Business-Gespräch

Warum Spotify den Weg an die Börse wagt

Auf einem Laptop kleben am 07.04.2016 in Berlin Sticker des Musikstreamingdienstes Spotify.
Sticker des Musikstreamingdienstes Spotify auf einem Laptop © picture alliance / dpa / Sophia Kembowski
Silke Hahne im Gespräch mit Mascha Drost |
Mit dem Gang an die Wall Street testet Spotify seinen Börsenwert. Ob der besondere Weg einer sogenannten Direktplatzierung für den Musikstreamingdienst zum Erfolg wird, sei schwer vorherzusagen, sagt Silke Hahne aus der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion.
Mascha Drost: Der Musiker Damon Krukowski sagte einmal bei uns in der Tonart sinngemäß, er habe nichts gegen Musikpiraterie, denn da würde er genauso viel verdienen wie bei Spotify, also nichts. Das großsprecherische Credo von Spotify ist es ja, Millionen Künstlern die Möglichkeit zu geben, von ihrer Kunst zu leben, und Milliarden von Fans die Möglichkeit, zu genießen und sich inspirieren zu lassen. Das mit den Fans mag stimmen. Aber Geld verdient man als Künstler bei Spotify kaum.
Und nicht nur die Künstler, der Konzern selbst verdient nicht nur nichts, sondern schreibt sogar Verluste. Und dennoch oder vielleicht gerade deshalb geht Spotify heute an die Börse. Die Musikwelt hat die Firma ja schon umgekrempelt: Jetzt also der Aktienmarkt, denn Spotify wagt eine Direktplatzierung. Was heißt das eigentlich, diese Frage gebe ich jetzt an Silke Hahne aus der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion weiter.

Sehr individueller finanztechnischer Hintergrund

Silke Hahne: Im Prinzip heißt das einfach nur, dass Spotify seinen Anteilseignern eine neue Plattform an die Hand gibt, auf der sie ihre Papiere handeln können, und das ist eben die Börse. Normalerweise werden bei einem Börsengang ja im Vorhinein Banken damit beauftragt, eine Preisbildung vorzunehmen. Die gehen dann auf Werbetour. Denn normalerweise werden auch neue Papiere ausgegeben. Und die Banken werben dann bei möglichen Käufern für diese Papiere, es bildet sich ein Interesse, eine Nachfrage und so eben auch ein Preis.
Spotify aber gibt keine neuen Aktien aus: Sondern die bisherigen Papiere werden einfach handelbar an der Börse und das spart Kosten. Spotify muss nämlich diese Investmentbanken nicht beauftragen und Geld hat Spotify ja chronisch zu wenig, das Unternehmen schreibt Verluste. Sie haben das erwähnt.
Die andere Seite der Medaille ist allerdings, dass es zu ganz schön großen Schwankungen des Aktienkurses kommen kann, weil der Preis sich eben erstmal am Markt bilden muss. Das kann einige Stunden dauern. Der Hintergrund des Börsengangs ist übrigens auch finanztechnisch sehr individuell eine Vereinbarung mit Investoren: Die haben Spotify Geld geliehen mit einer sogenannten Wandelanleihe und die Vereinbarung mit den Investoren sieht vor, dass Spotify sich die Zinsen für diese Anleihe sparen kann, wenn es eben an die Börse geht, die Anleihen in Aktien umgewandelt werden und die Investoren diese Aktien dann verkaufen können. Eine ganz spezielle Situation also, deswegen bin ich mir nicht so sicher, ob Spotify jetzt auch den Börsenhandel revolutionieren wird.
Drost: Was bedeutet denn dieser Börsengang für die Nutzer? Wird der Druck für Spotify größer, Gewinne zu erzielen?

"Ich glaube nicht, dass Spotify die Preise erhöht"

Hahne: Üblicherweise bedeutet ein Börsengang das ja, weil Aktionäre über Dividenden häufig am Gewinn beteiligt werden. Man könnte das befürchten, dass die Preise für die 71 Millionen zahlenden Abo-Kunden steigen. Bei so zukunftsträchtigen Unternehmen, ehemaligen Start-ups, die sehr viel Geld wert sind, zeigt sich aber, dass Investoren da durchaus Geduld haben, wenn diese Unternehmen Verluste schreiben.
Ich glaube auch aus anderen Gründen nicht, dass Spotify die Preise erhöht. Das Unternehmen will nämlich weiter wachsen, es muss also attraktiv bleiben für Abonnenten. Und wir sprechen hier von einem Markt, in dem früher Nutzer eben kostenlos Musik illegal heruntergeladen haben.
Dazu kommen dann noch finanzstarke Konkurrenten wie Apple und Co., die bieten auch Musikstreaming an. Die können einen Preiskampf anzetteln, weil sie Einnahmeausfälle viel leichter wegstecken könnten als ein kleineres Unternehmen oder eines, hinter dem eben keine Großkonzerne stehen.
Und Spotify hat auch zuletzt angedeutet, dass es andere Umsatzquellen als die Abos erschließen könnte, und so die Gewinne zu steigern will: zum Beispiel Werbe-Deals mit Platten- oder Konzert-Promotern oder auch der Verkauf von Daten an Musiker und Plattenfirmen. Dass wir bei digitalen Diensten ein Stück weit auch immer mit unseren Daten bezahlen, ist ja grundsätzlich bekannt, wenn auch gerade heiß diskutiert.
Drost: Wenn man sich die Musikstreaming-Anbieter anguckt, dann ist Spotify ja unbestritten der Platzhirsch. Aber wenn man jetzt Vergleiche zieht, was das Finanzielle angeht, wie steht dann Spotify da, im Vergleich mit Apple, YouTube, Amazon, Deezer?

Mehr Macht für Verhandlungen mit den Plattenfirmen

Hahne: Der direkte Vergleich hinkt hier ein bisschen: Denn wie gesagt, die bieten zwar das gleiche Produkt an, all diese Unternehmen. Aber im Hintergrund stehen da jeweils anders aufgestellte Konzerne. Nehmen wir mal die wichtigen Konkurrenten: Apple Music ist die Nummer zwei zum Beispiel, Amazon Music Unlimited gibt es noch oder YouTube. Die gehören ja zu Großkonzernen. Also Apple ist der wertvollste Konzern der Welt. Amazon hat zig andere Dienste, die verkaufen ja sogar Hardware. YouTube gehört zum Google-Mutterkonzern Alphabet. Die sind deswegen in der Lage, hohe Lizenzgebühren und gegebenenfalls auch rote Zahlen besser wegzustecken - und ja, insofern geht es ihnen besser. Deezer aber hat zum Beispiel auch Marktanteile verloren, da muss man also auch wieder differenzieren.
Gleichzeitig wissen die großen Plattenfirmen, dass sie Spotify mit ihrer oligopolhaften Macht auch nicht erdrücken dürfen. Denn wenn Spotify vom Markt verschwindet und davon Apple, Amazon usw. profitieren, dann haben die Plattenfirmen auch ein Problem. Dann haben sie es nämlich mit diesen riesigen Playern zu tun und das können die Plattenfirmen so auch nicht wollen. Von daher hat Spotify wieder eine gewisse Verhandlungsmacht und letztes Jahr ist es ihnen auch deswegen gelungen, neue Lizenzverträge auszuhandeln und die Kosten da etwas zu drücken.
Drost: Ganz kurz zum Schluss: Kommt der Börsengang für Spotify zu einem guten Zeitpunkt? Erwarten Sie einen guten Start?

"Eigentlich ist die Zeit für Börsengänge noch ganz gut"

Hahne: Das ist hier ganz schwierig zu sagen. Eigentlich ist die Zeit für Börsengänge noch ganz gut, weil die Zinsen niedrig sind. Dann sind Anleihen, Staatsanleihen zum Beispiel nicht so attraktiv, Aktien dafür umso mehr. Auch wenn jetzt zum Beispiel der Handelsstreit diesen globalen Konjunkturaufschwung auch etwas … Da ziehen sozusagen dunkle Wolken am Himmel auf, das Fenster wird enger.
Und wir haben diese Debatte über Datenschutz, angezettelt durch den Facebook-Datenskandal. Die Tech-Werte sind in den letzten Wochen unglaublich nach unten gegangen. Und da es eine Direktplatzierung ist, ist es wirklich ganz schwer zu sagen. Wir wissen einfach nicht, welchen Wert die Investoren Spotify zumessen, und das müssen wir einfach abwarten.
Drost: Der Börsengang von Spotify, wir warten ab. Silke Hahne war das aus der Wirtschaftsredaktion des Dlf. Vielen Dank.
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