Bundeswehreinsätze

"Ein bisschen Krieg gibt es nicht"

18.11.2013
Janine Wissler, Fraktionschefin der Linken im hessischen Landtag, will, dass die Linke eine "konsequente Antikriegspartei" bleibt. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr seien nach wie vor "sehr kritisch zu hinterfragen".
Ute Welty: Es soll das vierte und letzte Mal sein – in Hessen treffen sich heute SPD und CDU zu einem weiteren Sondierungsgespräch, um die Möglichkeiten einer großen Koalition auszuloten. Offiziell sagt der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, auch Rot-rot-grün sei noch möglich. Inoffiziell soll er einem solchen Bündnis aber schon eine Absage erteilt haben. Möglicherweise weiß man heute Abend mehr, wenn sich die SPD zu einem sogenannten Kleinen Parteitag trifft. Und was dort entschieden wird, das dürfte auch Janine Wissler interessieren, die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag. Guten Morgen!
Janine Wissler: Schönen guten Morgen!
Welty: Hoffen Sie noch oder fürchten Sie schon?
Wissler: Es ist so, dass für uns natürlich wichtiger ist, welche Beschlüsse wirklich die SPD in ihren Gremien fasst, und nicht, was jetzt irgendwie gemunkelt wird oder an Gerüchten – wir werden auch weiterhin dafür werben, dass es sinnvoll ist, die CDU nach 15 Jahren abzuwählen, Schwarz-Gelb vollständig abzulösen. Ich denke, dass in den Verhandlungen doch eine ganze Menge Gemeinsamkeiten auch zutage getreten sind. Und deswegen warten wir mal ab, was die SPD da heute Abend entscheidet.
Welty: Aber trotzdem haben Sie doch eine Einschätzung. Stehen die Chancen fifty-fifty oder 30/70 oder 70/30?
Wissler: Also, ich kann es jetzt nicht in Zahlen ausdrücken. Es ist schon so, dass wir in den letzten Wochen und Monaten das Gefühl hatten, dass Rot-Rot-Grün jetzt nicht die aussichtsreichste Option in Hessen ist, einfach weil auch niemand dafür wirklich geworben hat. Von daher sehe ich schon, dass es aufseiten der SPD aus unterschiedlichen Gründen auch von vielen Leuten nicht gewollt wird.
Wir haben natürlich auch wahrgenommen, wie die Bundesspitze das zum Teil diskutiert hat, aber nichtsdestotrotz wissen wir, dass es gerade an der SPD-Basis eine ganze Menge Menschen gibt, die wirklich einen Politikwechsel wollen und die wirklich auch Druck machen dafür, und deswegen, warten wir mal ab, was die SPD heute Abend entscheidet.
Welty: Sie sprechen viel von der SPD, aber was würde die Linke denn ändern können oder wollen, damit sich dieser Trend in ihrem Sinne umkehrt? Denn Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün liegt ja keineswegs im Trend, wenn man sich die Zusammensetzungen der Landesregierungen anschaut.
Wissler: Ja, das ist richtig. Die SPD hat das ja bisher ja ausgeschlossen. Man muss natürlich auch sagen, dass es schon große inhaltliche Differenzen gerade auf der Bundesebene gibt, also solange die SPD auf dem Boden der Agenda 2010 steht, Kriegseinsätze der Bundeswehr befürwortet oder auch den ganzen sogenannten Euro-Rettungspaketen zustimmt ...
Welty: Sie reden schon wieder von der SPD! Entschuldigung, dass ich Ihnen da in die Parade fahre, aber ich hatte Sie gefragt nach Ihrer Haltung, nach der Partei Ihrer Wahl.
"Regieren ist kein Selbstzweck"
Wissler: Ich glaube, dass es – aber in der Tat, was sie gesagt haben, in der Tat, es gibt eigentlich kein Rot-Rot-Grün, das liegt ja jetzt weniger an der Linken. Also, wir haben ja in Thüringen, im Saarland, in Hessen 2008 beispielsweise haben wir ja immer wieder auch auf so eine Option hingearbeitet. Also ich glaube, dass man für die Linke schon sagen kann, dass wir immer für uns gesagt haben, Regieren ist kein Selbstzweck, aber wenn die Inhalte stimmen und ein Politikwechsel möglich ist, da sind wir auch kompromissbereit, aber das muss in die richtige Richtung gehen. Dann sind wir auch bereit, mit der SPD zusammenzuarbeiten.
Also von daher, komme ich ja aus Hessen, und wir haben 2008 die Option, Roland Koch abzuwählen. Wir wollten das auch gerne. Ist damals nicht an uns gescheitert, aber leider ist es gescheitert. Aber ich denke, für die Linke kann man sagen, dass es gerade in den Ländern eine hohe Bereitschaft gab, aber wir auch in Hessen immer deutlich gesagt haben, zu einer Politik des Sozialabbaus, der Privatisierung, des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst, von Bildungskürzungen - zu so einer Politik sind wir nicht bereit.
Welty: Einen Stein des Anstoßes haben Sie schon genannt, nämlich die Außen- und die Sicherheitspolitik. Tatsache ist aber doch, die Bundesrepublik als Ganzes ist Verpflichtungen eingegangen, auch Verpflichtungen innerhalb der NATO beispielsweise. Ist es im Ernst eine gute Idee, diese in Frage zu stellen?
"Krieg darf kein Mittel der Politik sein"
Wissler: Ich glaube, dass es schon notwendig ist, insbesondere die Bundeswehreinsätze der letzten Jahre sehr, sehr kritisch zu hinterfragen. Sich zu überlegen, welche Situation haben wir denn in Afghanistan beispielsweise? Ich glaube, dass es angesichts der immer neuen Enthüllungen, die es gibt, was die NSA hier in Deutschland auch macht und welche Kriegsvorbereitungsmaßnahmen sie hier trifft, dass es schon notwendig ist, solche Dinge auch mal auf die Tagesordnung zu setzen und ein Zeichen zu setzen, dass das so nicht geht. Und für uns ist klar, Krieg darf kein Mittel der Politik sein, weil Krieg keine Probleme löst, sondern neue Problem schafft.
Welty: Da sind Sie einer Meinung mit dem Bundesaußenminister, mit dem Noch-Bundesaußenminister von der FDP.
Wissler: Punktuell sind wir da mal einer Meinung. Wir sehen das schon sehr grundsätzlich so. Guido Westerwelle hat dann in den letzten Jahren auch mal so entschieden. Aber wir sagen, Deutschland darf sich nicht an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen beteiligen. Und wir wollen, dass es eine friedliche Konfliktlösungsstrategie gibt und keine kriegerische. Und ich glaube, dass, wenn man sich eben die Bilanz der Bundewehreinsätze der letzten Jahre anguckt, dass es uns auch recht gibt, dass wir da sehr, sehr skeptisch und ablehnend dem immer gegenüberstanden.
Welty: Die Bilanz ist das eine, das kategorische Nein das andere – wie kann sich die Linke denn dazwischen, zwischen diesen beiden Polen bewegen?
Wissler: Ich kann mir da schwer Kompromisse vorstellen, weil, ich sag mal, ein bisschen Krieg gibt es nicht. Ich finde, dass die Linke ihre Haltung als ganz klare und konsequente Antikriegspartei auch nicht aufgeben darf. Es war Willy Brandt, der mal gesagt hat, von deutschem Boden darf niemals wieder Krieg ausgehen. Und diesem Satz fühlt sich die Linke verpflichtet. Und deswegen halte ich es für notwendig, dass wir da eine klare Opposition in der Frage sind und hoffen, dass sich bei den anderen Parteien in dieser Richtung auch was bewegt, dass es dort auch eine Aufgabe gibt, die Strategie und auch die immer weitere Aufrüstung der Europäischen Union, die Frage von Waffenexporten beispielsweise in Länder wie Saudi-Arabien. Das lehnen wir ab, aus gutem Grund, weil wir eine friedliche Außenpolitik wollen.
Welty: Sie lotet neue Optionen aus, auch für die eigene Partei. Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen. Ich danke für dieses Gespräch hier in der Ortszeit!
Wissler: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.