich von dort aus Berlin angucken."
Das ist Frank Bergmann von der Pressestelle des Bundestages. Sommerpause bedeutet für ihn auch, sich mal etwas legerer anzuziehen, also Krawatte und Anzug mal im Schrank zu lassen.
Klar, so Bergmann: Es nehmen sich auch viele von der Bundestagsverwaltung Urlaub – wenn nicht jetzt, wann sonst?
So auch einige der 60 Mitarbeiter der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die im Auftrag von Abgeordneten Gutachten erstellen oder Informationen recherchieren:
"Also wir haben rund 2500 bis 3000 Aufträge an die wissenschaftlichen Dienste im Jahr, übers ganze Jahr verteilt. Und im Juli und im August beobachten wir einen Rückgang von 20 bis 40 Prozent im Vergleich zum sonstigen Durchschnitt."
Eine Woche für die Reinigung der Kuppel-Verglasung
Ein Kran, eine sogenannte "Spinne" mit einem fahrbaren Korb steht auf der Ostseite. Auch Bundestagsgebäude müssen gewartet oder Schäden repariert werden. Die längere Pause im Sommer ermöglicht aufwändigere Umbaumaßnahmen, die sonst den Parlamentsbetrieb stören würden. Aufzüge werden modernisiert, Parkettböden in Schuss gebracht oder wie hier: Fenster geputzt. Unter anderem vom Glasgebäudereiniger Sascha:
"Kuppelreinigung von außen, von innen ist auch sehr anspruchsvoll. Hat man auch nicht jedes Mal. Sind 3000 Quadratmeter, die da gereinigt werden müssen. Haben wir eine Woche für Zeit, also ein bisschen Termindruck haben wir auch."
Wie dreckig ist zum Beispiel die Kuppel?
"Ist sehr dreckig, gerade von innen, wenn die ganzen Spinnen sich da ansammeln. Spinnweben, der Blütenstaub. Ist schon nicht ohne. Vogelkacke von draußen ist halt normal. Oben sitzen ja die Krähen auf dem Halbkreis drauf und machen Rabatz. Was finden wir noch? Taschentücher, Bonbonpapier, Leberwurst, Stullen etc., die werden da immer rüber geschmissen."
Der Fahrstuhl kommt jetzt schneller
Eine Rolltreppen-Laufbahn wie am Flughafen verbindet unterirdisch das Reichstagsgebäude mit dem angrenzenden Jakob-Kaiser-Haus, in dem viele Abgeordnete ihre Büros haben. Es wird ruhiger. Wo sonst zig Abgeordnete und Mitarbeiterinnen hin und her hetzen – ist kaum jemand unterwegs.
"Ja, es ist leer. Aber das ist normal. Also in Nicht-Sitzungswochen ist es normal, weil die Leute in ihren Büros sind und nicht zu irgendwelchen Sitzungen hin und her laufen müssen."
So eine wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Grünen-Abgeordneten:
"Wir fahren mit dem Fahrstuhl und in der Sommerpause kommt der auch öfters. In der Sitzungszeit wird gerade dieser Fahrstuhl hier sehr hoch frequentiert und dann wartet man doch länger. Es ist ein sehr interessanter Aufzug, weil Abgeordnetenbüros der Grünen, der FDP und der AfD diesen Aufzug gemeinsam nutzen."
In der Sommerpause unbekannte Ecken entdecken
Ein paar Flure und Büros weiter zeigt Kamil Majchrzak auf einen Papierstapel, den er über die Sommerpause noch abarbeiten will: 100 Seiten.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Brigitte Freihold ist zuständig für Erinnerungspolitik. Die Sommerpause nutzt er nicht nur, um liegengebliebene Sachen zu erledigen. Sondern auch, um die eigenen Kinder ins Büro mitzunehmen und ihnen die Bundestagswelt zu erklären.
Kamil Majchrzak:"Es ist ja auch sehr wichtig, den Kindern zu zeigen: Wo arbeitet eigentlich der Vater, was macht der eigentlich. Weil meine Eltern verstehen bis heute nicht, was ich eigentlich mache. Die sagen: Du bist Jurist, du hast in drei Ländern Jura studiert. Was machst du eigentlich? Du hast immer noch kein Haus und keinen Swimming-Pool vor dem Haus. Deswegen wollte ich den Kindern das von Anfang an deutlich machen, dass ich eben hier arbeite, dass man Reden schreibt, dass ich Gesetze schreibe."
Seine älteste Tochter Emilia, zehn Jahre alt, findet es immer wieder spannend, auch unbekannte Wege und Ecken zu entdecken:
"Letztens, wo wir hier waren, habe ich auch so, so eine Art Gang gesehen. Da waren immer die Namen von den Bundespräsidenten ‑ von den Abgeordneten ‑ also Schildchen. Und da standen auch viele verschiedene Namen. Und da war auch Adolf Hitler drauf. Das war ziemlich kaputt das Schild, weil das schon viele dran, haben versucht rumzuwerkeln, um es kaputt zu machen."
Mal in Ruhe neue Dinge diskutieren
Es ist Sommer. Pause. Zeit zum Durchatmen. Das heißt aber nicht, dass nichts los ist, sagt der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg:
"Die Sitzungswochen sind ja normalerweise sehr durchgetaktet. Von Montag bis Freitag sehr enger Zeitplan und man kommt nicht wirklich dazu, mal in Ruhe sich mit ein paar Leuten hinzusetzen, neue Dinge zu diskutieren. Das sind genau die Dinge, die wir jetzt in der Sommerpause machen. Aus dem Stapel von vielen Dingen, wo wir immer gesagt haben, das machen wir später Mal in der Sommerpause, das wirklich angehen zu können."