Risiken und Nebenwirkungen von Negativkampagnen
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Wahlkampfstrategien, die den politischen Gegner diskreditieren, gehen oft nach hinten los, warnt der Medienpsychologe Tobias Rothmund. Er erklärt, was wir in diesem Wahlkampf zu erwarten haben.
Vor der Bundestagswahl im September beobachtet der Kommunikations- und Medienpsychologe Tobias Rothmund einige Versuche, die Wählerinnen und Wähler strategisch zu beeinflussen.
Der Professor an der Universität Jena erinnerte an die Kampagne der "Initiative Soziale Marktwirtschaft", die sich gegen die Grünen gerichtet habe und große Wellen geschlagen habe. Sie hatte ein Bild der Spitzenkandidatin Annalena Baerbock als Moses mit Verbotstafeln gezeigt. Es gebe auch Versuche, aus dem Ausland Einfluss zu nehmen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner hatte bereits vor einer "Schlammschlacht" im Wahlkampf gewarnt. Rothmund spricht im Fachjargon von "negative Campaigning" oder "negativem Wahlkampf".
"Das ist eine Art Wahlkampf, bei dem es weniger um Inhalte geht, sondern darum, die Reputation einer Partei, eines Politikers oder einer Politikerin zu beschädigen." Dabei handele es sich um eine politische Strategie, die keineswegs neu sei.
"Bumerangeffekt möglich"
Die Grenze dessen, was da erlaubt sei, ziehe in der Regel die Wählerschaft, sagt Rothmund. "Negativer Wahlkampf" könne dazu führen, dass Wählerinnen und Wähler demobilisiert würden. Das sei auch das Ziel. "Allerdings muss man auch mit einer Art Bumerangeffekt rechnen", so Rothmund.
Deshalb handele es sich um eine riskante Strategie, auf die nicht so oft zurückgegriffen werde. Ein zweites Risiko liege darin, dass diese Form der Kampagne auch zu einem allgemeinen Vertrauensverlust in das politische System führen könne.
Emotionaler Wahlkampf in sozialen Medien
Der Internetwahlkampf funktioniere anders als der Straßenwahlkampf, so Rothmund. "Die Informationsdichte ist im Internet besonders hoch", so der Kommunikationspsychologe. Vieles werde nicht sehr tiefgründig behandelt.
"Wir erleben speziell in den sozialen Medien so eine Art 'Alles oder Nichts-Prinzip'." Bestimmte Meldungen setzten sich durch und prägten die Agenda und es entstehe ein extremer Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Dabei sei häufig die "Emotionalität" von Meldungen entscheidend und weniger die "Argumentationstiefe".
(gem)