C Pam Zhang: "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold"
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Regul
S. Fischer Verlag 2021
341 Seiten, 22 Euro
Nicht mehr nur weiß, westlich und männlich
05:39 Minuten
Die in Peking geborene und in den USA aufgewachsene C Pam Zhang hat mit "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" eine epische Gegenerzählung zum altbekannten Narrativ des "Wilden Westens" geschrieben. Ein atemberaubender Debütroman.
Der Mythos des amerikanischen Westens ist – auch literarisch – bis heute: weiß, westlich und männlich. Doch er bekommt, wie alle monolithischen Erzählungen, seit geraumer Zeit immer mehr Konkurrenz. Und das vor allem aus der Feder asiatisch-amerikanischer Autorinnen.
Jüngst erst hatte Ling Ma in "New York Ghost" ein kritisches Schlaglicht auf das Ankommen in einem Land geworfen, das sich bis heute gerne das Versprechen "This land is your land" auf die Fahne schreibt. Nun legt die in Peking geborene, aber in den USA aufgewachsene und beheimatete Autorin C Pam Zhang mit "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" ein weiteres, kraftvolles und kluges Korrektiv dieses Versprechens nach. Das programmatische Motto ihres Romans lautet: "This land is not your land".
Auf einem gestohlenen Pferd durch Kalifornien
Es entspricht der Lebensrealität ihrer Hauptfiguren. Das sind die Geschwister Lucy, 12 Jahre alt, und Sam, 11 Jahre alt. Beide müssen sich vor dem Hintergrund des kalifornischen Goldrauschs auf eine große Reise, auch zu sich selbst, begeben.
Ihre Mutter Ma, eine chinesische Immigrantin, ist schon ein paar Jahre tot. Soeben aber ist auch ihr Vater, ein Goldgräber namens Ba, gestorben. Ihn müssen sie beerdigen, entsprechend den Ritualen, die ihre Mutter sie gelehrt hat.
Dafür brauchen sie Geld. Um dieses Geld zu bekommen, begehen sie ein Verbrechen. Und werden so auf ihrer Reise durch die Weiten Kaliforniens auf einem gestohlenen Pferd samt der Kiste mit dem Leichnam des toten Vaters zu Fliehenden – und wieder einmal, wie schon so oft, heimatlos.
Von der ersten Zeile an spürt man das Gewicht von Verlust, Trauer und der Suche nach einem Ort namens "Zuhause", das über diesem Roman lastet. Von der ersten Zeile an aber staunt man auch über ein Debüt, das diese Themen mit umwerfender Kunstfertigkeit und in einer gleißenden Sprache verhandelt, die von derselben eisigen Hitze überzogen ist wie die von Zhang fast religiös beschworene kalifornische Landschaft. Tatsächlich entwirft Zhang eine epische Gegenerzählung zum altbekannten Narrativ des "Wilden Westens".
Die Freiheit triumphiert
Bewusst spielt sie auf der Klaviatur der Wildwest-Mythologie, fügt dem altvertrauten Setting aber andere Stimmen, andere Geschlechter und andere Geschichten hinzu: Es sind die Stimmen all jener, die wie Ba und Ma schon vor der Ankunft der Weißen und Westler die Weiten Kaliforniens ihre Heimat nannten – und die ausgelöscht wurden aus der kollektiven Erinnerung.
Ausgelöscht wie Landschaften, Tiere und die einstigen Ureinwohner. Zhang gemahnt an all diese verstummten Geschichten – und erinnert mit ihnen nicht zuletzt daran, dass Begriffe wie Heimat, Land, Besitz und Zugehörigkeit bis heute zu hinterfragende Konstrukte sind.
Die Jahreszahlen in Zhangs Roman sind deshalb austauschbare Variablen, gekennzeichnet mit "XX". Und auch wenn kein Happy End erwartet werden darf: Am Ende ihres atemberaubenden und von Eva Regul atemberaubend übersetzten Romans triumphiert die Freiheit ihrer Figuren über die engen Grenzen von Herkunft, Identität und Geschlecht.