Antiterrorkampf im Crashkurs
Bundespräsident Joachim Gauck hat zum Abschluss seiner Reise durch Westafrika Mali besucht. Dabei machte er sich auch ein Bild davon, wie vorrangig Europäer malische Soldaten ausbilden - in einem 12-wöchigen Crashkurs.
Zwei Möglichkeiten: Entweder hat die Hitze von 35 Grad die Trompeten verstimmt. Oder den richtigen Ton zu treffen gehört nicht zur Grundausbildung malischer Soldaten.
Joachim Gauck, gerade mit dem Hubschrauber im Traingszentrum Koulikoro gelandet, verzieht keine Miene und geht gemessenen Schrittes zur Ehrenformation. Deutsche, Europäer und Malier begrüßen ihn. "Seien Sie herzlich willkommen. Es ist für uns eine große Ehre, Sie und Ihre Delegation empfangen zu dürfen. – Herzlichen Dank! Und das auf Deutsch, wunderbar!"
Nicht mehr davonlaufen
Koulikoro ist ein Stützpunkt, in dem eine gemischte Truppe aus 28 Nationen – die meisten europäisch – Malier ausbildet. Die sollen künftig nicht mehr, wie geschehen, vor Islamisten, Terroristen und Drogenhändlern einfach davonlaufen. Wie jede internationale Militärmission trägt auch diese Europäische Trainingsmission eine Abkürzung: EUTM.
"Herr Bundespräsident, ich melde Ihnen die erste Kompanie der EUTM-Mali bei der Ausbildung der Ausbilder Waffen und Topographie. – Ich danke Ihnen, Herr Hauptmann."
An der Seite des Bundespräsidenten lassen währenddessen schwer bewaffnete Scharfschützen ihre Blicke wandern, alle paar Meter wartet ein gepanzertes Fahrzeug. Den Schluss bildet ein schwerer Wagen mit schwarz-gelb-roter Fahne: Belgier. Inzwischen hat Gauck zu Fuß einige Meter über staubtrockene Wege zurückgelegt. Der Hauptmann bleibt vor einem Unterstand stehen. Vorn hängen Tafel und eine Karte der Region.
"Die Ausbildung wird durchgeführt durch einen luxemburgischen Kameraden, das ist eine grundlegende Ausbildung, wie man eine Karte liest."
Das sind Breitengrade und so sehen Längengrade aus, erklärt der Luxemburger. 20 malische Soldaten sitzen in zwei Bank-Reihen und machen sich Notizen. Über den Stoff lassen die Europäer die Malier auch Tests schreiben, vor Weihnachten zum Beispiel. Da fiel auch einer durch, erzählt der Hauptmann.
"La baguette de nettoyage!"
"Achso, sodass sie ein bisschen einschätzen können, ob es was gebracht hat. – Ja, definitiv. Das ist auch unsere Einschätzung bisher, dass man immer wieder wiederholt, damit sie sich festigen."
Der Luxemburger erklärt mittlerweile den Maßstab von Karten und Gauck zieht einige Meter weiter. Ungefähr zwölf malische Soldaten knien vor ihm auf einer Unterlage, jeder hat ein zerlegtes Gewehr vor sich.
"La baguette de nettoyage!" Sobald ihr malischer Kommandant eine Ansage macht, stecken die Soldaten die Waffe ein Stück weiter zusammen. Oder reinigen, wie jetzt, mit Bürsten den Staub aus ihrem Lauf. Mit den Maliern zu sprechen, lassen die Militärs aber nicht zu. Der deutsche Tross bewegt sich stetig weiter, jetzt ein Stück mit dem Auto durch's Camp.
"Ok, der Bundespräsident wird hier vorne aussteigen!"
Joachim Gauck steigt am Camp Gecko aus, dem Teil des Stützpunkts, in dem rund 200 Deutsche wohnen. "Was sind das alles hier für Landsleute? Querbeet? – Ja, querbeet: Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Baden-Württemberg. - Was zeigen Sie mir jetzt? Achso, ich muss zur Presse." Die mitgekommenen Journalisten, Deutsche und Malier, stellen sich im Halbrund auf, richten ihre Mikrofone auf den Präsidenten aus. "Ich warte, bis alle fertig sind."
Vor zwei Jahren hat Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert, Deutschland solle sich in der Welt auch militärisch stärker engagieren.
"Ich bin hierher gekommen, um den deutschen Soldaten meinen Respekt und meine Anerkennung auszudrücken. Sie leisten in einem schwierigen Umfeld eine bedeutende Aufgabe: Sicherheit herzustellen. Aber das nicht alleine, sondern sie ertüchtigen die Malier, selber für Ihre Sicherheit zu sorgen. Also Hilfe zur Selbsthilfe auf militärischem Gebiet."
Während Gauck spricht, beobachten einige Dutzend Bundeswehr-Soldaten den Gast aus Schloss Bellevue gespannt. Sie sitzen auf Bierbänken, auf den Tischen stehen Kekse und stilles Wasser. Einer der Soldaten heißt Johannes Brenner, ist 29 Jahre alt und Hauptmann.
"Wir kommen alle aus Stetten am kalten Markt, von der deutsch-französischen Brigade. Panzerpionierkompanie 550."
Zwölf Wochen Ausbildung
Hier trainieren sie nun junge Malier, und am Anfang steht erst einmal eine Grundausbildung. "Ich und mein Gewehr, was mache ich, wenn ich beschossen werde, wie komme ich von A nach B, wie bewege ich mich als Gruppe, kleine Befehle geben. Das ist der erste Teil. Und der zweite Teil ist dann pionierspezifisch, also Stellung ausbauen und alles, was mit Pionieren zu tun hat." Für das ganze Programm hat er nur zwölf Wochen Zeit.
"Fertig ausgebildet nach deutschem Standard sind sie danach natürlich noch immer nicht."
Aber etwas werde schon erreicht. Auch wenn die Verständigung nicht von allein geht – das Französisch ist bei manchen Deutschen ein Schulfranzösisch, ist aber nicht schulungssicher.
"Für die Ausbildung mit den Malis haben wir dann aber Übersetzer, vier Stück, die auch schon länger dabei sind und die militärische Ausbildung an und für sich schon kennen."
Die Europäer wollen im Sommer 6.400 Malier ausgebildet haben; man liege im Plan, sagt die Führung. Brenner findet auch, dass es läuft: Die Malier lernten gerne und das Leben im Camp sei erträglich. Aber kurz bevor er zum Gruppenfoto mit Präsidenten aufsteht, fällt ihm doch noch etwas ein, was gut 4.000 Kilometer weg von zu Hause fehlt:
"Wasser mit Kohlensäure. Es gibt nur dieses Wasser, was wir hier haben, also stilles Wasser ohne jeglichen Geschmack. Und dazu Soft Drinks aller Art. Aber einfach nur den deutschen Sprudel, das gibt's nicht."