Vom Hinterbänkler ins Rampenlicht
Heute beginnt die erste reguläre Sitzungswoche des Bundestags - und damit auch die erste Arbeitswoche der "Hinterbänkler", die wir im vergangenen Herbst vorgestellt haben. Zwei von ihnen wollen nun richtig durchstarten.
"Ich bin jetzt Obfrau im Verteidigungsausschuss und Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung und finde es sehr schön, dass mir meine Fraktion da so vertraut hat, dass ich jetzt auch im Vergleich zu den letzten vier Jahren einen kleinen Sprung nach vorne machen konnte."
Agnieszka Brugger von Bündnis 90/Die Grünen: 28 Jahre alt, Vollblutpolitikerin. Sie hätte es gern gesehen, wenn der Bundestag schon im alten Jahr den regulären Betrieb aufgenommen hätte. Doch wegen der langwierigen Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD gab es nur einzelne Sondersitzungen.
"Dass die Mandate zu den Auslandseinsätzen nicht ordentlich beraten wurden, sondern sofort abgestimmt werden mussten, zum Beispiel zur Mission im Südsudan, das war sehr ärgerlich, aber gelangweilt habe ich mich trotzdem nicht, ich habe die Zeit dann sehr gut genutzt, um zum Beispiel einen Buchbeitrag zu Afghanistan zu schreiben, aber insgesamt war es sehr ärgerlich, dass wir nicht die üblichen Sitzungen und Verfahren hatten, um auch unserer Rolle als Oppositionsfraktion nachkommen zu können."
Das wird im neuen Bundestag sowieso schwer. Die Mehrheitsverhältnisse lassen der Opposition wenig Spielraum. Aber als sicherheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion wird Agnieszka Brugger viel zu tun bekommen. Auf wen oder was freut sie sich besonders?
"Na ja, dass die Arbeit einfach ordentlich wieder losgehen kann, dass man nicht jeder Information hinterher hecheln muss, sondern einfach auch die Möglichkeit hat, die Regierung zu befragen, und dann bin ich natürlich auch sehr gespannt, Freude ist da vielleicht das falsche Wort, aber zu sehen, wie sich Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin macht, ich habe jetzt zum Beispiel auch diese Personalentscheidung für von der Leyen weder so kommentiert 'oh mein Gott, wie kann man nur" noch 'jetzt wird alles gut', sondern sie muss sich erstmal beweisen, ob die Probleme angepackt werden und wie viel man dann kritisieren oder alternativ vorschlagen muss."
Endlich geht es los
Agnieszka Brugger kam über die Landesliste der Grünen in Baden-Württemberg wieder in den Bundestag. Ihren Lebensmittelpunkt hat sie in Berlin. Im Gegensatz zu den anderen Hinterbänklern aus unserer Porträtreihe, die es erneut in den Bundestag schafften. Sie reisen fast alle heute erst an. Auch Matthias Zimmer, 52 Jahre alt, der für die CDU das Direktmandat im Wahlkreis 182 in Frankfurt am Main gewann. Das sei schon "ein bisschen frustrierend“ gewesen, sagt er, das lange Warten bis zur ersten regulären Sitzungswoche. So viele Schreibtische habe er gar nicht aufräumen können wie er Zeit hatte. Dass er nun, angesichts der starken eigenen Fraktion, im neuen Bundestag erneut auf den hinteren Bänken wird Platz nehmen müssen, das störe ihn hingegen gar nicht. Von dort habe man schließlich alle und alles im Blick. So Matthias Zimmer von der CDU.
Ebenfalls den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte Eva Högl, 45 Jahre alt, SPD. Sie verteidigte ihr Direktmandat in Berlin-Mitte. Anschließend saß sie mit am Verhandlungstisch der Großen Koalition.
"Für mich war das ganz was besonderes, weil ich noch nie Koalitionsverhandlungen auf der Bundesebene gemacht habe, bisher nur beim letzten Mal in Berlin für die Landespolitik, und an drei Stellen ist es mir gelungen, meinen Stempel dem Koalitionsvertrag aufzudrücken."
Und zwar bei der Frauenquote - der Gesetzentwurf dazu trage maßgeblich ihre Handschrift, sagt sie - bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Prostitution, und beim Thema NSU. In der vergangenen Legislaturperiode saß sie im dazugehörigen Untersuchungsausschuss.
Karrieresprung für Eva Högl
"Mir war es persönlich sehr wichtig, dass diese Bundesregierung, die Große Koalition, sich darauf verständigt, die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses tatsächlich auch umzusetzen. Und auch das haben wir vereinbart und werden wir auch machen."
Das Ringen um den Koalitionsvertrag hat sich gelohnt. Nicht nur für ihre Partei, auch für Eva Högl selbst. Die SPD-Bundestagsfraktion wählte sie zu ihrer stellvertretenden Vorsitzenden. Arbeitsschwerpunkte: Innen- und Rechtspolitik. Ganz klar ein Karrieresprung für sie. Und auch einer von den hinteren Bänken des Bundestages weit nach vorne.
"Wir haben im Bundestag ja keine festen Plätze, sondern nur die erste und die zweite Reihe bei besonderen Sitzungen, aber bei allen Debatten, die meine Themen betreffen, also die Innen- und Rechtspolitik, Verbraucherschutz, werde ich vorne sitzen als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und entweder selbst das Wort ergreifen und für die SPD-Fraktion reden oder auf jeden Fall koordinierend tätig sein. Also man wird mich sehen in der Innen- und Rechtspolitik."
Eva Högl bezeichnet ihre neue Herausforderung gar als Traumjob.
"Ich freue mich einfach darauf, gestalten zu können, denn ich habe jetzt vier Jahre Opposition hinter mir, und da wandern die vielen guten Ideen, die ich aufgeschrieben habe, doch sehr schnell in die Schreibtisch-Schubladen, so dass ich mich jetzt darauf freue, das was ich mir ausdenke mit den Kolleginnen und Kollegen, zusammen mit den Ministerien, dass ich das auch umsetzen kann."