Burkhard Spinnen über seinen Roman "Rückwind"

Lauter Hiobsbotschaften − warum?

11:47 Minuten
Der Schriftsteller Burkhard Spinnen steht in seiner Heimatstadt Münster auf dem Prinzipalmarkt.
"Unglück kann man quasi nicht ertragen ohne eine Erklärung dafür", sagt der Schriftsteller Burkhard Spinnen. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Burkhard Spinnen im Gespräch mit Frank Meyer |
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Als der erfolgreiche Unternehmer Trössner an einem Tag alles verliert, was ihm wichtig ist, fragt er: Weshalb passiert das mir? Die Religion könne im Unglück für den Menschen "eine große Wohltat" sein, sagt Burkhard Spinnen, Autor des Romans "Rückwind".
Frank Meyer: Warum gibt es Leid, Schmerzen, Unglück? Zu der Frage gibt es eine einschlägige Geschichte, die von Hiob in der Bibel. Der Autor Burkhard Spinnen hat einen Roman um eine moderne Hiob-Figur geschrieben. "Rückwind" heißt der Roman, er erscheint in diesen Tagen.
Ihre Hiobsfigur heißt Hartmut Trössner, ein grüner Unternehmer ist das, er baut Windräder, also ganz wesentliche Anlagen für die Energiewende. Diese Arbeit, macht die Ihren Hartmut denn zu einem gerechten, vorbildlichen Menschen, so wie das der Hiob war?
Burkhard Spinnen: Na ja, wenn Sie heutzutage sowohl unter Grünen, Alternativen als ein Vorreiter der Energiewende gelten können, als auch unter Unternehmern als ein brillant agierender, dann stehen Sie eigentlich mit beiden Beinen auf einer positiven Seite. Wer kann das heute von sich sagen?
Frank Meyer: Auf Ihren Hartmut Trössner, der so weit vorne steht, der ein Glückskind ist in vielen Fragen, auf den prügelt aber das Unglück jetzt nur so ein: Der verliert an einem einzigen Tag alles, was ihm etwas bedeutet, seine Familie, seine Firma, sein Vermögen, eigentlich überhaupt seinen Ort in der Welt. Dann fragt er, was wir wohl alle fragen würden: Warum trifft das gerade mich, dieses Unglück? Warum wollten Sie so eine moderne Hiobsgeschichte erzählen?

Die Hiobsgeschichte ist eine der elementaren Fragen

Burkhard Spinnen: Erstens wird die Hiobsgeschichte seit dem Alten Testament immer wieder erzählt. Es ist eine der elementaren Fragen der Menschheit: Warum passiert so viel Schreckliches, obwohl wir doch alle − jedenfalls sehr viele, bis vor kurzem noch alle − an ein überirdisches Walten geglaubt haben, daran geglaubt haben, dass wir geborgen sind, dass wir beschützt werden. Aber nein, es passiert so viel Unglück! Und wenn einem dann ganz besonders viel Unglück passiert, dann kann man das quasi nicht ertragen ohne eine Erklärung dafür.
Frank Meyer: Würde es denn Hartmut Trössner besser gehen mit seinem Leiden, wenn er an einen Gott glauben könnte?
Burkhard Spinnen: Vielleicht. Ja. Ich denke, dass eine der großen Wohltaten der Religion die gewesen ist, dem Menschen die Chance zu geben, daran zu glauben, dass etwas über ihm ist, das sich mit ihm beschäftigt, und dass es eine Gerechtigkeit gibt, die oberhalb der weltlichen Gerechtigkeit, oberhalb derer ist, die er einsehen kann. So dass es dann doch einen Grund für das gibt, was ihm geschieht, und dass er dann vielleicht sogar nach seinem Tod das erfährt und die Aufklärung dafür bekommt.
Frank Meyer: Ist Hartmut Trössner einer, der seinen Glauben aus irgend einem Grund verloren hat?
Burkhard Spinnen: Nein, das wäre gewissermaßen für mich ein etwas weiter zurückliegender Hiob-Roman. Falls es überhaupt so eine Geschichte der Hiob-Romane gibt. Nein, der ist ohne Gott zur Welt gekommen. Der ist ein ganz, ganz moderner Agnostiker, ist auch kein Atheist, kein Eiferer! Das war nicht, das ist weg.

Burkhard Spinnen: "Rückwind"
Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2019
400 Seiten, 24 Euro

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