Can Dündars Comic über Erdoğan

Vielschichtiges Porträt eines Feindes

07:59 Minuten
Can Dündar blickt lächelnd in Richtung des Betrachters.
Can Dündar droht bei der Rückkehr in seine türkische Heimat eine langjährige Haftstrafe. © imago / epd / Jürgen Blume
Frederik Richter im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Audio herunterladen
Der Journalist Can Dündar hat den Comicband "Erdoğan" veröffentlicht. Darin zeigt er den Aufstieg des türkischen Präsidenten zur Macht. Journalist Frederik Richter sieht in der Graphic Novel ein vielversprechendes neues Medium für Journalismus.
Seit über fünf Jahren lebt der türkische Journalist Can Dündar, langjähriger Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, im deutschen Exil. Mit seiner kritischen Berichterstattung über die Politik des Präsidenten Erdoğan und der AKP-Partei hatte er sich in seiner Heimat mächtige Feinde geschaffen. Wegen angeblicher Spionage und Terrorunterstützung wurde er dort in Abwesenheit zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Gemeinsam mit dem Recherchezentrum Correctiv hat er in Deutschland das deutsch-türkische Online-Magazin Özgürüz gegründet. Es betreibt Social Media-Kanäle, ein Webradio und seit Neuestem auch einen Verlag. Als dessen erste Veröffentlichung ist die Graphic Novel "Erdoğan" erschienen.

Verknüpfung des Persönlichen und des Politischen

In dem Buch zeichnen Dündar und der aus Ägypten geflohene Karikaturist Mohamed Anwar die Lebensgeschichte des türkischen Präsidenten nach. Das Porträt sei sehr vielschichtig ausgefallen, sagt Correctiv-Mitarbeiter Frederik Richter, ehemaliger Reuters-Nahostkorrespondent und Autor des Buches "Geheimsache Korruption".
Die Biografie beginne mit Erdoğans Kindheit und dem schwierigen Verhältnis zum Vater, mit der Gewalt, die er dort erlebt habe, und zeichne dann sein Leben weiter. "Das Wesen des Buches ist, dass es die persönliche Ebene, das Leben von Erdoğan mit der Geschichte der Türkei in den letzten 30 bis 40 Jahren verknüpft."
Dündar sei es wichtig gewesen, dass man das Buch nicht als persönliche Abrechnung sehe, denn schließlich sei er eine Hassfigur des Regimes, sagt Richter. "Ich glaube, dass das im Großen und Ganzen gelungen ist, dass man wirklich bei den Fakten geblieben ist."

Die Kritikerin Luise Sammann findet die 320 Seiten "sehr, sehr kurzweilig" [AUDIO]. "Man braucht für jede Seite nur ein paar Sekunden", sagt Sammann. "Und trotzdem kommt man dem türkischen Präsidenten so nah wie sonst eigentlich nie." Das liege auch daran, dass das Buch genau die Zeit von Erdoğans Lebens beleuchte, bevor er zu einer politischen Größe geworden ist. "Man erfährt, wie er als Kind unter seinem strengen und auch gewalttätigen Vater leidet und versteht dann da heraus, wie er zu diesem Kämpfer geworden ist, als den wir ihn heute kennen."

Graphic Novel als Medium für Journalismus

Man habe nur das gemacht, was man auch recherchieren konnte und was verbürgt sei, sagt Frederik Richter. Dabei habe die visuelle Recherche auch eine große Rolle gespielt, beispielsweise die Frage, wie Erdoğan als junger Mann ausgesehen habe, weil der Künstler und Karikaturist Mohamed Anwar vorher noch nicht über die Türkei gearbeitet habe und deswegen darauf angewiesen gewesen sei.
"Graphic Novel ist ein gutes Medium für politischen Journalismus, auch für Recherchejournalismus. Das versuchen wir bei Correctiv auch schon seit einigen Jahren. Eine unserer ersten Veröffentlichungen war die Graphic Novel Weiße Wölfe über eine rechte Terrorzelle, und die Resonanz auf diese Arbeit ist eigentlich immer sehr positiv".
Mit Graphic Novels könne man dem Journalismus ein neues Publikum erschließen und ihn damit stärken, glaubt Richter.

Erdoğan
Autor: Can Dündar
Zeichnungen: Mohamed Anwar
Correctiv Verlag, Essen 2021
320 Seiten, 25 Euro

Mehr zum Thema