Rafael Buschmann, Michael Wulzinger: "Football Leaks – Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball"
Deutsche Verlags-Anstalt
287 Seiten, 16,99 Euro
Wie Whistleblower John die Fußballwelt erschütterte
Im November 2015 begann der Whistleblower John, Beweise für Korruption, krumme Deals und miese Steuervermeidungstricks im Fußballgeschäft auf die Internetplattform Football Leaks hochzuladen. Den Autoren ist es mit viel Geduld gelungen, Kontakt zu ihm aufzunehmen.
Der Fußball setzt pro Jahr in Europa rund 20 Milliarden Euro um. Einige Menschen macht er märchenhaft reich. Oft geht das auf Kosten der Allgemeinheit. Viele ahnten das, belegen ließ es sich selten. Im November 2015 begann der Whistleblower John, Beweise für Korruption, krumme Deals und miese Steuervermeidungstricks, die in diesem Geschäft von gewieften Anwälten und Spielerberatern offenbar systematisch praktiziert werden, im Internet auf der Plattform Football Leaks hochzuladen.
Wer war dieser Informant, der es wagte, sich mit den Granden der einflussreichen, zum Teil verkommenen Unterhaltungsindustrie Fußball anzulegen? Und woher hatte er seine brisanten Informationen? Spiegel-Reporter Rafael Buschmann gelang es, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen Kontakt zu John aufzunehmen. Davon erzählt dieses spannende Buch.
Er traf auf einen jungen, aus Portugal stammenden Fußballromantiker, der sich – ohne festen Wohnsitz – meist in Osteuropa aufhielt. Intelligent, rastlos, ständig schwankend zwischen Furchtlosigkeit und der Angst, enttarnt zu werden. John stellte 18,6 Millionen Dokumente zur Verfügung, selbst für den besten Reporter der Welt wäre das zu viel.
Sieben Monate lang fraßen sich 66 Journalisten des europaweiten Recherchenetzwerkes, EIC, European Investigative Collaboratories, durch das gigantische Konvolut, um "eine Röntgenaufnahme des Milliardengeschäfts Fußball" zu erstellen. Am 2. Dezember 2016 veröffentlichten sie in einer konzertierten Aktion gleichzeitig ihre erschütternden Rechercheergebnisse.
1,1 Millionen Euro in vier Stunden
Zum Beispiel Cristiano Ronaldo: Der wahrscheinlich bekannteste Fußballprofi des Planeten verfügte im Jahr 2015 über ein Vermögen von 227 Millionen Euro. Zusätzlich zu seinem Grundgehalt von 33 Millionen Euro erhält er von seinem Klub 3,68 Millionen für den Gewinn der Champions League. Einen vierstündigen Fototermin für einen Werbeclip ließ sich der 32-jährige Portugiese mit 1,1 Millionen Euro vergüten. Aber Steuern zahlt er kaum. Wie kann das sein?
Football Leaks enthüllte das verschachtelte Geflecht der eigens für die Sportler gegründeten Firmen. Viele dieser Briefkastenfirmen, die nur dazu dienen, Einkünfte zu verschleiern, haben ihren Sitz in Steueroasen, wie z.B den British Virgin Islands. Für 75 Euro kann man dort eine Firma registrieren lassen und zahlt für im Ausland erwirtschaftete Erträge, die dorthin umgeleitet werden, null Prozent Steuern. Nach Veröffentlichung der Details läuft nun in Madrid ein Steuerprüfungsverfahren gegen Ronaldo.
Neben einer Vielzahl weiterer skandalöser Details, wie z.B 65.000-Pfund-Boni, die in der englischen Premier League für Torvorlagen ausgeschüttet werden, beschreibt das Buch sehr ausführlich die inzwischen offiziell verbotene Third Party Ownership-Methode. Dabei erwerben Investoren Transferrechte an Profis, um beim Verkauf des Spielers durch Kickbackgeschäfte traumhafte Renditen zu erzielen. Durch die bisher kaum kontrollierten Transfergeschäfte war dies lange Zeit eine ideale Gelegenheit, Schwarzgeld zu waschen.
Was wollen die Fans überhaupt glauben?
Trotz der Enthüllungen der schmutzigen Geschäfte im Fußball bleibt Rafael Buschmann am Schluss skeptisch, ob die Fans überhaupt verstehen wollen, "dass dieses entfesselte Business ihre Sehnsucht nach Pathos und Emotionen ausbeutet".
Whistleblower John, dessen Identität bis heute nicht bekannt ist, hat seine Quellen bisher nicht offengelegt. Die Football Leaks-Seite ruht seit einem Jahr. Er würde sich schon über kleine Erfolge freuen:
"Es soll sich für die Gesellschaft lohnen. Sport ist ein Riesenbusiness, und wenn am Ende der Football Leaks nur ein paar zusätzliche Kontrollmechanismen entstehen, um den Fußball wieder ein bisschen mehr in den Griff zu bekommen, ihn wieder ehrlicher, bodenständiger zu machen, wenn das das Ergebnis des Projekts ist, dann hat sich das auch für mich gelohnt."