Bundesvorsitzende von Donum Vitae

"Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Problemlösung"

Rita Waschbüsch leitet den Verein donum vitae, der sich für "den Schutz des Lebens ungeborener Kinder" einsetzt
Rita Waschbüsch leitet den Verein donum vitae, der sich für "den Schutz des Lebens ungeborener Kinder" einsetzt © Armin Weigel / dpa
Rita Waschbüsch im Gespräch mit Dieter Kassel |
Die frühere Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Rita Waschbüsch, will das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nicht ändern. Keiner könne wollen, dass ein Abbruch eine normale Leistung werde.
Dieter Kassel: In Gießen beginnt heute das Berufungsverfahren gegen eine Ärztin, die vor knapp einem Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil das Gericht damals davon überzeugt war, sie hätte mit Informationen auf ihrer Internetseite gegen das Werbeverbot für Abtreibung verstoßen. Und der Papst wich vorgestern auf dem Petersplatz von seinem Redemanuskript ab, um wörtlich zu sagen, eine Abtreibung durchzuführen, sei wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen. Beides facht auch in Deutschland die Abtreibungsdebatte an, was Rita Waschbüsch nicht egal sein kann, denn sie ist die Bundesvorsitzende von Donum Vitae, einem von katholischen Christen gegründeten bürgerrechtlichen Verein, der unter anderem die Beratungsnachweise ausstellt, die für einen Schwangerschaftsabbruch erforderlich sind. Schönen guten Morgen, Frau Waschbüsch.
Rita Waschbüsch: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Aus Sicht des Papstes leistet Ihre Organisation jetzt Beihilfe zum Mord.
Waschbüsch: Die Diskussion fixiert sich jetzt natürlich auch diese eine Formulierung, was Schwangerschaftsabbruch betrifft. Das ist kein Mord. Das ist eine Tötung, zweifelsfrei, sagt auch das deutsche Recht, eines schon vorhandenen personalen Menschen und ist deswegen auch für mich keine Problemlösung. Das Problem liegt ja ganz woanders. Im Verlassenwerden, im Mangel an Geld und so weiter. Insofern ist der Begriff falsch gewählt.
Kassel: Aber nun muss man natürlich sagen, der Papst hat es gesagt, öffentlich, und wenn man der Analogie zum Auftragsmord folgt, wären ja Ärztinnen und Ärzte Auftragsmörder. Man kann lange darüber reden, was da alles in der Übersetzung aus dem Italienischen ins Deutsche noch verloren geht, und dass Rechtsbestimmungen in unterschiedlichen Ländern anders sind. Aber man kann natürlich auch darüber reden, dass wir alle wissen, nach Worten folgen Taten. Und es hat ja schon Anschläge auf Abtreibungsärzte gegeben auf dieser Welt.
Waschbüsch: Wenn die gesamte Rede des Papstes verfolgt wird, auch das, was er in ein paar Sätzen danach sagt, kann man solche Ableitungen von dieser Formulierung nicht machen. Er hat drastisch das gesagt und auch für mein Rechtsempfinden falsch. Aber wer ein bisschen den Kontext verfolgt, wird das nicht können.

"Man braucht das Werbeverbot nicht zu verändern"

Kassel: Für Ihr Rechtsempfinden falsch, haben Sie gesagt. Damit sind wir natürlich bei diesem Berufungsprozess, der heute beginnt. In dem ersten Prozess gegen die Ärztin, um die es ab heute auch wieder geht, hat das Gericht festgestellt, damit, dass sie auf ihrer Internetseite darüber informiere, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt, verstoße sie gegen das Werbeverbot von Paragraf 19a. Wenn ich jetzt auf die Internetseite von Donum Vitae gehe, dann kann ich da ja auch nachlesen, dass Sie Schwangerschaftsabbruchsberatung durchführen und die entsprechende Bescheinigung dann am Ende auch ausstellen. Wo genau ist denn da der Unterschied?
Waschbüsch: Die Gesetzgeber wollten, als sie das Recht von '95 reformiert hatten, ja ausdrücklich, dass Schwangerschaftsabbruch nicht wie eine übliche ärztliche Leistung angeboten wird. Und mit Informationspflicht hat das auch nichts zu tun, wenn man dafür wirbt, denn der Paragraf 19 verbietet die Werbung, in dem Fall also diese Information über diese Schiene. Die 218er-Regelung besagt ja, dass die Frau einen Rechtsanspruch auch auf klare Information hat. Und das kann man etwa mit Hinweis auf Ärzte durchaus auch anders schon im gegebenen Recht auch klären.
Kassel: Aber stimmen Sie denn mir und übrigens offenbar, wie wir seit heute Morgen wissen, auch der Bundesjustizministerin zu, dass die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen zumindest in ihren Formulierungen nicht eindeutig genug sind?
Waschbüsch: Aber dann kann man sie im Paragraf 218 eindeutiger machen. Es ist den Länderministern unbenommen – Berlin macht das ja beispielsweise schon –, Listen zu erstellen und sie den Beratungsstellen zuzuleiten. Da braucht man nicht den Paragrafen 219, das Werbeverbot zu verändern, sondern kann im Grunde genommen viel leichter das machen. Und dass man um das Werbeverbot diskutiert, ist im Grunde ein Zeichen – um den Paragraf 219 diskutiert –, dass es eigentlich um den Versuch geht, wieder die Abschaffung des Paragrafen 218 ins Gespräch zu bringen, also das generelle Tötungsverbot. Denn wir haben ja ein Tötungsverbot, und nur im Ausnahmefall, bei besonders schwerer Situation und nach stattgefundener Beratung geht die Frau ohne Strafe in einem Tötungsdelikt nun davon.

Schwangerschaftsabbruch sollen keine normale Leistung werden

Kassel: Aber verstehe ich Sie jetzt richtig? Sie sagen, wenn Bundesländer oder auch einzelne Städte und Gemeinden Listen veröffentlichen, welche Arztpraxen Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist es in Ordnung. Wenn die Ärzte selbst sagen, sie tun es, ist es nicht in Ordnung?
Waschbüsch: Nicht veröffentlichen. Darum geht es ja gerade, dass man da nicht so normal tut bei Schwangerschaftsabbrüchen, sondern dass die Beratungsstellen, die die Frau begleiten, die anerkannten staatlichen Beratungsstellen diese Informationen haben. Die haben sie so gar nicht in der Regel. Sie müssten rumtelefonieren. Und das kann man sehr viel einfacher eben machen, als dass man den Paragrafen 219 streicht. Der Gesetzgeber, und ich meine eigentlich, keiner kann das wollen, will ja, dass man nicht eine übliche Leistung Schwangerschaftsabbruch anbietet, sondern, dass die Frau, die in einer Not- und Konfliktsituation ist, auch durch Beratung sorgfältig begleitet ist, und dann entscheidet.
Kassel: Aber besteht nicht eigentlich dieser Kompromiss, über den wir ja reden seit Jahrzehnten in Deutschland, der Kompromiss zwischen den Befürwortern und den strikten Gegnern von Schwangerschaftsabbrüchen darin, dass man sagt, unter gewissen, deutlich definierten Umständen ist es möglich, aber zu diesem Prozess gehört auch, dass wir den Frauen klar machen, dass sie böse sind, wenn sie es tun?
Waschbüsch: Nein. Der Prozess dreht sich darum, ob eine Ärztin ihre ärztlichen Regelungen überschritten hat. Die Ärztekammer Hessen hatte sie ja auch schon abgemahnt. Die Problemlage der Frauen ist gut aufgehoben, besser aufgehoben, als wenn Sie im Internet sitzen und der Freund vielleicht daneben und Sie drängt zum Schwangerschaftsabbruch. Wenn die Beratungsstellen diese Informationen weitergeben und nicht generell die Frau auch dann von der Beratung abgehalten wird. Das Umfeld ist ja in den meisten Fällen bei Schwangerschaftsabbruch das eigentlich Drängende zum Abbruch. Der Freund lässt die Frau sitzen, das Geld reicht nicht, das Umfeld ist gegen sie. Diese Situation führt zu Schwangerschaftsabbrüchen. Und darum darf man diese ja einem Kind das Leben nehmende Geschichte nicht herabspielen, als wäre das eine ganz normale Leistung wie Blinddarm oder Zahnziehen.
Kassel: Die Bundesvorsitzende von Donum Vitae, Rita Waschbüsch, über den heutigen Berufungsprozess gegen eine Ärztin aus Hessen und das, was alles hinter dieser Diskussion um die Paragrafen 218 und 219 steckt. Frau Waschbüsch, vielen Dank fürs Gespräch!
Waschbüsch: Vielen Dank, Herr Kassel!
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