Journalisten verklagen den Bundesnachrichtendienst
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Vor dem Bundesverfassungsgericht wird eine Klage gegen den BND verhandelt. Der Jurist und Verfahrensbevöllmächtigte Matthias Bäcker hofft auf ein Grundsatzurteil, das die Abhörpraxis grundlegend verändert und eine gesetzliche Lücke schließt.
Die NSA-Affäre vor einigen Jahren rüttelte einiges auf. Auch die Bundesregierung wurde abgehört und präsentierte sich in der Rolle des Opfers. Erst später kam durch Recherchen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR heraus: Auch der Auslandsgeheimdienst BND hatte abgehört, und zwar andere europäische Regierungen - und auch ausländische Journalisten, etwa von der britischen Rundfunkanstalt BBC, der US-amerikanischen Tageszeitung New York Times und der Nachrichtenagentur Reuters.
"Reporter ohne Grenzen" (ROG) und weiteren Organisationen sowie ausländische Journalisten haben gegen diese Praxis Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Heute beginnt der Prozess und es sind beim Bundesverfassungsgericht für die mündliche Anhörung zu dieser Verfassungsbeschwerde gegen die Abhörpraxis des BND zwei Tage angesetzt. Ein Grundsatzurteil wird erwartet.
Gleiche Grundrechte für Ausländer im Ausland
"Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht erstmals klare verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes formuliert, also für die Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern, die sich im Ausland aufhalten", erläutert der Jurist Matthias Bäcker die Erwartungen. Der Professor für öffentliches Recht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist der Verfahrensbevollmächtige für ROG bei der Verhandlung. Bisher sei das ein blinder Fleck für die deutschen Grundrechte gewesen, sagt er über das Vorgehen des BND. "Das ist kein Zustand, der weiter tragbar ist, da sollte nachjustiert werden."
Die Kernfrage des Verfahren sei, ob Unterschiede zwischen In- und Ausland eigentlich noch zeitgemäß seien. "Die Bundesregierung und der Bundesnachrichtendienst stehen seit Jahrzehnten auf dem Standpunkt, dass die deutschen Grundrechte für Ausländer und Ausländer, die sich im Ausland aufhalten, nicht gelten." Das sei heute kaum noch nachvollziehbar. Schließlich sei auch die internationale Telekommunikation globalisiert.
Journalisten brauchen Quellenschutz
Gerade Journalisten seien auf vertrauliche Kommunikation angewiesen, damit sie ihren Job machen könnten und ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe nachkämen. sagt Bäcker. Er vertrete investigative Journalisten, die brisantes Material sichteten und veröffentlichten. Sie seien deshalb darauf angewiesen, ihren Quellen Vertraulichkeit zuzusichern. "Das geht aber nicht gut, wenn man immer damit rechnen muss, von Nachrichtendiensten überwacht zu werden."
In der Gesellschaft und in den Medien gebe es bereits eine Debatte über diese Fragen, sagte Bäcker. Aber die Bundesregierung und der BND hätten diese Diskussion bisher nicht gesucht. Sie stünden auf dem Standpunkt, die Verfassungsbeschwerde gefährde die Sicherheit der Bundesrepublik, weil die Kläger die Auslandsaufklärung abschaffen wollten. "Das ist nicht der Fall", sagte Bäcker. Keiner habe etwas gegen den Bundesnachrichtendienst oder prinzipiell gegen die Auslandsaufklärung. "Wir wollen sie nur rechtsstaatlich einhegen und begrenzen auf ein vernünftiges Maß." Wo das liege, müsse in einer Debatte gemeinsam mit dem BND ermittelt werden.
Hoffnung auf inspirierendes Urteil
Dafür müsse die starre Verweigerungshaltung aufgegeben werden. Ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde könnte dazu führen, dass der BND die Rechtsgrundlagen seiner Tätigkeit auf eine klarere und rechtsstaatlich angemessenere Grundlage stellen könne. Das Bundesverfassungsgericht sei im weltweiten Vergleich ein Leuchtturm, deshalb hoffe er darauf, dass ein Urteil auch auf andere Verfassungsrichter inspirierend wirken könnte und auch in anderen Staaten zu Verbesserungen führe.
(gem)