Der Tod darf mit am Tisch sitzen
Der Tod gehört zum Leben, das sagt sich leicht dahin. Dennoch fällt es schwer, über ihn zu sprechen. Diese Sprachlosigkeit wollten zwei Frauen aus Bonn beenden. Sie laden seitdem zum "Totentanzcafé". Ein Angebot, über den Tod und das Sterben zu sprechen.
"Also ich bin hierhergekommen, war ein bisschen verunsichert, weil das für mich sehr trauerbesetzt ist, das Thema, und ich immer das Gefühl hab: Tod nimmt mir was weg als Hinterbliebener."
"Das Thema Tod interessiert mich schon sehr, sehr lange, weil ich immer gerne möchte, dass Menschen zu Lebzeiten darüber sprechen, und nicht erst nachher, wenn derjenige gestorben ist."
"Der Tod ist groß – wir sind die seinen / lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen / wagt er zu weinen mitten in uns."
Wenn wir uns mitten im Leben meinen / wagt er zu weinen mitten in uns."
Rainer Maria Rilke:
"Ich kann eigentlich sagen, dass ich mit dem Thema beschäftigt bin, seit ich weiß, dass es sowas wie Tod gibt. Aber jetzt nicht in 'ner freudigen, entspannten Art, sondern eher was mich dann auch teilweise mit Schrecken erfüllt. Also es ist für mich selber kein leichtes Thema."
Im Totentanzcafé ist der Name Programm: Bei Kaffee und Kuchen oder einem leichten Essen unterhalten sich die Besucher mit teilweise wildfremden anderen Gästen über einen Themenkomplex, der alle verbindet: Sterben, Tod, Begräbnisse und Verlust. Eben – das Ende des Lebens. Nur getanzt wird nicht im Totentanzcafé. Und doch – sagt eine der Gründerinnen, Anne Leichtfuß – ist der Begriff vom Totentanz absichtlich gewählt.
"Wir haben überlegt wegen des Namens und fanden dann Café Tod oder Todescafé einfach... jedenfalls nicht so wie der Titel einer Veranstaltung, die wir gerne besuchen wollten. Und weil der Totentanz ja auch einen leichten, spielerischen Aspekt hat, war das unsere Wahl, was den Namen angeht."
Kein fester Ort
Seit Frühjahr 2013 gibt es das Totentanzcafé in Deutschland. Die ersten Termine fanden in Bonn und Köln statt, aber es gab auch Zusammenkünfte in München oder Berlin. Einen festen Ort gibt es – noch – nicht. Die Idee des Totentanzcafés ist schon älter und stammt aus der Schweiz.
"Ein Schweizer Soziologe, Bernhard Crettaz, der hat mit Menschen in Altenheimen gearbeitet und hat festgestellt, dass für viele dieser Menschen ein hoher Faktor für Unzufriedenheit, Frust, Traurigkeit die Tatsache ist, dass niemand in ihrem Umfeld bereit ist, mit ihnen über die Tatsache zu sprechen, dass sie sterben werden. Und das wollte er ändern und hat damit begonnen, ein "Café Mortel" abzuhalten und in einer positiven, angenehmen Gesprächsatmosphäre über den Tod zu sprechen."
Autorin Im englischsprachigen Raum entstanden später so genannte Death Cafés. Es stellte sich heraus, dass viele Menschen auf der Suche waren nach Gesprächspartnern für das Tabuthema Tod.
"Ja, ich merke das im Freundeskreis, wenn wir das Thema aufbringen, oder als wir erzählt haben von unserem Grabstein, dann wird alles etwas kühler und zurückhaltend. Das ist nicht ganz leicht zu ertragen, muss ich ehrlich sagen, weil wir das für selbstverständlich halten, dass man darüber redet."
"Ehrlich gesagt bin ich jetzt niemand, der das so antreibt. Ich setz mich jetzt nicht hin und sag: Lass mal darüber reden, oder so."
"Natürlich haben wir auch Reaktionen von Leuten, die sagen: Boah, was macht ihr da und warum, und auf keinen Fall und ich will nicht kommen, ich will nix darüber hören, schreibt mir nie wieder ne E-mail zu diesem Thema - das gibt's natürlich auch, aber die sind dann jetzt nicht hier, und mit denen würden diese Gespräche natürlich auch nicht auf so eine Art und Weise funktionieren."
Teilnehmer schreiben Totenzettel
Um den Gästen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, bieten die Veranstalter immer einen Programmpunkt an, die das Gespräch in Gang bringen: Eine Kunstaktion, Zettel mit Fragen oder eingeladene Experten, die von ihrer Arbeit in Zusammenhang mit Tod oder Bestattung erzählen. So steht z.B. ein Gerichtsmediziner aus Köln, der im Interview lieber anonym bleiben möchte, Rede und Antwort.
"Wir sehen sehr viele Menschen, die verstorben sind, in sehr unterschiedlichen Stadien der Vergängnis, abhängig von Jahreszeit, Umgebung, Liegezeit, draußen, im Wasser, in der Wohnung. Wobei wahrscheinlich die Fälle, die - weiß ich nicht, im Fernsehen, wo eine Leiche gefunden wird, die besonders schrecklich aussieht – das sind die Fälle, wo man am leichtesten abschalten kann, weil da ist die Entfernung zum Leben am größten eigentlich."
"Meine Mutter, als sie gestorben war, hab ich sie mir angeguckt und die war so wie nur weggeschlafen oder so. Und mein Vater, als der gestorben ist, der war sowas von mausetot. Gibt's da ne Erklärung für?"
Die Gäste sprechen mit dem Experten, sie tauschen Erfahrungen aus, aber auch Fragen, Ängste, Hoffnungen. Bei einigen Terminen lagen auf den Tischen Fragebögen aus – als Anregung zur Diskussion.
"Welche Musik soll auf deiner Beerdigung geschrieben werden und warum? Eine Frage war, das wollten wir total gerne wissen: Was würdest du auf einer Trauerkarte lesen wollen?"
"Was mich sehr beeindruckt hat, die Formulierung einer Frau, mit der ich heute gesprochen hab: Alles ist: Der Sturm, das Meer, die Erde, der Schlaf, der Traum, das Werden - alles ist."
"Ich fand das total schön, (...) dass man auch alle Gefühle haben darf, und dass man lachen darf und dass das alles sein darf."
"Ich hab einen Totenzettel entworfen, für mich. Ob er so sein wird, das weiß ich natürlich nicht, denn das ist eine Sache, die meine Frau entscheiden müsste, wenn sie dann noch lebt - im Augenblick ringen wir darum, wer der erste ist, der gehen muss."