Theaterkonferenz kurz vor dem Bühnenshutdown
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Die Konferenz "Burning Issues meets Kampnagel" fällt auf das letzte Wochenende vor dem Lockdown. Dort wird über mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung am Theater debattiert. Mit-Organisatorin Nicola Bramkamp bleibt mit Blick auf die Zukunft optimistisch.
Wie soll das Theater aussehen, wenn es wieder anläuft, wie soll es sich organisieren, wie soll es gerechter werden? Das diskutiert die dritte "Burning Issues"-Konferenz, auch in diesem Jahr auf Kampnagel in Hamburg, live und digital – in den letzten Tagen vor der coronabedingten Theaterschließung. Um Diversität und Inklusion soll es gehen bei "Burning Issues meets Kampnagel". Auch Performances, Musik und Tanz unter freiem Himmel sind geplant. Die Regisseurin und Autorin Doris Dörrie spricht ebenso wie die neue Intendantin des Theaters Dortmund, Julia Wissert.
Der erneute Bühnenlockdown hat auch die Konferenz kalt erwischt. Bei Mit-Organisatorin Nicola Bramkamp weckt die Situation durchaus ambivalente Gefühle: "Natürlich stellt man sich auch oft die Frage: Ist das moralisch vertretbar? Dass man sich trifft, wenn die Kanzlerin sagt, man soll Kontakte vermeiden." Die Konferenz kann über das Wochenende noch stattfinden, was Bramkamp erleichtert: "Wir machen eine Netzwerkveranstaltung. Da waren viele komplexe Fragestellungen im Raum. Aber wir sind froh, dass wir live stattfinden, weil wir uns hundertprozentig auf unser Sicherheitskonzept verlassen können." Außerdem finde sie es wichtig, dass Menschen sich begegnen könnten und austauschen. "Das ist eines der wichtigsten Kennzeichen der Demokratie."
Solidarität ist wichtig
Die gemeinsame Anstrengung verbinde, betont Bramkamp. Man könne aus dieser Zeit lernen, untereinander Solidarität zu üben. "Deshalb ist es gar nicht unsere Haltung, zu jammern und anzuklagen, sondern auch zu schauen, dass die Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung auch gehört werden, trotz Corona." Diese Themen hätten es ohnehin schwer, Gehör zu finden. "Jetzt, wo eine große Wirtschaftskrise auf uns zurollt."
Die Themen der Konferenz hätten sich immer weiter ausdifferenziert, sagt die Mit-Organisatorin. "Wenn wir uns um Diskriminierungsperspektiven bemühen, dann ist es natürlich wichtig, auch nicht-weiße Perspektiven abzubilden oder Perspektiven von Menschen, die noch mehr marginalisiert werden und Ausschlüsse erfahren als weiße Cis-Frauen." Im Konferenzprogramm werde deshalb gerade dort ein Schwerpunkt gesetzt. "Das hat ganz viel damit zu tun, dass man zurücktritt aus seiner eigenen Blase, dass man auch besser recherchiert und guckt: Was gibt es überhaupt für Künstlerinnen und Künstler, was gibt es für Perspektiven, die ich noch gar nicht wahrgenommen habe aus meiner Stadttheater-Perspektive."
Hoher Leidensdruck in der Kulturbranche
Trotz des Lockdowns blickt Bramkamp positiv in die Zukunft. Sie hat den Eindruck, dass Deutschland die Pandemiekrise bisher gut bewältigt habe. Gleichzeitig zeigt sie Verständnis für den Zorn einiger Leute in der Kulturbranche, der sich bisweilen in erbitterten Reaktionen äußert. "Der Leidensdruck ist natürlich groß bei denjenigen, die durch alle Raster fallen. Das betrifft in dem Fall etwa die freischaffenden Schauspielerinnen und Schauspieler, denn die profitieren von gar keinem Rettungsschirm."
Daher sei es so wichtig, differenziert auf die Situation zu schauen. "Die Institutionen sind gut gefördert worden, sind gut gepuffert worden. Aber natürlich ist es für jeden Künstler, der nicht auftreten kann, ein großer emotionaler Druck. Und da wir eine gefühlvolle Branche sind, äußern wir das vielleicht auch nicht immer strategisch klug und unemotional.
(amu)