Vietnamesischem Blogger droht lange Haft
Vietnam macht einem der populärsten Blogger des Landes, Nguyen Huu Vinh, den Prozess. Seine Blogs, die mehrere Millionen Mal aufgerufen wurden, kritisierten die Regierung des kommunistischen Staates. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt hofft, vor Ort ein milderes Urteil bewirken zu können.
Von vietnamesischen Bloggern weiß man wenig - wie man ja überhaupt wenig hört über das kommunistische Vietnam, das sich zwar wirtschaftlich geöffnet hat - wie sein großer Bruder China -, doch politisch starr am Machtmonopol der Kommunistischen Partei festhält. So ist es in der Weltöffentlichkeit kaum aufgefallen, dass einer der populärsten Blogger des Landes, Nguyen Huu Vinh, genannt "Der Schwätzer", bereits im Mai 2014 zusammen mit seiner Mitarbeiterin Nguyen Thi Minh Thuy verhaftet wurde und seitdem in Haft sitzt. Am Mittwoch soll ihm vor dem Volksgericht in Hanoi der Prozess gemacht werden. Doch ganz unbeobachtet findet die Verhandlung nicht statt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt ist am Wochenende nach Hanoi geflogen – als Prozessbeobachter.
"Ich bin als Mitglied des Menschenrechtsausschusses der Berichterstatter für Südostasien – und für die sogenannten Schurkenstaaten, das heißt als Staaten, mit denen die Menschenrechte in besonderer Weise mit Füßen getreten werden. Ob ich zufällig diesen Bereich übertragen bekommen habe, oder ob das zusammenhängt mit meiner Lebenserfahrung als DDR-Bürger, weiß ich nicht genau. In jedem Fall kommt mir diese Erfahrung zugute, weil ich eher solche Systeme auch von innen her nachfühlen und auch ein bisschen einschätzen kann."
Patzelt sitzt in einem Café in Berlin, kurz vor seiner Abreise. Er war noch nie in Vietnam, spricht die Landesssprache nicht. Doch er hat Briefe geschrieben an die vietnamesische Regierung, an den Staatsanwalt, an den obersten Richter, an den Vorsitzenden der Volksvertretung. Zweimal hat er sich in Berlin mit der Ehefrau von Huu Vinh getroffen. Seine Anreise als "Prozessbeobachter" hat er den Behörden ordnungsgemäß angemeldet. Eine Antwort hat er nicht erhalten, ob er überhaupt empfangen wird, weiß er nicht.
"Ich habe der vietnamesichen Botschaft gestern noch mal geschrieben. Deswegen reise ich schon mal an, damit ich nicht zu spät komme."
Patzelt kennt politische Justiz aus der DDR zur Genüge
Patzelt ist nicht naiv. Er geht davon aus, dass das Strafmaß schon längst festgelegt ist. Dem Blogger drohen bis zu sieben Jahre Haft, die Anklage lautet: "Missbrauch demokratischer Freiheiten". Nguyen Huu Vinh ist Mitbegründer des 2007 gestarteten beliebten Blogs "Anh Ba Sam", der für Beiträge gegen China und Kritik an der Regierung bekannt ist. Fast ein Jahr lang saßen er und seine Assistentin in Untersuchungshaft, ein klarer Verstoß gegen vietnamesische Gesetze. Im Februar 2015 wurde die Anklage in Verbindung mit zwei weiteren politischen Blogs erweitert, an denen Huu Vinh mitgewirkt hatte. Beide Blogs wurden wegen veröffentlichter Kritik an der Regierungspolitik und an Regierungsbeamten von den Behörden geschlossen. Laut Anklageschrift wurden sie mehr als 3,7 Millionen Mal aufgerufen. Patzelt hofft, durch seine Anwesenheit wenigstens das Strafmaß etwas mildern zu können.
"Wenn wir nichts tun, wenn wir den Fokus nicht auf diese Staaten richten, dann ist die Lage ziemlich aussichtslos. Wer kümmert sich um die? Keiner!"
Patzelt kennt diese Art politischer Justiz aus der DDR zur Genüge. Der frühere Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) ist Katholik und wuchs in einer 13-köpfigen Familie auf. Seit drei Jahren sitzt er im Bundestag, dort engagiert er sich im Patenschaftsprogramm "Parlamentarier schützen Parlamentarier". Im August vergangenen Jahres fiel er auf, weil er in einem offenen Brief deutsche Familien dazu aufrief, Flüchtlinge bei sich zu Hause einzuquartieren. Er selber nahm zwei Männer aus Eritrea in seinen Haushalt auf. Mutige Menschen wie Nguyen Huu Vinh, sagt er, nötigen ihm großen Respekt ab.
"Sie haben die Welt verändert. Und sie haben eigentlich die Situation von der wir heute so selbstverständlich annehmen, dass das unser Leben ist, die haben sie auch erkämpft. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten, dass wir Nutznießer sind von mutigen Kämpfern, die in der Vergangenheit Menschenrechte überhaupt ausgedacht, ersonnen und dafür geworben und gekämpft haben. Und diese Solidarität sind wir ihnen eigentlich schuldig."
Falls er nicht vorgelassen wird vor Gericht, sagt Patzelt, dann stellt er sich an die Bannmeile und protestiert - durch seine Anwesenheit.