Burgenbau und Lohnsänger
Von Karl dem Großen, den Wikingern bis zu den Mongolen, den Erfindungen und den ersten Universitäten oder dem Minnesang - in rund 30 Essays schildert dieser Band die reiche Welt des Mittelalters, was in ihr geschah und warum sich unsere Erinnerung daran so oft verwandelt hat.
Während uns die Antike klar vorkommt wie der Grundriss einer römischen Stadt oder die Küste von Attika, fühlen wir uns der darauffolgenden Epoche nur wenig verbunden: Ein düsteres Zeitalter mit Aberglauben und Hexenverbrennungen, Kriegen, Krankheiten und Not, Jahrhunderte ohne Fortschritt oder Optimismus.
Dennoch scheint unsere Gesellschaft heute für das Mittelalter empfänglicher geworden zu sein: Mittelalterfeste locken auf die Jahrmärkte in Stadt und Land, Bücher und Filme aus dem geheimnisvollen Jahrtausend verkaufen sich gut. So möchte sich auch das vorliegende Buch die momentane Offenheit für das Mittelalter zunutze machen und es uns als gar nicht so düster erscheinen lassen, wie es die landläufige Meinung ist.
Die beiden Herausgeber haben zweieinhalb Dutzend Historiker aus ganz Deutschland zusammengerufen und sie jeweils rund zwölf Seiten zu einem bestimmten Thema des Mittelalters verfassen lassen, das eine Fernwirkung bis heute hat, zu einem "Erinnerungsort" geworden ist. Wie ist der Kult um Santiago de Compostela entstanden, wie hat er sich weiter entwickelt, welche Wirkung hatte der Burgenbau bis heute, wie veränderte sich die Rezeption von Dante? Anhand solcher Fragen tauchen die Autoren in die mittelalterliche Geschichte ein. Der Sammelband ist in Kapitel eingeteilt wie: "Schauplätze", "Personen", "Ideen", "Institutionen".
Somit ist kein Geschichtsbuch entstanden, das mittelalterliche Geschichte nacherzählt, sondern ein Werk, das bestimmte Topoi und ihr mittelalterliches Umfeld erläutert, aber auch ihren Bedeutungs- und Rezeptionswandel bis heute nachzeichnet. Dabei tritt für den durchschnittlich Informierten durchaus Erstaunliches zutage: Dass etwa die Kathedrale ein gemeinsames Werk von Klerikern und Laien war, ganz im Gegensatz zu den späteren Sakralbauten der Renaissance oder dem Barock, die jeweils von einem Herrscher "gegeben" wurden. Dass sich Walther von der Vogelweide möglicher weise als fahrender Lohnsänger verdingen musste und keinesfalls ein Popstar mit geregeltem Einkommen war. Dass die Errichtung des Petersdoms nicht nur mit Freude gesehen, sondern der Abbruch des Vorgängerbaus durchaus mit Entsetzen wahrgenommen wurde.
Das Buch wendet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern ist durchaus ein Lesebuch für historisch Interessierte. Es vermittelt neue Zusammenhänge, ohne allerdings grundlegende Vorstellungen, die wir vom Mittelalter haben, zu verändern. Auch in diesem Sammelband bleibt das Mittelalter eine Zeit der Mystik, der schwankenden Rechtssicherheit und eine Zeit vergleichsweise geringer Innovationskraft.
Besprochen von Stefan May
Johannes Fried/Olaf B. Rader (Hg.): Die Welt des Mittelalters - Erinnerungsorte eines Jahrtausends
mit 80 Abbildungen
C.H.Beck Verlag, München 2011
704 Seiten, 38 Euro
Dennoch scheint unsere Gesellschaft heute für das Mittelalter empfänglicher geworden zu sein: Mittelalterfeste locken auf die Jahrmärkte in Stadt und Land, Bücher und Filme aus dem geheimnisvollen Jahrtausend verkaufen sich gut. So möchte sich auch das vorliegende Buch die momentane Offenheit für das Mittelalter zunutze machen und es uns als gar nicht so düster erscheinen lassen, wie es die landläufige Meinung ist.
Die beiden Herausgeber haben zweieinhalb Dutzend Historiker aus ganz Deutschland zusammengerufen und sie jeweils rund zwölf Seiten zu einem bestimmten Thema des Mittelalters verfassen lassen, das eine Fernwirkung bis heute hat, zu einem "Erinnerungsort" geworden ist. Wie ist der Kult um Santiago de Compostela entstanden, wie hat er sich weiter entwickelt, welche Wirkung hatte der Burgenbau bis heute, wie veränderte sich die Rezeption von Dante? Anhand solcher Fragen tauchen die Autoren in die mittelalterliche Geschichte ein. Der Sammelband ist in Kapitel eingeteilt wie: "Schauplätze", "Personen", "Ideen", "Institutionen".
Somit ist kein Geschichtsbuch entstanden, das mittelalterliche Geschichte nacherzählt, sondern ein Werk, das bestimmte Topoi und ihr mittelalterliches Umfeld erläutert, aber auch ihren Bedeutungs- und Rezeptionswandel bis heute nachzeichnet. Dabei tritt für den durchschnittlich Informierten durchaus Erstaunliches zutage: Dass etwa die Kathedrale ein gemeinsames Werk von Klerikern und Laien war, ganz im Gegensatz zu den späteren Sakralbauten der Renaissance oder dem Barock, die jeweils von einem Herrscher "gegeben" wurden. Dass sich Walther von der Vogelweide möglicher weise als fahrender Lohnsänger verdingen musste und keinesfalls ein Popstar mit geregeltem Einkommen war. Dass die Errichtung des Petersdoms nicht nur mit Freude gesehen, sondern der Abbruch des Vorgängerbaus durchaus mit Entsetzen wahrgenommen wurde.
Das Buch wendet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern ist durchaus ein Lesebuch für historisch Interessierte. Es vermittelt neue Zusammenhänge, ohne allerdings grundlegende Vorstellungen, die wir vom Mittelalter haben, zu verändern. Auch in diesem Sammelband bleibt das Mittelalter eine Zeit der Mystik, der schwankenden Rechtssicherheit und eine Zeit vergleichsweise geringer Innovationskraft.
Besprochen von Stefan May
Johannes Fried/Olaf B. Rader (Hg.): Die Welt des Mittelalters - Erinnerungsorte eines Jahrtausends
mit 80 Abbildungen
C.H.Beck Verlag, München 2011
704 Seiten, 38 Euro