Bundeswehrverband fordert bessere Behandlung von traumatisierten Soldaten
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, fordert den Bundestag auf, die Fürsorge und Behandlung von traumatisierten Soldaten zu verbessern. Besonders die intensive Nachsorge müsse verbessert werden.
Marcus Pindur: Unsere Bundeswehr ist in einer großen Umbauphase, und sie muss da durch, während sie im Auslandseinsatz steht. Insbesondere der Auftrag in Afghanistan zehrt an Mensch und Material. Aber trotz alledem: Die Bundeswehrsoldaten müssen sich immer auf die Fürsorge ihres Arbeitgebers verlassen können, aber die ist nicht immer zuverlässig gegeben.
Viele Soldaten sind nicht ausreichend auf die psychischen Stresssituationen vorbereitet, denen sie ausgesetzt sind, und immer mehr kehren mit einem sogenannten posttraumatischen Belastungssyndrom von ihrem Einsatz zurück. Der Bundeswehrverband schlägt jetzt Alarm: Es gebe zu wenige Psychiater für eine wachsende Zahl von Betroffenen. Und ich begrüße jetzt am Telefon den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Guten Morgen, Herr Kirsch!
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Zunächst einmal: Erklären Sie doch bitte unseren Hörern, wie sich eine solche posttraumatische Belastungsstörung denn äußert.
Kirsch: Ja, wenn man ein schlimmes Erlebnis hatte – das gibt es im Übrigen nicht nur bei Soldaten, das hat natürlich auch der Polizist in Deutschland, der von seiner Waffe Gebrauch machen muss, oder die Frau, die überfallen wird im Juwelierladen, auch diese Menschen tragen hinterher etwas mit sich rum, was bewältigt werden muss. Und das ist ein Traumata, das sie dann haben, wir kennen das von unseren Vätern und Großvätern als Kriegszittern, das sie aus dem Zweiten Weltkrieg mitgebracht haben, das war damals aber kein Thema, das hat man gar nicht ernstgenommen, sondern man hat das einfach, ja, ignoriert.
Und ich meine, wir sind natürlich heute in einer anderen Zeit, sodass wir das nicht ignorieren dürfen, und unsere Frauen und Männer, die schlimme Erlebnisse hatten, müssen natürlich nicht nur behandelt werden – was die reine Behandlung angeht, hat eine ganze Menge stattgefunden –, sondern sie müssen hinterher auch insbesondere in der Nachsorge betrachtet werden. Und da gibt es viele Mängel.
Pindur: Bleiben wir zunächst mal beim Thema Behandlung, wie viele Psychiater stehen denn der Truppe in Afghanistan zur Verfügung?
Kirsch: Also im Einsatz geht das eigentlich, da gibt es ein System, das so ausschaut, dass nicht nur der Psychiater dort ist, sondern eben auch andere Ansprechpartner, sogenannte Peers, das sind ausgebildete Soldaten, die die Grundsätze kennen, wie man mit traumatisierten Menschen umgehen muss. Vor allen Dingen geht es auch darum, dass sich derjenige, der betroffen ist, auch hinterher outet, dass er sagt, dass er so etwas hat, denn das ist ja nun etwas, was tief in einem Menschen drinsitzt und er muss damit nach außen gehen.
Und dann kommt hinzu, dass unsere Pfarrer, die wir mit im Einsatz haben, auch ausgebildet sind. Also das, was im Einsatz läuft, das denke ich geht einigermaßen, da kann man natürlich immer mehr tun, sondern das Problem ist hinterher hier in Deutschland, wenn derjenige zurückkehrt. Der Traumatherapeut, um ein Beispiel zu nehmen – da haben wir viel zu wenige, diesen Therapeuten wird viel zu wenig Bedeutung beigemessen, und da muss dringend nachgelegt werden. Das ist im Prinzip, wissen Sie, wie immer eigentlich alles bekannt, und es scheitert zum guten Schluss an den finanziellen Mitteln, um diese Dinge vernünftig zu organisieren.
Pindur: Also an der Nachsorge hapert es. Haben denn auch Soldaten Schwierigkeiten damit, anerkannt zu werden als PTBS-Opfer?
Kirsch: Ja, das ist ganz, ganz komplex, weil man dazu natürlich Fachgutachten braucht. Diese Fachgutachten dauern sehr, sehr lange, und das zehrt natürlich an den Nerven derer, die betroffen sind – zusätzlich zehrt es an den Nerven, zu dem schlimmen Erlebnis, das jemand mitgebracht hat.
Und dann geht es natürlich hinterher auch um die Anerkennung, um die Anerkennung, dass man dann, wenn man zum Beispiel Zeitsoldat ist, auch eine Chance hat, in den Streitkräften Berufssoldat zu werden auf der Grundlage eines Gesetzes, eines sogenannten Einsatzweiterverwendungsgesetzes. Und da gibt es eine Menge zu tun, da müssen wir vor allen Dingen noch mal genau hingucken.
Auch hier kann man nur sagen: Es gibt einen fraktionsübergreifenden Beschlussantrag des Deutschen Bundestages, der hat sich da ausführlich mit beschäftigt im Februar des vergangenen Jahres. Und da stehen eigentlich die Dinge alle drin, die gemacht werden müssen. Aber, ich wiederhole noch mal, es ist letztendlich eine Frage der finanziellen Ausstattung, die zur Verfügung gestellt wird, dass diesen Menschen dann hinterher so geholfen werden kann, dass das wirklich rundum stimmt.
Und lassen Sie mich noch einen Satz zu der Begleitung eines solchen Menschen sagen: Wir bräuchten nämlich auch einen sogenannten Lotsen, der sich dieses Menschen annimmt, um ihn dann hinterher durch diese Wirren, durch die man durch muss, … es ist ja in Deutschland vom Prinzip an alles gedacht, auch über das Sozialgesetzbuch, aber man muss manchmal von Pontius zu Pilatus laufen, um dann auch anerkannt zu werden, und da tut sich mancher schwer, weil er ja selber betroffen ist. Und da braucht er einen anderen, der einem hilft. Das sind unsere Forderungen, und deswegen schlagen wir da ein wenig Alarm.
Pindur: Sie haben Unterstützung aus allen Fraktionen im Bundestag. Letztendlich entscheidet der Bundestag über das Budget, über den Verteidigungshaushalt. Haben Sie das Gefühl, dass Sie da über kurz oder lang auch richtig was bewirken können?
Kirsch: Ja, es hängt zum guten Schluss immer an den Haushältern, und die sind manchmal besonders hartleibig. Das müssen sie auch vom grundsätzlichen Verständnis her sein, aber das ist ein Sparen an der falschen Stelle. Und ich kann nur wirklich sagen: Der Auftraggeber – Sie haben es vollkommen zurecht angesprochen –, der Auftraggeber steht hier in der Pflicht. Und der Auftraggeber besteht nicht nur aus den Verteidigungspolitikern, sondern der besteht aus dem gesamten Bundestag, und da gehören auch eben die Haushaltspolitiker dazu.
Und da klappen die Dinge manchmal nicht, wie wir auch schon an vielen Beispielen gesehen haben, dass die Fachpolitiker etwas fordern, und die Haushaltspolitiker das mit einem Federstrich beiseiteschieben. Da spielen natürlich auch oft parteipolitische Dinge eine Rolle, aber diese Themen dürfen diesem, sage ich mal, dieser Auseinandersetzung, die zwischen den Parteien verständlich sind und auch manchmal zwischen Ausschüssen, das darf nicht auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen werden.
Pindur: Letzte Frage an Sie, Herr Kirsch: Haben Sie den Eindruck, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg sich mit hinreichender Hartnäckigkeit dafür einsetzt?
Kirsch: Also ich bin ganz sicher, dass man den Minister hier noch mal, ja, ganz besonders in Kenntnis setzen muss. Nun ist er ja noch relativ jung im Amt, und das Thema, glaube ich, hat sich ihm so noch nicht erschlossen. Das gehört auch mit zu meiner Arbeit, ihm das nahezubringen. Und der Punkt ist aber trotz alledem: Wenn der Auftraggeber Deutscher Bundestag die Dinge nicht zur Verfügung stellt, dann nützt das auch nichts, wenn der Minister das alles einsieht. Aber …
Pindur: Aber es wäre schon mal eine Voraussetzung.
Kirsch: Jaja, klar. Der hat sich aber, das weiß ich ganz sicher, informiert beim Traumazentrum hier im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin, das hat er gemacht, und ich gehe davon aus, dass ihn auch seine Mitarbeiter da so einweisen und so in Kenntnis setzen, dass die Dramatik dieser Geschichte deutlich wird.
Pindur: Herr Kirsch, vielen Dank für das Gespräch!
Kirsch: Ich danke Ihnen, Herr Pindur!
Pindur: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberst Ulrich Kirsch im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
Viele Soldaten sind nicht ausreichend auf die psychischen Stresssituationen vorbereitet, denen sie ausgesetzt sind, und immer mehr kehren mit einem sogenannten posttraumatischen Belastungssyndrom von ihrem Einsatz zurück. Der Bundeswehrverband schlägt jetzt Alarm: Es gebe zu wenige Psychiater für eine wachsende Zahl von Betroffenen. Und ich begrüße jetzt am Telefon den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Guten Morgen, Herr Kirsch!
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Zunächst einmal: Erklären Sie doch bitte unseren Hörern, wie sich eine solche posttraumatische Belastungsstörung denn äußert.
Kirsch: Ja, wenn man ein schlimmes Erlebnis hatte – das gibt es im Übrigen nicht nur bei Soldaten, das hat natürlich auch der Polizist in Deutschland, der von seiner Waffe Gebrauch machen muss, oder die Frau, die überfallen wird im Juwelierladen, auch diese Menschen tragen hinterher etwas mit sich rum, was bewältigt werden muss. Und das ist ein Traumata, das sie dann haben, wir kennen das von unseren Vätern und Großvätern als Kriegszittern, das sie aus dem Zweiten Weltkrieg mitgebracht haben, das war damals aber kein Thema, das hat man gar nicht ernstgenommen, sondern man hat das einfach, ja, ignoriert.
Und ich meine, wir sind natürlich heute in einer anderen Zeit, sodass wir das nicht ignorieren dürfen, und unsere Frauen und Männer, die schlimme Erlebnisse hatten, müssen natürlich nicht nur behandelt werden – was die reine Behandlung angeht, hat eine ganze Menge stattgefunden –, sondern sie müssen hinterher auch insbesondere in der Nachsorge betrachtet werden. Und da gibt es viele Mängel.
Pindur: Bleiben wir zunächst mal beim Thema Behandlung, wie viele Psychiater stehen denn der Truppe in Afghanistan zur Verfügung?
Kirsch: Also im Einsatz geht das eigentlich, da gibt es ein System, das so ausschaut, dass nicht nur der Psychiater dort ist, sondern eben auch andere Ansprechpartner, sogenannte Peers, das sind ausgebildete Soldaten, die die Grundsätze kennen, wie man mit traumatisierten Menschen umgehen muss. Vor allen Dingen geht es auch darum, dass sich derjenige, der betroffen ist, auch hinterher outet, dass er sagt, dass er so etwas hat, denn das ist ja nun etwas, was tief in einem Menschen drinsitzt und er muss damit nach außen gehen.
Und dann kommt hinzu, dass unsere Pfarrer, die wir mit im Einsatz haben, auch ausgebildet sind. Also das, was im Einsatz läuft, das denke ich geht einigermaßen, da kann man natürlich immer mehr tun, sondern das Problem ist hinterher hier in Deutschland, wenn derjenige zurückkehrt. Der Traumatherapeut, um ein Beispiel zu nehmen – da haben wir viel zu wenige, diesen Therapeuten wird viel zu wenig Bedeutung beigemessen, und da muss dringend nachgelegt werden. Das ist im Prinzip, wissen Sie, wie immer eigentlich alles bekannt, und es scheitert zum guten Schluss an den finanziellen Mitteln, um diese Dinge vernünftig zu organisieren.
Pindur: Also an der Nachsorge hapert es. Haben denn auch Soldaten Schwierigkeiten damit, anerkannt zu werden als PTBS-Opfer?
Kirsch: Ja, das ist ganz, ganz komplex, weil man dazu natürlich Fachgutachten braucht. Diese Fachgutachten dauern sehr, sehr lange, und das zehrt natürlich an den Nerven derer, die betroffen sind – zusätzlich zehrt es an den Nerven, zu dem schlimmen Erlebnis, das jemand mitgebracht hat.
Und dann geht es natürlich hinterher auch um die Anerkennung, um die Anerkennung, dass man dann, wenn man zum Beispiel Zeitsoldat ist, auch eine Chance hat, in den Streitkräften Berufssoldat zu werden auf der Grundlage eines Gesetzes, eines sogenannten Einsatzweiterverwendungsgesetzes. Und da gibt es eine Menge zu tun, da müssen wir vor allen Dingen noch mal genau hingucken.
Auch hier kann man nur sagen: Es gibt einen fraktionsübergreifenden Beschlussantrag des Deutschen Bundestages, der hat sich da ausführlich mit beschäftigt im Februar des vergangenen Jahres. Und da stehen eigentlich die Dinge alle drin, die gemacht werden müssen. Aber, ich wiederhole noch mal, es ist letztendlich eine Frage der finanziellen Ausstattung, die zur Verfügung gestellt wird, dass diesen Menschen dann hinterher so geholfen werden kann, dass das wirklich rundum stimmt.
Und lassen Sie mich noch einen Satz zu der Begleitung eines solchen Menschen sagen: Wir bräuchten nämlich auch einen sogenannten Lotsen, der sich dieses Menschen annimmt, um ihn dann hinterher durch diese Wirren, durch die man durch muss, … es ist ja in Deutschland vom Prinzip an alles gedacht, auch über das Sozialgesetzbuch, aber man muss manchmal von Pontius zu Pilatus laufen, um dann auch anerkannt zu werden, und da tut sich mancher schwer, weil er ja selber betroffen ist. Und da braucht er einen anderen, der einem hilft. Das sind unsere Forderungen, und deswegen schlagen wir da ein wenig Alarm.
Pindur: Sie haben Unterstützung aus allen Fraktionen im Bundestag. Letztendlich entscheidet der Bundestag über das Budget, über den Verteidigungshaushalt. Haben Sie das Gefühl, dass Sie da über kurz oder lang auch richtig was bewirken können?
Kirsch: Ja, es hängt zum guten Schluss immer an den Haushältern, und die sind manchmal besonders hartleibig. Das müssen sie auch vom grundsätzlichen Verständnis her sein, aber das ist ein Sparen an der falschen Stelle. Und ich kann nur wirklich sagen: Der Auftraggeber – Sie haben es vollkommen zurecht angesprochen –, der Auftraggeber steht hier in der Pflicht. Und der Auftraggeber besteht nicht nur aus den Verteidigungspolitikern, sondern der besteht aus dem gesamten Bundestag, und da gehören auch eben die Haushaltspolitiker dazu.
Und da klappen die Dinge manchmal nicht, wie wir auch schon an vielen Beispielen gesehen haben, dass die Fachpolitiker etwas fordern, und die Haushaltspolitiker das mit einem Federstrich beiseiteschieben. Da spielen natürlich auch oft parteipolitische Dinge eine Rolle, aber diese Themen dürfen diesem, sage ich mal, dieser Auseinandersetzung, die zwischen den Parteien verständlich sind und auch manchmal zwischen Ausschüssen, das darf nicht auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen werden.
Pindur: Letzte Frage an Sie, Herr Kirsch: Haben Sie den Eindruck, dass Verteidigungsminister zu Guttenberg sich mit hinreichender Hartnäckigkeit dafür einsetzt?
Kirsch: Also ich bin ganz sicher, dass man den Minister hier noch mal, ja, ganz besonders in Kenntnis setzen muss. Nun ist er ja noch relativ jung im Amt, und das Thema, glaube ich, hat sich ihm so noch nicht erschlossen. Das gehört auch mit zu meiner Arbeit, ihm das nahezubringen. Und der Punkt ist aber trotz alledem: Wenn der Auftraggeber Deutscher Bundestag die Dinge nicht zur Verfügung stellt, dann nützt das auch nichts, wenn der Minister das alles einsieht. Aber …
Pindur: Aber es wäre schon mal eine Voraussetzung.
Kirsch: Jaja, klar. Der hat sich aber, das weiß ich ganz sicher, informiert beim Traumazentrum hier im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin, das hat er gemacht, und ich gehe davon aus, dass ihn auch seine Mitarbeiter da so einweisen und so in Kenntnis setzen, dass die Dramatik dieser Geschichte deutlich wird.
Pindur: Herr Kirsch, vielen Dank für das Gespräch!
Kirsch: Ich danke Ihnen, Herr Pindur!
Pindur: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberst Ulrich Kirsch im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.