Wo Israels Revolutionäre Kaffee tranken
Das Café Ta'amon war Jahrzehnte der wichtigste Treffpunkt der Linken in Jerusalem. Michael Teutsch hat ihnen mit dem Dokumentarfilm "Café Ta'amon" ein Denkmal gesetzt. Auch für die schwarzen Juden, damals die Black Panther, die immer noch gegen Rassismus kämpfen.
Susanne Burg: Am Donnerstag kommt ein Dokumentarfilm ins Kino, der sich einem sehr besonderen Ort in Israel widmet: dem Café Ta'amon in der King George Street in Jerusalem. Ein Café mit einer langen Geschichte, eröffnet 1936 von deutsch-jüdischen Emigranten im damaligen Palästina. 1960 kaufte Mordechai Kopp das Café, und es wurde ein Treffpunkt für israelische Intellektuelle und politische Aktivisten. Der Film beschreibt diesen politisch-kulturellen Mikrokosmos, in dem sich auch das größere Weltgeschehen widerspiegelt, wie zum Beispiel die Diskussion um den Sechs-Tage-Krieg und die Politik Israels. Der Film "Café Ta'amon" stammt von einem Deutschen, von Michael Teutsch, und er ist für uns in ein Studio in München gegangen. Guten Tag, Herr Teutsch!
Michael Teutsch: Ich grüße Sie, Frau Burg!
Burg: Was verbindet Sie mit Israel? Warum wollten Sie gerade über dieses Café einen Film machen?
Teutsch: Ich war eingeladen 2007 in Ashkelon im Süden mit einem Film "Von der Hölle ins Paradies", den habe ich dort gezeigt, auch ein Dokumentarfilm über eine alte Dame in London, eine Pianistin, weltälteste Pianistin und die älteste Shoah-Überlebende. Und nachdem der Film dort gezeigt wurde, bin ich mit dem Bus nach Jerusalem gefahren, weil ich dachte, wenn ich schon mal da bin – das war das erste Mal, dass ich in Israel war –, dann fahre ich sicherlich auch nach Jerusalem, um mir diese Stadt anzuschauen. Das war eine sehr interessante Begegnung, weil es war Herbst und nass und Regen, und ich war quasi allein in der Altstadt, habe das sehr genossen, bin dann durchgefroren und durchgeregnet durch Zufall in ein kleines Café geraten, trank da Café, der gut schmeckte. Die Leute waren freundlich. Ein winziges Café. Und nachdem man dort so nett war, bin ich die drei Tage, die ich dann noch in Jerusalem verbrachte, jeden Tag dort gewesen. Unterhielt mich dann mit Gästen, mehrfach ältere Menschen, noch Emigranten aus der Faschistenzeit in Deutschland.
Michael Teutsch: Ich grüße Sie, Frau Burg!
Burg: Was verbindet Sie mit Israel? Warum wollten Sie gerade über dieses Café einen Film machen?
Teutsch: Ich war eingeladen 2007 in Ashkelon im Süden mit einem Film "Von der Hölle ins Paradies", den habe ich dort gezeigt, auch ein Dokumentarfilm über eine alte Dame in London, eine Pianistin, weltälteste Pianistin und die älteste Shoah-Überlebende. Und nachdem der Film dort gezeigt wurde, bin ich mit dem Bus nach Jerusalem gefahren, weil ich dachte, wenn ich schon mal da bin – das war das erste Mal, dass ich in Israel war –, dann fahre ich sicherlich auch nach Jerusalem, um mir diese Stadt anzuschauen. Das war eine sehr interessante Begegnung, weil es war Herbst und nass und Regen, und ich war quasi allein in der Altstadt, habe das sehr genossen, bin dann durchgefroren und durchgeregnet durch Zufall in ein kleines Café geraten, trank da Café, der gut schmeckte. Die Leute waren freundlich. Ein winziges Café. Und nachdem man dort so nett war, bin ich die drei Tage, die ich dann noch in Jerusalem verbrachte, jeden Tag dort gewesen. Unterhielt mich dann mit Gästen, mehrfach ältere Menschen, noch Emigranten aus der Faschistenzeit in Deutschland.
Die haben mir schon so ein bisschen was erzählt, aber nichts über das Café. Und im Flugzeug schrieb ich schon was, hab gedacht, da musst du was drüber machen. Kam nach München, hab hier jüdische Freunde, und eine Frau, die Lola Horowitz war das, kann ich ruhig sagen, die war nämlich damals in den Siebzigern, Achtzigern Stammgast im Ta'amon. Und die erzählte mir also in short die Geschichte des Ta'amon. Und danach war ich entbrannt für die Geschichte, und dann konnte sie mir auch viele Namen geben, und ich hab von hier recherchiert und bin dann 2008, das erste Mall alleine nach Jerusalem, Kamera, Ton. Ich war ja 30 Jahre freier Kameramann, und trotzdem ist es nicht so einfach, wenn man Interviews macht, alles selber machen. Aber ich hab es gemacht, war dort, hab viele Menschen interviewt und viel Interessantes gehört.
Burg: Ja. Die Sie interessanterweise aber auch größtenteils nicht im Café Ta'amon interviewt haben.
Teutsch: Das ist richtig. Das habe ich auch gefragt. Die alten Linken – es ging ja hauptsächlich um die alten Linken der Bewegung Matzpen und The Black Panthers of Israel. Und die haben gesagt, wir mussten uns auch weiterentwickeln. Wir sind zwar politisch, da wo wir waren. Wir mussten nur auch irgendwie irgendwann mal anfangen zu arbeiten. Also, der eine Stammgast ist Rechtsanwältin geworden, der andere ist ein berühmter Anwalt auch, und Autoren, Ärzte – also man hat sich weiterentwickelt?
Burg: Warum war das eigentlich das Café, wo man sich damals in den 60er-, 70er-Jahren getroffen hat? Warum ist ausgerechnet das Café Ta'amon dazu geworden, zu diesem Treffpunkt?
Burg: Ja. Die Sie interessanterweise aber auch größtenteils nicht im Café Ta'amon interviewt haben.
Teutsch: Das ist richtig. Das habe ich auch gefragt. Die alten Linken – es ging ja hauptsächlich um die alten Linken der Bewegung Matzpen und The Black Panthers of Israel. Und die haben gesagt, wir mussten uns auch weiterentwickeln. Wir sind zwar politisch, da wo wir waren. Wir mussten nur auch irgendwie irgendwann mal anfangen zu arbeiten. Also, der eine Stammgast ist Rechtsanwältin geworden, der andere ist ein berühmter Anwalt auch, und Autoren, Ärzte – also man hat sich weiterentwickelt?
Burg: Warum war das eigentlich das Café, wo man sich damals in den 60er-, 70er-Jahren getroffen hat? Warum ist ausgerechnet das Café Ta'amon dazu geworden, zu diesem Treffpunkt?
Teutsch: Das ist eine gute Frage. Ich hab die alten linken Revolutionäre auch gefragt. Und die waren vorher in einem anderen Café in Tel Aviv, und da sind sie irgendwann rausgeflogen, weil da – na ja, sie waren halt jung und dynamisch und extrem. Und da flogen sie raus und suchten ein neues Zuhause, und ausgerechnet – ja, da kann ich sagen, Zufall –, finden sie dieses kleine Café und haben sich dort also getroffen, haben ihre Versammlungen abgehalten, haben besprochen, wo die Demos hingehen. Und interessanterweise war ja der Besitzer, Mordechai Kopp, damals ja noch ein Mann in den besten Jahren, kräftig, und war ein sehr, sehr konservativer Rechter, aber offensichtlich sehr, sehr tolerant. Und diese Toleranz von Mordechai Kopp in den Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern wird heute noch gerühmt von den Revolutionären.
Burg: Und eben die politische Linke traf sich da. Ist der Film für Sie damit auch eine Erinnerung an diese politische Linke in Israel, von der man jetzt nicht mehr so viel hört?
"Ich wollte einen Erinnerungsstein für die Linken setzen"
Teutsch: Ja. Ich wollte einen Erinnerungsstein, einen Meilenstein setzen für die Linken, die zwar heute noch da sind, aber nicht mehr so – natürlich, sind ja auch ältere Herrschaften mittlerweile, die mir heute noch sagen, wir haben vor 40 Jahren schon dasselbe gesagt, was wir heute sagen: dass die Besatzung aufgegeben werden muss und dass es zwei Staaten geben muss. Manche von den Matzpen-Leuten wollten nur eine Ein-Staaten-Lösung, aber es gibt unterschiedliche Modelle. Ich war ja mit dem Film ziemlich viel eingeladen, auch auf Filmfestivals. Und sehr, sehr oft werde ich gefragt, natürlich vornehmlich von jüdischen Zuschauern, die sagen, ja, warum machst du denn nur was über die Linken? Da gab es doch auch Rechte. Na ja, hab ich gesagt, natürlich gab es auch Rechte, aber mein Ansatz war, über die Linken was zu machen. Und in Israel, über die Rechten wird genug gemacht und Israel hat eine rechte Regierung, da muss ich nicht kommen und noch was über die Rechten machen.
Burg: Im Film werden ja auch immer wieder die israelischen Schwarzen Panther erwähnt. Man denkt natürlich sofort erst mal beim Schwarzen Panther an die US-amerikanischen Schwarzen Panther. Welche Bedeutung hatten diese israelischen Schwarzen Panther eigentlich politisch?
Teutsch: Ja, die haben sich also schon vom Namen her angelehnt an das Amerikanische und haben versucht, das auch so von der Struktur zu erfüllen. Die Panther setzten sich hauptsächlich zusammen aus Menschen, die zugereist, aber auch zugereist wurden von der israelischen Regierung. Da kamen ja Äthiopier, da kamen Menschen aus dem Iran, aus dem Irak, aus Nordafrika. Und die wurden bis heute noch – und jetzt hat man kürzlich ganz aktuell ja gesehen, wie die äthiopischen Menschen, die dort leben, sich Schlachten mit der Polizei geliefert haben, weil die nie so angekommen sind im Land, wie sie sich das gewünscht haben oder wie auch die israelische Regierung, die sie quasi ins Land transportiert haben und gelockt haben, ihnen versprochen hatte.
Das waren immer Menschen zweiter Klasse, a) die Hautfarbe, b) wurde dann natürlich auch immer diskutiert, können Schwarze überhaupt Juden sein? Und die haben also wirklich sehr schlecht gelebt. Irgendwann hatten die die Schnauze voll und haben dann diese Black Panthers gegründet und sind auf die Straße. Und sonderlich viel hat sich an der Situation dieser schwarzen Juden, dieser Zugereisten nicht geändert, nicht zum Besseren. Was ich leider nicht geschafft habe: Zu der Zeit, als sich die Matzpen-Leute, also die extrem Linken dort versammelten, kamen auch Araber in dieses Café, man ist gut miteinander ausgekommen…
Burg: Die kommen nicht zu Wort in dem Film.
Teutsch: Die kommen nicht zu Wort, weil ich sie nicht – ich hab zwei aufgetrieben, die ich aber nie vor die Kamera geschafft habe, weil der eine war Rechtsanwalt, der war in Ostjerusalem, und einer war in London, den hab ich auch nicht – das ist traurig, aber ich hab es nicht geschafft.
Burg: Schade. Denn die Perspektive wäre natürlich auch interessant gewesen, weil es ja ein Ort war, wo wirklich viel diskutiert wurde. Und insofern wäre das eine interessante Perspektive gewesen. Seit 2013 ist das Café geschlossen, der Besitzer ist nun nach 43 Jahren auch mal in den verdienten Ruhestand gegangen. Der Fakt, dass es geschlossen ist, ist das auch ein bisschen im übertragenen Sinne das Bild für den politischen Stillstand in Israel?
Burg: Im Film werden ja auch immer wieder die israelischen Schwarzen Panther erwähnt. Man denkt natürlich sofort erst mal beim Schwarzen Panther an die US-amerikanischen Schwarzen Panther. Welche Bedeutung hatten diese israelischen Schwarzen Panther eigentlich politisch?
Teutsch: Ja, die haben sich also schon vom Namen her angelehnt an das Amerikanische und haben versucht, das auch so von der Struktur zu erfüllen. Die Panther setzten sich hauptsächlich zusammen aus Menschen, die zugereist, aber auch zugereist wurden von der israelischen Regierung. Da kamen ja Äthiopier, da kamen Menschen aus dem Iran, aus dem Irak, aus Nordafrika. Und die wurden bis heute noch – und jetzt hat man kürzlich ganz aktuell ja gesehen, wie die äthiopischen Menschen, die dort leben, sich Schlachten mit der Polizei geliefert haben, weil die nie so angekommen sind im Land, wie sie sich das gewünscht haben oder wie auch die israelische Regierung, die sie quasi ins Land transportiert haben und gelockt haben, ihnen versprochen hatte.
Das waren immer Menschen zweiter Klasse, a) die Hautfarbe, b) wurde dann natürlich auch immer diskutiert, können Schwarze überhaupt Juden sein? Und die haben also wirklich sehr schlecht gelebt. Irgendwann hatten die die Schnauze voll und haben dann diese Black Panthers gegründet und sind auf die Straße. Und sonderlich viel hat sich an der Situation dieser schwarzen Juden, dieser Zugereisten nicht geändert, nicht zum Besseren. Was ich leider nicht geschafft habe: Zu der Zeit, als sich die Matzpen-Leute, also die extrem Linken dort versammelten, kamen auch Araber in dieses Café, man ist gut miteinander ausgekommen…
Burg: Die kommen nicht zu Wort in dem Film.
Teutsch: Die kommen nicht zu Wort, weil ich sie nicht – ich hab zwei aufgetrieben, die ich aber nie vor die Kamera geschafft habe, weil der eine war Rechtsanwalt, der war in Ostjerusalem, und einer war in London, den hab ich auch nicht – das ist traurig, aber ich hab es nicht geschafft.
Burg: Schade. Denn die Perspektive wäre natürlich auch interessant gewesen, weil es ja ein Ort war, wo wirklich viel diskutiert wurde. Und insofern wäre das eine interessante Perspektive gewesen. Seit 2013 ist das Café geschlossen, der Besitzer ist nun nach 43 Jahren auch mal in den verdienten Ruhestand gegangen. Der Fakt, dass es geschlossen ist, ist das auch ein bisschen im übertragenen Sinne das Bild für den politischen Stillstand in Israel?
"Das war ganz was Besonderes, das gibt es nicht mehr!"
Teutsch: Ja, kann man sagen. Die alten Linken haben halt gesagt, ja, wir haben vor 40 Jahren das schon gesagt und propagiert, und es hat sich nichts geändert. Damals sind wir halt auf die Straße, haben demonstriert. Wir sind sehr, sehr hart bestraft worden von der Polizei, also sehr hart, wirklich. Die Demos wurden erbarmungslos zusammengeknüppelt. Aber man ist schon teilweise, das muss ich sagen, teilweise ist es eine Resignation, die auch manchmal traurig macht, ja.
Burg: Was ist denn jetzt in dem Café?
Teutsch: Ach Gott. 2013 geschlossen. Ich war dann 2014 in Jerusalem, und da gab es eine kleine Kaffeehauskette, die heißen "Link", und die haben das Café wunderschön restauriert, das war wirklich – also, es war nichts mehr von dem Alten, kaum noch was zu sehen. Völlig anders, aber sehr liebevoll, sehr schön, aber die Jerusalemer haben es nicht angenommen, und was, glaube ich, einer der wichtigsten Punkte ist, dass die alten Emigranten und die alten Menschen dort nicht mehr reingegangen sind. Weil im alten Ta'amon war es so, wenn einer länger nicht kam, dann hieß es sofort, wo ist denn der oder die, ach, der ist vielleicht krank. Dann hat Mordechai Kopp da Freunde oder andere Emigranten haben den alten Menschen Essen vorbeigebracht, was sie aus dem Ta'amon mitbrachten. Also da war eine Zusammengehörigkeit, das war ganz was Besonderes, das gibt es nicht mehr. Das ist vorbei.
Burg: Eine Erinnerung an das Café Ta'amon von Michael Teutsch. Ab Donnerstag läuft der Film bei uns in den Kinos. Vielen Dank, Michael Teutsch!
Teutsch: Es war mir eine Freude. Danke schön!
Burg: Und in der kommenden Woche wird es hier im Programm vom Deutschlandradio Kultur mehr Gespräche zu Israel geben, anlässlich des 50. Jahrestages der Deutsch-Jüdischen Beziehungen. Am Dienstag wird es dann einen ganzen Thementag geben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Burg: Was ist denn jetzt in dem Café?
Teutsch: Ach Gott. 2013 geschlossen. Ich war dann 2014 in Jerusalem, und da gab es eine kleine Kaffeehauskette, die heißen "Link", und die haben das Café wunderschön restauriert, das war wirklich – also, es war nichts mehr von dem Alten, kaum noch was zu sehen. Völlig anders, aber sehr liebevoll, sehr schön, aber die Jerusalemer haben es nicht angenommen, und was, glaube ich, einer der wichtigsten Punkte ist, dass die alten Emigranten und die alten Menschen dort nicht mehr reingegangen sind. Weil im alten Ta'amon war es so, wenn einer länger nicht kam, dann hieß es sofort, wo ist denn der oder die, ach, der ist vielleicht krank. Dann hat Mordechai Kopp da Freunde oder andere Emigranten haben den alten Menschen Essen vorbeigebracht, was sie aus dem Ta'amon mitbrachten. Also da war eine Zusammengehörigkeit, das war ganz was Besonderes, das gibt es nicht mehr. Das ist vorbei.
Burg: Eine Erinnerung an das Café Ta'amon von Michael Teutsch. Ab Donnerstag läuft der Film bei uns in den Kinos. Vielen Dank, Michael Teutsch!
Teutsch: Es war mir eine Freude. Danke schön!
Burg: Und in der kommenden Woche wird es hier im Programm vom Deutschlandradio Kultur mehr Gespräche zu Israel geben, anlässlich des 50. Jahrestages der Deutsch-Jüdischen Beziehungen. Am Dienstag wird es dann einen ganzen Thementag geben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.