Bush kommt
Am Donnerstag werden US-Präsident George W. Bush und Kanzlerin Angela Merkel das Örtchen Trinwillershagen in Mecklenburg-Vorpommern besuchen. Angela Merkel hatte angekündigt, in Trinwillershagen könne er Menschen kennen lernen, die "nach der Wende über Nacht politische Verantwortung für den Aufbau einer neuen Demokratie übernommen haben". Seit der Meldung Anfang Mai laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
"At the invitation of Chancellor Angela Merkel, the President will travel to northeastern Germany in advance of participation in the G8 summit in St. Petersburg, Russia. Chancellor Merkel will host the President on July 13, 2006, in the towns of Strasland? and Trin... let´s see Trinw.... hagen - äh…"
Als der Sprecher des Weissen Hauses, Tom Snow, vor zwei Wochen vor Journalisten die Termine des amerikanischen Präsidenten verkündet, wird ganz deutlich - den Nordosten Deutschlands gibt es ohne Zweifel auf der Landkarte - ausgesprochen ist aber alles andere reine Spekulation. Und die Presse liebt solche Auftritte:
(Applaus) "Thank you, thank you very much. You'll be able to read the -- the visit, which will take place at what had been communist East Germany, will underscore our two nations' commitment to advancing freedom and prosperity, and to strengthening the transatlantic partnership. The two leaders look forward to discussing a wide range of global challenges, in particular, their consultations on Iran and preparing for the G8 summit."
Merkel: "Ich hab den amerikanischen Präsidenten eingeladen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass er sieht, wie die deutsche Einheit vorankommt. Es ist sehr wichtig, dass außerhalb Deutschlands die Menschen uns auch verstehen."
Überhaupt nicht verstehen kann die Kanzlerin, dass die Landesregierung nicht uneingeschränkt erfreut ist über den Besuch, der da ins Haus steht. Da geht es einmal ums Geld, denn 20 Millionen Euro soll vor allem die Sicherheit kosten. Geld, das Mecklenburg-Vorpommern nicht hat. Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen - fordert die Linkspartei - und kündigt an, komplett bei der Gegendemo dabei zu sein. Auch, um sich im laufenden Wahlkampf als Friedenspartei zu positionieren und die Proteste in der Bevölkerung als Wählerstimmen umzumünzen.
Und als würde das nicht reichen, erklärt nun auch der SPD-Kreisverband von Stralsund den US-Präsidenten zur unerwünschten Person. Woraufhin die Landesregierung gute Miene zum bösen Spiel macht und erklärt, man wolle ein guter Gastgeber sein und jeder dürfe protestieren, wie und wo er wolle. Was wiederum die Kanzlerin erbost.
"Ministerpräsidenten sind selbstständige Menschen, aber es ist schon bedauerlich, dass der Ministerpräsident in seiner Regierung sich nicht richtig durchsetzen kann."
Ein Arbeitsbesuch soll es sein, kein Staatsbesuch. Bush und Merkel wollen sich bei diesem halbprivaten Besuch näher kommen. Vergessen sind die Zeiten, da Bush beim Gedanken an Germany und dessen Chancellor Gerhard Schröder Magenschmerzen bekam. Und weil der Präsident der Vereinigten Staaten ohnehin auf dem Weg zum G-8-Gipfel in St. Petersburg ist, schaut er gern in Merkels Wahlkreis vorbei. Und dazu gehört eben auch ein Abstecher in das ehemalige sozialistische Musterdorf Trinwillershagen auf halbem Weg zwischen Stralsund und Rostock.
"Wir haben hier Zahnarzt, wir haben einen praktischen Arzt, eine Sparkasse, neu gemachte Straßen incl. Bürgersteige…"
Bürgersteige - die gibt es seit vier Jahren. Der Bürgermeister des 1400 Seelen-Dorfes, Klaus-Dieter Tahn, muss seit Wochen Journalisten aus aller Welt erklären, warum ausgerechnet die Gemeinde mit dem schwierigen Namen Gastgeber des Grillfestes für den amerikanischen Präsidenten sein soll. Die Infrastruktur, die er dann aufzählt, ist nicht selbstverständlich für ein Dorf in Nordvorpommern. Ein Dorf im Hinterland der Ostseeküste - inmitten von üppigen Kornfeldern und dichten Wäldern. Ein paar Windkraftanlagen stehen auf der Wiese - und ein kleines Schild weist den Weg von der Bundesstraße in das Dorf. Trinwillershagen drei Kilometer - die Straße, die ins Dorf führt, hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen.
Schließlich schauten schon zu DDR-Zeiten oft und gerne prominente Politiker vorbei, um die Trinwillershagener auszuzeichnen für den vorbildlichen Kampf um die sozialistische Planerfüllung. Man sagt, dass der Bau des Kulturhauses quasi Walter Ulbricht zu verdanken ist, der das Musterdorf ein paar Mal besucht hat. Dorfchronist Johannes Reiter schwelgt in Erinnerungen.
"Mit Gründung der LPK ist in diesem Dorf viel getan worden auf sozialem, auf ökonomischen, politischem auf kulturellem Gebiet aber auch auf sportlichem. Die Menschen hatten hier ihre Arbeit, ihr Auskommen und ihre sichere Existenz und das machte Trin lebenswert und schön."
Und weil das Dorf, das auch damals schon in der Mitte von Nichts lag, sich der besonderen Fürsorge der SED erfreute, gab es Ananas in Dosen und Export Bier. Sogar ABBA trat im Kulturhaus auf, hat Reiter dokumentiert. Das Kulturhaus gibt es immer noch. Gleich nach der Wende hat Olaf Micheel das Gasthaus übernommen - da war er gerade 21. Die Kanzlerin mag solchen Unternehmermut. Micheel hat kaum etwas verändert:
"Abba hat hier schon gespielt drinne, warum sollten wir das ändern?"
An der Decke ist die Kassettenvertäfelung aus Plastik schon vergilbt und hat ein paar Löcher, an der Wand hängen ausgestopfte Jagdtrophäen - das ganze ist sehr rustikal - im Retro-Look. Aber die Akustik ist immer noch klasse. 1000 Leute haben in dem großen Saal Platz. Die CDU feiert hier gerne und oft. Über der Bar auf der Kegelbahn hängt die alte Nationalhymne der DDR. Glück und Friede sei beschieden Deutschland, unserm Vaterland. Alle Welt sehnt sich nach Frieden, Reicht den Völkern eure Hand. Ein paar Gäste zeigen bloß stumm auf den Text, wenn man sie fragt, was sie von dem hohen Besuch halten.
Vier Straßen hat das Dorf und jede Menge schmucker Eigenheime. Doch der Grund, wieso die Kanzlerin darauf bestanden hat, nach Trin zu kommen, da ist sich Tahn sicher, ist die nahezu historische Bedeutung, die der Ort für Angela Merkel, für die CDU, für ganz Deutschland hat.
"Der Erfolg, der sie heute berührt, Bundeskanzlerin zu sein, hat mit Trinwillershagen zu tun. Und das Umfeld, das sie hier erlebt hat, ist für sie Grund genug gewesen zu sagen, dort führe ich einfach mal einen Gast hin."
Das heißt - von Trinwillershagen auf direktem Weg ins Kanzleramt. Auch damals gab es nach der Nominierung ein Grillfest - und das muss der Angela Merkel recht gut gefallen haben. Auch damals gab es Wildschwein am Spieß aus heimischen Wäldern und selbst gemachte Salate. Der Wirt des Gasthofes zu den Linden, Olaf Micheel, holt sein Gästebuch hervor.
"…und da hat sie geschrieben herzlichen Dank ... Angela Merkel 23.6.2005."
Und, dass sie sich wieder sehen, hat sie ihm noch zugerufen. Micheel platzt fast vor Stolz. Jetzt muss der Jäger nur noch Erfolg auf der Pirsch haben, denn bis jetzt hat er noch keine Sau geschossen, wohl auch, weil ihm immer ein Kamerateam dabei auf den Fersen war. Für die Jagd hat Micheel eine Ausnahmegenehmigung. Denn vom 11. bis zum 14. Juli ist das Tragen von Waffen und Munition verboten.
Während in Trinwillershagen noch der Rasen gemäht und das Vereinshaus von Rot-weiß gestrichen wird, laufen 30 Kilometer weiter, in Stralsund Polizisten von Tür zu Tür, um die Bürger darüber aufzuklären, was eigentlich passiert, wenn der mächtigste Mann der Welt die Unesco-Kulturerbestadt besucht.
"Ja, jetzt werden wir einfach mal klingeln, hoffen, das uns jemand rein lässt und dann geht es von Tür zu Tür."
Die beiden Polizisten, gerade mal Mitte 30, wirken in Zivil wie Touristen. Nur die Polizeimarke zeichnet sie als Polizeibeamte aus - wie in amerikanischen Krimis. Die amerikanischen Kollegen vom FBI, die in schwarzen Anzügen tagelang durch die Stadt liefen, waren da wesentlich besser zu erkennen.
"Markus Bramme und mein Kollege Jörg Schmidt. Wir sind da, um sie heute schon über den Bush-Besuch zu informieren, denn das geht ja einher mit zahlreichen Beeinträchtigungen. Das wird zum einen den Fahrzeugverkehr betreffen, zum anderen aber auch den Personenverkehr."
Auf den Zetteln, die sie verteilen, steht, dass die Anwohner ihre Autos von der Straße nehmen und in Hinterhöfen oder am Rande der Stadt parken sollen. Und das die Fenster in der Sicherheitszone 400 mal 400 Meter um das Rathaus herum während des Besuchs geschlossen zu halten sind - und dass man auch nicht aus dem Fenster schauen oder gar filmen darf. Auf den Dächern um das Ratshaus herum sind rund 250 Scharfschützen postiert. Aber das steht nicht auf den Zetteln. Die Bewohner nehmen es vorpommersch gelassen.
"Ganz wichtig: an dem Tag den Ausweis mitnehmen und sich auf Personenkontrollen einstellen, die Wohnung auf dem kürzesten Wege Richtung Wasserstraße verlassen. Dort wird die nächste Kontrollstelle sein. Unter Umständen möchte man auch mal in ihre Tasche gucken. Das ist ähnlich wie am Flughafen, da müssen sie dann durch eine Sicherheitsschleuse laufen. Ja."
"Meinetwegen können die mich auch kontrollieren, ich hab ja nichts zu verbergen. Komisch ist es, aber nicht so wild."
"Ich find das bloß blöd, dass wir die Autos alle wegnehmen müssen, ich hab ja keine Autobombe da drinne."
"Ich seh das unter dem Aspekt und sage, Stralsund kann es nur gut tun, egal wie man politisch zu ihm stehn mag, egal wie viel Einschränkungen man hinnehmen muss. Ich meine, diese zwei Tage werden wir auch noch überstehen."
1234 wurde Stralsund das Stadtrecht verliehen - mehr als 200 Jahre, bevor Amerika überhaupt entdeckt wurde. Mit knapp 60.000 Einwohnern gehört die alte Hansestadt schon zu den größeren im Land. Hier hat Angela Merkel ihr Wahlkreisbüro. Gelebt hat sie hier allerdings nie. Schon als Umweltministerin hat sie ihren österreichischen Amtskollegen in die Hansestadt eingeladen und auch Edmund Stoiber durch die historischen Gassen gelotst. Erst vor kurzem war der schwedische Ministerpräsident zu Besuch in der alten Hansestadt. Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, routiert der Pressesprecher der Hansestadt. Sonst, sagt Peter Koslik, interessieren sich japanische Journalisten oder CNN nicht so sehr für Stralsund.
"Wir werden sehen, was unterm Strich rauskommt. Wichtig ist, dass unterm Strich die Amerikaner sehen, es gibt auch ein Deutschland nördlich von Berlin. Es gibt nicht nur Weißbier und Nürnberg ,es gibt auch was nördlich davon."
Und da gibt es auch Gewerbegebiete, Investitionsmöglichkeiten und Menschen, die davon leben, dass andere hier Urlaub machen. Amerikaner sind das noch nicht so viele. Das soll sich ändern. Die Tourismuschefin ist überzeugt: Wir werden berühmt, ein Hotel richtet eine Welcome-Party aus mit Countrymusik und Cowboy-Tänzern.
Der Fischhändler will Bush ein Fässchen Bismarckhering überreichen - wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder - aber das sagt er nicht, weil Bush den Schröder nicht mag. Dafür mag der Präsident die Kanzlerin und deshalb will er ja jetzt auch Menschen kennen lernen, die so sind wie sie. Zum Beispiel Bürgermeister Harald Lastovska, Duzfreund von Angela Merkel. Er träumt davon, dass Bush ein Bad in der jubelnden Bürgermenge nimmt. So wie damals, als er der schwedischen Kronprinzessin ein Lebkuchenherz verkauft hat, erzählt er gerne den Journalisten. Und auch, dass er 1989 - nach 40 Jahren sozialistischem Landgang - zum ersten Mal auf das Meer hinaus durfte. Und als er sich dann umdrehte und zum ersten Mal Stralsund vom Wasser aus sah, da wusste er, was Freiheit ist.
George Bush wird diese Geschichte mögen. Und Lastovska freut sich. Auch wenn ihm viele die Freude verderben wollen. Der Wissenschaftler, der genau belegt hat, wieso der Besuch keine nachhaltige Entwicklung bringen wird. Oder die Friedensbewegung, die vier Stunden nach Bekanntgabe der Meldung schon ihre Gegendemo angemeldet haben - und nicht zuletzt die Stralsunder selbst.
"Von mir aus kann kommen, wer will und er kann auch gehen wieder."
"Vom Prinzip her interessiert's mich überhaupt nicht. Für mich ist es 'ne reine Prestigegeschichte für die Politiker. Ob das für das Land was bringt - mit Sicherheit wird der eine oder andere Amerikaner sagen, oh da war unser Präsident, da müssen wir auch mal hin, aber wirtschaftlich bringt's nichts - das ist Politikgeplänkel."
"Ja, was haben wir denn davon. Bush meinen Sie jetzt, da haben wir nichts von... Wie ich gehört habe, soll alles abgesperrt werden und wir dürfen nicht arbeiten - was soll das. Wer bezahlt mir den Ausfall - das würde mich interessieren."
Bezahlen tut jeder selber. So wies letztens ein Gericht in Mainz die Schadensersatzklage von Mainzer Geschäftsleuten ab.
"Dat kennen wir ja von Mainz, ne, da war es ja auch so noch schlimmer, sehr wahrscheinlich."
Ein zweites Mainz soll es auf keinen Fall geben, das ist der ausdrückliche Wunsch der Amerikaner. Vor einem Jahr fand Bush bei seiner Stippvisite in Rheinland-Pfalz eine Geisterstadt vor. Heruntergelassene Jalousien, zugeschweißte Gullydeckel. Das regt die Bürger auf. So extrem soll es also in Stralsund nicht werden. Und außerdem, so versucht der Bürgermeister seine Bürger zu beschwichtigen, sei die Stadt schon einmal, bei der Belagerung durch Wallenstein vor 400 Jahren, eine Festung gewesen.
Also soll der Präsident das Bad in der Menge bekommen, dass er sich ganz offiziell wünscht. Und seitdem überlegt die Schweriner Staatskanzlei, was das genau heißen soll - wie viel Sicherheit ist nötig und wie viel Volk ist möglich. Und welches Volk? Auf jeden Fall nur Eingeladenes.
Rund 1000 Leute sollen dem US-Präsidenten auf dem Alten Markt zujubeln. Darunter auch Soldtaten der Marine-Technik-Schule und Mitarbeiter der Telekom, die per Dienstanweisung den Auftrag bekommen haben, sich am Alten Markt einzufinden, wo sie dann eine kleine amerikanische Flagge ausgehändigt bekommen würden, mit der sie winken sollen. Eine Meldung, die die Telekom nicht dementiert hat.
Unweit des Alten Marktes, vor Angela Merkels Wahlkreisbüro, hat der Professor für Finanzen, Harald Wilde, den Gegenprotest in Stralsund mitorganisiert, eine Mahnwache organisiert.
"Das ist 'ne Provokation , die Frau Merkel testet einfach aus, wie weit kann sie gehen, und mein Bestreben ist, dass es ihr so geht wie damals Josef Strauß mit Wackersdorf, der hat ja gedacht, die Oberpfälzer sind ja sowieso Deppen, denen kann man alles reindrücken und dann waren die Oberpfälzer gar nicht so dumm. Und die Pommern haben auch den Ruf, dass sie sich alles gefallen lassen, aber irgendwo, denke ich, wird auch mal die Grenze der Leidensfähigkeit erreicht sein."
Auch bei der Stippvisite in der Nicolai-Kirche wird der Präsident mit seiner Politik konfrontiert werden - so der Plan von Pastor Hans-Peter Neumann. Die Kirche aus dem 13. Jahrhundert war ausgesprochen reich und vornehm ausgestattet. Die 56 Altäre hatten einstmals ihren Platz an den Pfeilern im Hohen Chor, im Langhaus und in den Kapellen der Seitenschiffe. Die haben durch den II. Weltkrieg und die Zeit danach großen Schaden genommen. Am Hauptaltar fehlen in der Mitte unzählige kostbare Schnitzereien, die im Schwarzhandel zu Geld gemacht wurde, erklärt der Pfarrer. Für die Kirchengemeinde ein Mahnmal gegen den Krieg:
"Da werde ich natürlich an der Stelle auch drauf hinweisen, dass wir in der Gemeinde in den 80er Jahren entschieden haben, dass bei einer Restaurierung im Mittelfeld, wo vieles fehlt, nicht nachgeschnitzt wird. Weil wir nicht so tun wollen, als ob nichts gewesen wäre."
Weil eine Kirche ja kein Museum ist, sondern ein Ort der Besinnung. Auch der Besinnung auf die eigene Existenz.
"…und das ist uns sehr wichtig, wir werden dem Präsidenten einen Brief überreichen, den der Gemeindekirchenrat verabschiedet hat, wo wir ihn bitten, sich persönlich intensivst für den Frieden in der Welt einzusetzen. Wir erinnern in diesem Brief auch an den Fall der Mauer, an die Erfahrungen der Wendezeit, wo eben Christen erlebt haben, dass der Einsatz und das Engagement für eine friedliche Lösung wirklich gesegnet ist und im wahrsten Sinne des Wortes Mauern zwischen Menschen und Ideologien beseitigen kann.
…und den Abschluss machen wir dann, dass wir hier wieder zurückgehen zum Schlüteraltar und wir werden dann hier die Osterkerze haben, brennend und wir wollen dann für George Bush und für Frau Merkel Kerzen anzünden und dann werde ich noch ein Gebet sprechen und ein Segenswort."
In Trinwillershagen sitzen die Einwohner im Gasthof zur Linde und lassen sich von der Polizei erklären, was alles passiert, wenn George W. Bush ihren kleinen Ort für eine kurze Zeit berühmt macht.
"Tja, meine Damen und Herren, das wäre im Groben, was von uns geplant ist. Wenn die Frage kommen sollte, weil durch die Medien mehrere Meldungen gegangen sind, wie viele Beamte nun überhaupt im Einsatz sind, teilweise utopische Zahlen, dann kann ich ihnen sagen, mehrere 100 Polizeibeamte für Trinwillershagen und ich meine, damit sind wir gut aufgestellt."
Der Bürgermeister ergreift das Wort:
"Viele werden sich daran erinnern, zu DDR Zeiten war das, wir hier viel Staatsmänner hatten, wo wir über Sicherheit gar nicht gesprochen hatten, aber, meine Damen und Herren, es ist eine andere Gesellschaftsordnung und die Bedingungen waren zu der Zeit anders."
Klaus-Dieter Tahn wird wohl zu den Leuten gehören, die mit dem Präsidenten grillen dürfen. Um die 100 Gäste werden es sein - fast alles CDU-Mitglieder. Tahn ist parteilos. Er kann auch viel erzählen aus Wendezeiten, und dass er als SED-Mitglied erst total enttäuscht war.
"Vollkommen daneben - wat wollen wir denn eigentlich. Ich kann Freiheit und Demokratie interpretieren, aber wer kann mit diesen Vokabeln richtig umgehen und im gesetzlichen Rahmen bleiben - das ist doch der Knackpunkt."
Ihn ärgert es, dass sein Dorf immer als sozialistische provinzielle Wunderkuh beschrieben wird. Viel lieber will er von den Erfolgen erzählen.
"Ich denke, wir haben gut gewirtschaftet, wir schreiben schwarze Zahlen - können se schreiben und ich sach ihnen auch warum: Weil wir nen Wirtschaftsstandort haben, nämlich die Windenergie."
Richtig viel Kohle hat die Gemeinde damit gemacht. Ein Coup, auf den Tahn stolz ist. Aber natürlich hat er dem Präsidenten auch was zu sagen.
"Das, was passiert ist, ist schlimm, keine Frage, und wenn ich 'ne Chance habe, Bush zu sprechen, dann will ich versuchen, zu sagen, was mir auf der Seele brennt - aber was das ist, das sage ich ihnen nicht."
Und das wird auch kein anderer erfahren. Nur ein paar ausgewählte Journalisten und Einwohner dürfen aus der Ferne ein wenig gucken. Auf Trinwillershagen, derweil der Regierungssprecher Tom Snow den Namen noch ein wenig übt.
"Trinwil... Trinwillers.. hagen"
Geht doch.
Als der Sprecher des Weissen Hauses, Tom Snow, vor zwei Wochen vor Journalisten die Termine des amerikanischen Präsidenten verkündet, wird ganz deutlich - den Nordosten Deutschlands gibt es ohne Zweifel auf der Landkarte - ausgesprochen ist aber alles andere reine Spekulation. Und die Presse liebt solche Auftritte:
(Applaus) "Thank you, thank you very much. You'll be able to read the -- the visit, which will take place at what had been communist East Germany, will underscore our two nations' commitment to advancing freedom and prosperity, and to strengthening the transatlantic partnership. The two leaders look forward to discussing a wide range of global challenges, in particular, their consultations on Iran and preparing for the G8 summit."
Merkel: "Ich hab den amerikanischen Präsidenten eingeladen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass er sieht, wie die deutsche Einheit vorankommt. Es ist sehr wichtig, dass außerhalb Deutschlands die Menschen uns auch verstehen."
Überhaupt nicht verstehen kann die Kanzlerin, dass die Landesregierung nicht uneingeschränkt erfreut ist über den Besuch, der da ins Haus steht. Da geht es einmal ums Geld, denn 20 Millionen Euro soll vor allem die Sicherheit kosten. Geld, das Mecklenburg-Vorpommern nicht hat. Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen - fordert die Linkspartei - und kündigt an, komplett bei der Gegendemo dabei zu sein. Auch, um sich im laufenden Wahlkampf als Friedenspartei zu positionieren und die Proteste in der Bevölkerung als Wählerstimmen umzumünzen.
Und als würde das nicht reichen, erklärt nun auch der SPD-Kreisverband von Stralsund den US-Präsidenten zur unerwünschten Person. Woraufhin die Landesregierung gute Miene zum bösen Spiel macht und erklärt, man wolle ein guter Gastgeber sein und jeder dürfe protestieren, wie und wo er wolle. Was wiederum die Kanzlerin erbost.
"Ministerpräsidenten sind selbstständige Menschen, aber es ist schon bedauerlich, dass der Ministerpräsident in seiner Regierung sich nicht richtig durchsetzen kann."
Ein Arbeitsbesuch soll es sein, kein Staatsbesuch. Bush und Merkel wollen sich bei diesem halbprivaten Besuch näher kommen. Vergessen sind die Zeiten, da Bush beim Gedanken an Germany und dessen Chancellor Gerhard Schröder Magenschmerzen bekam. Und weil der Präsident der Vereinigten Staaten ohnehin auf dem Weg zum G-8-Gipfel in St. Petersburg ist, schaut er gern in Merkels Wahlkreis vorbei. Und dazu gehört eben auch ein Abstecher in das ehemalige sozialistische Musterdorf Trinwillershagen auf halbem Weg zwischen Stralsund und Rostock.
"Wir haben hier Zahnarzt, wir haben einen praktischen Arzt, eine Sparkasse, neu gemachte Straßen incl. Bürgersteige…"
Bürgersteige - die gibt es seit vier Jahren. Der Bürgermeister des 1400 Seelen-Dorfes, Klaus-Dieter Tahn, muss seit Wochen Journalisten aus aller Welt erklären, warum ausgerechnet die Gemeinde mit dem schwierigen Namen Gastgeber des Grillfestes für den amerikanischen Präsidenten sein soll. Die Infrastruktur, die er dann aufzählt, ist nicht selbstverständlich für ein Dorf in Nordvorpommern. Ein Dorf im Hinterland der Ostseeküste - inmitten von üppigen Kornfeldern und dichten Wäldern. Ein paar Windkraftanlagen stehen auf der Wiese - und ein kleines Schild weist den Weg von der Bundesstraße in das Dorf. Trinwillershagen drei Kilometer - die Straße, die ins Dorf führt, hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen.
Schließlich schauten schon zu DDR-Zeiten oft und gerne prominente Politiker vorbei, um die Trinwillershagener auszuzeichnen für den vorbildlichen Kampf um die sozialistische Planerfüllung. Man sagt, dass der Bau des Kulturhauses quasi Walter Ulbricht zu verdanken ist, der das Musterdorf ein paar Mal besucht hat. Dorfchronist Johannes Reiter schwelgt in Erinnerungen.
"Mit Gründung der LPK ist in diesem Dorf viel getan worden auf sozialem, auf ökonomischen, politischem auf kulturellem Gebiet aber auch auf sportlichem. Die Menschen hatten hier ihre Arbeit, ihr Auskommen und ihre sichere Existenz und das machte Trin lebenswert und schön."
Und weil das Dorf, das auch damals schon in der Mitte von Nichts lag, sich der besonderen Fürsorge der SED erfreute, gab es Ananas in Dosen und Export Bier. Sogar ABBA trat im Kulturhaus auf, hat Reiter dokumentiert. Das Kulturhaus gibt es immer noch. Gleich nach der Wende hat Olaf Micheel das Gasthaus übernommen - da war er gerade 21. Die Kanzlerin mag solchen Unternehmermut. Micheel hat kaum etwas verändert:
"Abba hat hier schon gespielt drinne, warum sollten wir das ändern?"
An der Decke ist die Kassettenvertäfelung aus Plastik schon vergilbt und hat ein paar Löcher, an der Wand hängen ausgestopfte Jagdtrophäen - das ganze ist sehr rustikal - im Retro-Look. Aber die Akustik ist immer noch klasse. 1000 Leute haben in dem großen Saal Platz. Die CDU feiert hier gerne und oft. Über der Bar auf der Kegelbahn hängt die alte Nationalhymne der DDR. Glück und Friede sei beschieden Deutschland, unserm Vaterland. Alle Welt sehnt sich nach Frieden, Reicht den Völkern eure Hand. Ein paar Gäste zeigen bloß stumm auf den Text, wenn man sie fragt, was sie von dem hohen Besuch halten.
Vier Straßen hat das Dorf und jede Menge schmucker Eigenheime. Doch der Grund, wieso die Kanzlerin darauf bestanden hat, nach Trin zu kommen, da ist sich Tahn sicher, ist die nahezu historische Bedeutung, die der Ort für Angela Merkel, für die CDU, für ganz Deutschland hat.
"Der Erfolg, der sie heute berührt, Bundeskanzlerin zu sein, hat mit Trinwillershagen zu tun. Und das Umfeld, das sie hier erlebt hat, ist für sie Grund genug gewesen zu sagen, dort führe ich einfach mal einen Gast hin."
Das heißt - von Trinwillershagen auf direktem Weg ins Kanzleramt. Auch damals gab es nach der Nominierung ein Grillfest - und das muss der Angela Merkel recht gut gefallen haben. Auch damals gab es Wildschwein am Spieß aus heimischen Wäldern und selbst gemachte Salate. Der Wirt des Gasthofes zu den Linden, Olaf Micheel, holt sein Gästebuch hervor.
"…und da hat sie geschrieben herzlichen Dank ... Angela Merkel 23.6.2005."
Und, dass sie sich wieder sehen, hat sie ihm noch zugerufen. Micheel platzt fast vor Stolz. Jetzt muss der Jäger nur noch Erfolg auf der Pirsch haben, denn bis jetzt hat er noch keine Sau geschossen, wohl auch, weil ihm immer ein Kamerateam dabei auf den Fersen war. Für die Jagd hat Micheel eine Ausnahmegenehmigung. Denn vom 11. bis zum 14. Juli ist das Tragen von Waffen und Munition verboten.
Während in Trinwillershagen noch der Rasen gemäht und das Vereinshaus von Rot-weiß gestrichen wird, laufen 30 Kilometer weiter, in Stralsund Polizisten von Tür zu Tür, um die Bürger darüber aufzuklären, was eigentlich passiert, wenn der mächtigste Mann der Welt die Unesco-Kulturerbestadt besucht.
"Ja, jetzt werden wir einfach mal klingeln, hoffen, das uns jemand rein lässt und dann geht es von Tür zu Tür."
Die beiden Polizisten, gerade mal Mitte 30, wirken in Zivil wie Touristen. Nur die Polizeimarke zeichnet sie als Polizeibeamte aus - wie in amerikanischen Krimis. Die amerikanischen Kollegen vom FBI, die in schwarzen Anzügen tagelang durch die Stadt liefen, waren da wesentlich besser zu erkennen.
"Markus Bramme und mein Kollege Jörg Schmidt. Wir sind da, um sie heute schon über den Bush-Besuch zu informieren, denn das geht ja einher mit zahlreichen Beeinträchtigungen. Das wird zum einen den Fahrzeugverkehr betreffen, zum anderen aber auch den Personenverkehr."
Auf den Zetteln, die sie verteilen, steht, dass die Anwohner ihre Autos von der Straße nehmen und in Hinterhöfen oder am Rande der Stadt parken sollen. Und das die Fenster in der Sicherheitszone 400 mal 400 Meter um das Rathaus herum während des Besuchs geschlossen zu halten sind - und dass man auch nicht aus dem Fenster schauen oder gar filmen darf. Auf den Dächern um das Ratshaus herum sind rund 250 Scharfschützen postiert. Aber das steht nicht auf den Zetteln. Die Bewohner nehmen es vorpommersch gelassen.
"Ganz wichtig: an dem Tag den Ausweis mitnehmen und sich auf Personenkontrollen einstellen, die Wohnung auf dem kürzesten Wege Richtung Wasserstraße verlassen. Dort wird die nächste Kontrollstelle sein. Unter Umständen möchte man auch mal in ihre Tasche gucken. Das ist ähnlich wie am Flughafen, da müssen sie dann durch eine Sicherheitsschleuse laufen. Ja."
"Meinetwegen können die mich auch kontrollieren, ich hab ja nichts zu verbergen. Komisch ist es, aber nicht so wild."
"Ich find das bloß blöd, dass wir die Autos alle wegnehmen müssen, ich hab ja keine Autobombe da drinne."
"Ich seh das unter dem Aspekt und sage, Stralsund kann es nur gut tun, egal wie man politisch zu ihm stehn mag, egal wie viel Einschränkungen man hinnehmen muss. Ich meine, diese zwei Tage werden wir auch noch überstehen."
1234 wurde Stralsund das Stadtrecht verliehen - mehr als 200 Jahre, bevor Amerika überhaupt entdeckt wurde. Mit knapp 60.000 Einwohnern gehört die alte Hansestadt schon zu den größeren im Land. Hier hat Angela Merkel ihr Wahlkreisbüro. Gelebt hat sie hier allerdings nie. Schon als Umweltministerin hat sie ihren österreichischen Amtskollegen in die Hansestadt eingeladen und auch Edmund Stoiber durch die historischen Gassen gelotst. Erst vor kurzem war der schwedische Ministerpräsident zu Besuch in der alten Hansestadt. Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, routiert der Pressesprecher der Hansestadt. Sonst, sagt Peter Koslik, interessieren sich japanische Journalisten oder CNN nicht so sehr für Stralsund.
"Wir werden sehen, was unterm Strich rauskommt. Wichtig ist, dass unterm Strich die Amerikaner sehen, es gibt auch ein Deutschland nördlich von Berlin. Es gibt nicht nur Weißbier und Nürnberg ,es gibt auch was nördlich davon."
Und da gibt es auch Gewerbegebiete, Investitionsmöglichkeiten und Menschen, die davon leben, dass andere hier Urlaub machen. Amerikaner sind das noch nicht so viele. Das soll sich ändern. Die Tourismuschefin ist überzeugt: Wir werden berühmt, ein Hotel richtet eine Welcome-Party aus mit Countrymusik und Cowboy-Tänzern.
Der Fischhändler will Bush ein Fässchen Bismarckhering überreichen - wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder - aber das sagt er nicht, weil Bush den Schröder nicht mag. Dafür mag der Präsident die Kanzlerin und deshalb will er ja jetzt auch Menschen kennen lernen, die so sind wie sie. Zum Beispiel Bürgermeister Harald Lastovska, Duzfreund von Angela Merkel. Er träumt davon, dass Bush ein Bad in der jubelnden Bürgermenge nimmt. So wie damals, als er der schwedischen Kronprinzessin ein Lebkuchenherz verkauft hat, erzählt er gerne den Journalisten. Und auch, dass er 1989 - nach 40 Jahren sozialistischem Landgang - zum ersten Mal auf das Meer hinaus durfte. Und als er sich dann umdrehte und zum ersten Mal Stralsund vom Wasser aus sah, da wusste er, was Freiheit ist.
George Bush wird diese Geschichte mögen. Und Lastovska freut sich. Auch wenn ihm viele die Freude verderben wollen. Der Wissenschaftler, der genau belegt hat, wieso der Besuch keine nachhaltige Entwicklung bringen wird. Oder die Friedensbewegung, die vier Stunden nach Bekanntgabe der Meldung schon ihre Gegendemo angemeldet haben - und nicht zuletzt die Stralsunder selbst.
"Von mir aus kann kommen, wer will und er kann auch gehen wieder."
"Vom Prinzip her interessiert's mich überhaupt nicht. Für mich ist es 'ne reine Prestigegeschichte für die Politiker. Ob das für das Land was bringt - mit Sicherheit wird der eine oder andere Amerikaner sagen, oh da war unser Präsident, da müssen wir auch mal hin, aber wirtschaftlich bringt's nichts - das ist Politikgeplänkel."
"Ja, was haben wir denn davon. Bush meinen Sie jetzt, da haben wir nichts von... Wie ich gehört habe, soll alles abgesperrt werden und wir dürfen nicht arbeiten - was soll das. Wer bezahlt mir den Ausfall - das würde mich interessieren."
Bezahlen tut jeder selber. So wies letztens ein Gericht in Mainz die Schadensersatzklage von Mainzer Geschäftsleuten ab.
"Dat kennen wir ja von Mainz, ne, da war es ja auch so noch schlimmer, sehr wahrscheinlich."
Ein zweites Mainz soll es auf keinen Fall geben, das ist der ausdrückliche Wunsch der Amerikaner. Vor einem Jahr fand Bush bei seiner Stippvisite in Rheinland-Pfalz eine Geisterstadt vor. Heruntergelassene Jalousien, zugeschweißte Gullydeckel. Das regt die Bürger auf. So extrem soll es also in Stralsund nicht werden. Und außerdem, so versucht der Bürgermeister seine Bürger zu beschwichtigen, sei die Stadt schon einmal, bei der Belagerung durch Wallenstein vor 400 Jahren, eine Festung gewesen.
Also soll der Präsident das Bad in der Menge bekommen, dass er sich ganz offiziell wünscht. Und seitdem überlegt die Schweriner Staatskanzlei, was das genau heißen soll - wie viel Sicherheit ist nötig und wie viel Volk ist möglich. Und welches Volk? Auf jeden Fall nur Eingeladenes.
Rund 1000 Leute sollen dem US-Präsidenten auf dem Alten Markt zujubeln. Darunter auch Soldtaten der Marine-Technik-Schule und Mitarbeiter der Telekom, die per Dienstanweisung den Auftrag bekommen haben, sich am Alten Markt einzufinden, wo sie dann eine kleine amerikanische Flagge ausgehändigt bekommen würden, mit der sie winken sollen. Eine Meldung, die die Telekom nicht dementiert hat.
Unweit des Alten Marktes, vor Angela Merkels Wahlkreisbüro, hat der Professor für Finanzen, Harald Wilde, den Gegenprotest in Stralsund mitorganisiert, eine Mahnwache organisiert.
"Das ist 'ne Provokation , die Frau Merkel testet einfach aus, wie weit kann sie gehen, und mein Bestreben ist, dass es ihr so geht wie damals Josef Strauß mit Wackersdorf, der hat ja gedacht, die Oberpfälzer sind ja sowieso Deppen, denen kann man alles reindrücken und dann waren die Oberpfälzer gar nicht so dumm. Und die Pommern haben auch den Ruf, dass sie sich alles gefallen lassen, aber irgendwo, denke ich, wird auch mal die Grenze der Leidensfähigkeit erreicht sein."
Auch bei der Stippvisite in der Nicolai-Kirche wird der Präsident mit seiner Politik konfrontiert werden - so der Plan von Pastor Hans-Peter Neumann. Die Kirche aus dem 13. Jahrhundert war ausgesprochen reich und vornehm ausgestattet. Die 56 Altäre hatten einstmals ihren Platz an den Pfeilern im Hohen Chor, im Langhaus und in den Kapellen der Seitenschiffe. Die haben durch den II. Weltkrieg und die Zeit danach großen Schaden genommen. Am Hauptaltar fehlen in der Mitte unzählige kostbare Schnitzereien, die im Schwarzhandel zu Geld gemacht wurde, erklärt der Pfarrer. Für die Kirchengemeinde ein Mahnmal gegen den Krieg:
"Da werde ich natürlich an der Stelle auch drauf hinweisen, dass wir in der Gemeinde in den 80er Jahren entschieden haben, dass bei einer Restaurierung im Mittelfeld, wo vieles fehlt, nicht nachgeschnitzt wird. Weil wir nicht so tun wollen, als ob nichts gewesen wäre."
Weil eine Kirche ja kein Museum ist, sondern ein Ort der Besinnung. Auch der Besinnung auf die eigene Existenz.
"…und das ist uns sehr wichtig, wir werden dem Präsidenten einen Brief überreichen, den der Gemeindekirchenrat verabschiedet hat, wo wir ihn bitten, sich persönlich intensivst für den Frieden in der Welt einzusetzen. Wir erinnern in diesem Brief auch an den Fall der Mauer, an die Erfahrungen der Wendezeit, wo eben Christen erlebt haben, dass der Einsatz und das Engagement für eine friedliche Lösung wirklich gesegnet ist und im wahrsten Sinne des Wortes Mauern zwischen Menschen und Ideologien beseitigen kann.
…und den Abschluss machen wir dann, dass wir hier wieder zurückgehen zum Schlüteraltar und wir werden dann hier die Osterkerze haben, brennend und wir wollen dann für George Bush und für Frau Merkel Kerzen anzünden und dann werde ich noch ein Gebet sprechen und ein Segenswort."
In Trinwillershagen sitzen die Einwohner im Gasthof zur Linde und lassen sich von der Polizei erklären, was alles passiert, wenn George W. Bush ihren kleinen Ort für eine kurze Zeit berühmt macht.
"Tja, meine Damen und Herren, das wäre im Groben, was von uns geplant ist. Wenn die Frage kommen sollte, weil durch die Medien mehrere Meldungen gegangen sind, wie viele Beamte nun überhaupt im Einsatz sind, teilweise utopische Zahlen, dann kann ich ihnen sagen, mehrere 100 Polizeibeamte für Trinwillershagen und ich meine, damit sind wir gut aufgestellt."
Der Bürgermeister ergreift das Wort:
"Viele werden sich daran erinnern, zu DDR Zeiten war das, wir hier viel Staatsmänner hatten, wo wir über Sicherheit gar nicht gesprochen hatten, aber, meine Damen und Herren, es ist eine andere Gesellschaftsordnung und die Bedingungen waren zu der Zeit anders."
Klaus-Dieter Tahn wird wohl zu den Leuten gehören, die mit dem Präsidenten grillen dürfen. Um die 100 Gäste werden es sein - fast alles CDU-Mitglieder. Tahn ist parteilos. Er kann auch viel erzählen aus Wendezeiten, und dass er als SED-Mitglied erst total enttäuscht war.
"Vollkommen daneben - wat wollen wir denn eigentlich. Ich kann Freiheit und Demokratie interpretieren, aber wer kann mit diesen Vokabeln richtig umgehen und im gesetzlichen Rahmen bleiben - das ist doch der Knackpunkt."
Ihn ärgert es, dass sein Dorf immer als sozialistische provinzielle Wunderkuh beschrieben wird. Viel lieber will er von den Erfolgen erzählen.
"Ich denke, wir haben gut gewirtschaftet, wir schreiben schwarze Zahlen - können se schreiben und ich sach ihnen auch warum: Weil wir nen Wirtschaftsstandort haben, nämlich die Windenergie."
Richtig viel Kohle hat die Gemeinde damit gemacht. Ein Coup, auf den Tahn stolz ist. Aber natürlich hat er dem Präsidenten auch was zu sagen.
"Das, was passiert ist, ist schlimm, keine Frage, und wenn ich 'ne Chance habe, Bush zu sprechen, dann will ich versuchen, zu sagen, was mir auf der Seele brennt - aber was das ist, das sage ich ihnen nicht."
Und das wird auch kein anderer erfahren. Nur ein paar ausgewählte Journalisten und Einwohner dürfen aus der Ferne ein wenig gucken. Auf Trinwillershagen, derweil der Regierungssprecher Tom Snow den Namen noch ein wenig übt.
"Trinwil... Trinwillers.. hagen"
Geht doch.

Rathaus und Nikolaikirche in Stralsund© AP Archiv

Blick vom Alten Markt in Stralsund auf die Mittelalterlichen Giebelhäuser der Stadt© AP