Sind Lehrer überfordert?
Fachliche, soziale und menschliche Intelligenz sind unverzichtbare Voraussetzungen für den Lehrerberuf, meint Klaus Peter Weinert. Diese Herausforderung werde von angehenden Lehrern oft unterschätzt, so der Fachjournalist.
Wer zynisch ist, wird behaupten: Pädagogen, die an einem Burnout leiden, sind genau jene, die nie hätten Lehrer werden sollen. Diese Aussage ist unfair.
Aber richtig ist, dieser Beruf wird unterschätzt, besonders von angehenden Lehrern selbst. Denn sie müssen über Empathie verfügen, einer Grundvoraussetzung, die oft zu wenig beachtet wird. Das bedeutet, sich nicht nur allgemein in den Schüler hineinzuversetzen, sondern auch seine falschen Denkvorgänge zu entdecken und ihn auf den richtigen Weg zu führen. Das ist keine leichte Aufgabe.
Wer als Lehrer darüber hinaus glaubt, mit nur einer Methode fachliche Kenntnisse vermitteln zu können, wird seine Klasse und die Schüler dieser unterwerfen, wahrscheinlich mit dem zweifelhaften Erfolg, dass viele Schüler auf der Strecke bleiben.
Lehrerin und Lehrer sind Führungskräfte. Sie dürfen die Bedürfnisse und Erwartungen der Schüler nicht ignorieren, sondern müssen sie in Übereinstimmung mit dem Lehrplan bringen. Das ist ihre Aufgabe. Fachliche, soziale wie menschliche Intelligenz ist daher eine unverzichtbare Voraussetzung.
Kleinigkeiten verhindern das Verstehen
Aber genau da scheint es häufig zu mangeln. Besonders Grundschullehrer werden nicht nur schlechter bezahlt, sie haben auch die schlechtere Ausbildung. Wer nicht sehr gute psychologische Kenntnisse der Entwicklung und Persönlichkeit von Kindern hat, kann eigentlich keinen guten Unterricht machen. Grundlagen der Gehirnforschung dürften besonders wichtig sein, um Kinder optimal zu fördern.
Da fachliche Kenntnisse heute meist immer noch an erster Stelle stehen, haben Lehrer zwar das nötige Wissen in Mathematik, Physik, Latein oder Deutsch, sind aber nicht immer in der Lage, das System Mathematik oder Deutsch den Schülern beizubringen. Denn dieses System müssen Schüler erst noch lernen, da sie nicht mit einem "Einheitsverstand" in die Schule kommen, der das erübrigen würde.
Der Psychologe Howard Gardner hat einmal von dem "ungeschulten Kopf" gesprochen, auf den sich Lehrer einstellen müssten. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die das Verstehen verhindern, zum Beispiel logische Fehlschlüsse von Schülerinnen oder Schülern.
Kinder machen immer wieder dieselben Fehler
Um diese Brüche zu erkennen, müssten Lehrer – manche tun das – sich einfacher statistischer Methoden bedienen. Sie könnten dann besser erkennen, welche Art von Fehlern genau in einer Englisch- oder Mathematikarbeit vorkommen. Denn häufig machen Schüler immer wieder dieselben Grund-Fehler.
So vorbereitet, können Lehrer gezielt beraten, auch den Eltern erläutern, wo die Schwierigkeiten ihrer Kinder stecken, ohne Fehlleistungen persönlich zu bewerten, was sich vermeiden lässt, da es ratlos macht oder verärgert.
Natürlich ist auch die ständige Reformbereitschaft der Politiker, um Wahlen zu gewinnen, ein Problem für Lehrer. Wenn sie von einer Reform zur anderen gehetzt werden, ist ein vernünftiger Unterricht schwierig. Auch PISA, jene fragwürdige Evaluierung unseres Bildungssystems, wo verschiedene kulturelle Bildungssysteme unter einem Nenner zusammengefasst werden, setzt die Schule unnötig unter Druck.
Lehrinnen und Lehrer müssen Schülern auf ihren Lernwegen Brücken bauen, ihnen ihre Schwächen und Stärken aufzeigen, sie fördern, die Eltern nach bestem Wissen und Gewissen informieren und sich darüber hinaus noch mit den Schulbehörden auseinandersetzen. Das erfordert viel Engagement und eben keine 40-Stunden-Woche, wie in anderen ähnlich bezahlten Berufen übrigens auch.
Wer sich darüber nicht im Klaren ist, dem ist ein Burnout wahrscheinlich schon vorbestimmt.
Klaus Peter Weinert, Wirtschafts- und Fachjournalist, studierte Germanistik, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Filmwissenschaften. Er schreibt für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien.