Cabaret Crusades

Wael Shawky lässt die Puppen tanzen

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Eine Marionette aus einem Marionettenspiel des Künstlers Wael Shawky. © picture alliance / dpa / Matthias Balk
Von Rudolf Schmitz |
Der ägyptische Künstler Wael Shawky landete vor zwei Jahren auf der Documenta einen Coup mit seinen abgefilmten Marionettenspielen, in denen er die Geschichte der Kreuzzüge aus arabischer Sicht darstellte. In der Kunstsammlung NRW ist jetzt der dritte Teil zu sehen.
Die große Ausstellungshalle ist zweigeteilt. Kinosaal auf der einen Seite, Einblick ins Filmset auf der anderen. Durch eine große Fensterscheibe sieht man eine halbrunde Bühne, davor, in Regalen gestapelt, die gläsernen, im italienischen Murano gefertigten Marionetten.
"Die Figuren sehen total verrückt aus, haben ganz merkwürdige Gestalt, die haben manchmal große lange Rüssel und Schnäbel..."
Die Schaufenstersituation haben sich die Kuratorin Doris Krystof und der ägyptische Künstler Wael Shawky gemeinsam ausgedacht. So konnten die Besucher der Kunstsammlung einen Monat lang beobachten, wie Wael Shawky die dritte Folge der "Cabaret Crusades" drehte, seiner kabarettistischen Erzählung der Kreuzzüge aus arabischer Sicht.
"So it came this idea of the window where people can be seeing this whole making as daily performance, real performance happeining. We are not really acting but we are really making the reality"
Neue Glasmarionetten - halb Tier, halb Mensch
Der Filmdreh wurde zur täglichen Performance, und das Set ist sogar begehbar, nachdem die anstehende Uraufführung von Cabaret Crusades Teil III stattgefunden hat. Wael Shawky hat deshalb nur wenig Zeit, er muss zurück in den Filmschnitt. Aber er will uns noch die neuen Glasmarionetten zeigen, die wie Fantasy-Geschöpfe aussehen: halb Mensch, halb Tier. Sie tragen handgeschneiderte verrückte Kostüme aus wertvollen Stoffen.
"I was trying to see if it was possible to have everything handmade. We don't use Polyester, everything has to be real, like the glass, like everything. The material is extremely important in this work".
Das Selbstgemachte, die Materialität des Ganzen waren dem ägyptischen Künstler äußerst wichtig. Um die Zerstörung von Konstantinopel durch die Kreuzritter zu einem großen Spektakel zu machen, hat er das Museum dazu gebracht, eine Drehbühne zu konstruieren. Mit Stadtkulissen aus Lehm und Pappe.
"...So dass sich da ganz tolle Effekte ergeben haben beim Dreh, weil sich nicht nur die Figuren bewegt haben, sondern die ganze Szenerie, der Hintergrund, die Städte, manchmal war es auch Gartenanlagen oder Pflanzen, die sich dann beim Filmdreh auch noch mal gedreht haben".
Die Marionettenspieler standen auf zwei Stahlrohrbrücken, die aus zwei Metern Höhe die Drehbühne bespielbar machten. Von überall her wurden sie gecastet.
"Wir hatten aus Rumänien erfahrene Marionettenspieler, ganz toll. Aber auch hier aus Düsseldorf, wir haben ja in Düsseldorf ein ganz renommiertes Marionettentheater, was es schon seit den 50er Jahren gibt. Wir hatten 10 Marionettenspieler permanent am Set".
Geschichte schreiben ist wie Literatur
Wael Shawky ist zu nervös, um noch länger bei uns zu bleiben. Er muss an den Schneidetisch zurück. Um die Dialoge der "Cabaret Crusades" anzupassen. Sie sind auf Hocharabisch in Kairo vorproduziert worden. Wael Shawky hat sie nur anhand von alten arabischen Quellen geschrieben. Das entspricht seiner Auffassung von Geschichte.
"Writing history for me is not really far from literature. It's human creation. And we never know if it's real or not".
Geschichte als Literatur, als Fiktion, die uns vor Rätsel stellt? Dazu passt das Marionettentheater natürlich hervorragend: Geht es doch buchstäblich um Manipulation, um die Frage, wer die Strippen der Geschichte zieht. Auch angesichts der Vorgänge im heutigen Kairo wieder eine brennende Frage, wie Wael Shawky noch anmerkt.
Wir bleiben am Filmset zurück, weil es so viel zu sehen gibt: die kleinen Zelte, die Fahnen, die skurrilen Glasfiguren mit ihren ständig wechselnden Kostümen. Für die Kuratorin Doris Krystof war diese Herstellung eines Kunstwerks in den Räumen des Museums selbst eine einmalige Erfahrung.
"Eigentlich machen alle alles zum ersten Mal. Glasbläser machen zum ersten Mal Marionetten, Marionettenspieler spielen zum ersten Mal mit Marionetten aus Glas, ein Museum produziert einen Film, eine Filmproduktionsfirma arbeitet im Museum, hat kein Skript bis ganz kurz vor Drehbeginn - also ein großes Wagnis und Abenteuer".

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Der Künstler Wael Shawky am Filmset für sein Marionettenspiel in der Ausstellung «Nach Ägypten! _ Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee»© picture alliance / dpa / Matthias Balk
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