Candice Fox: "Fall"

Das Böse siegt immer

Candice Fox: Fall
Candice Fox: Fall © picture alliance / dpa / Thorsten Blackwood; Suhrkamp
Von Sonja Hartl |
Eine Polizistin, die selbst mordet, ihr Partner, der zu viel über sie weiß - und ein Serienmörder, der hübsche Joggerinnen umbringt: Candice Fox bringt mit "Fall" die Trilogie um ihr Ermittler-Duo Eden Archer und Frank Bennett zu einem düsteren Ende.
Es konnte ja nicht gut ausgehen mit Eden Archer und Frank Bennett, dem ungleichen Polizisten- und Hauptfiguren-Duo in Candice Fox' Trilogie. Im ersten Teil "Hades" hat die hochbegabte, scheinbar emotionslose Eden, die in ihrer Freizeit Verbrecher tötet, ihren Bruder ermordet, damit Frank leben kann. Im darauffolgenden "Eden" versuchte dieser durchschnittliche talentierte, gutmütige Gelegenheitsmacho mit einem Hang zu Pillen und Alkohol, seine traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten und zugleich weiterhin mit Eden zusammenzuarbeiten - bis sie arg lädiert von einem Undercover-Einsatz zurückkehrte.
Im letzten Teil der Archer-Trilogie nun, sowohl im Englischen als auch Deutschen hintersinnig mit "Fall" betitelt, bekommen die beiden es nicht nur mit einem Killer zu tun, der hübsche Joggerinnen reihenweise ermordet, sondern Eden muss die Folgen ihrer Verwundung verarbeiten und Frank wird endlich zusehends bewusst, dass Eden auch ihn eines Tages töten muss, weil er einfach zu viel über sie weiß - auch über ihre Vergangenheit und ihre wahre Identität. Aber ausgerechnet Franks neue Freundin, die narzisstische Psychologin Imogen, hat sich in den Kopf gesetzt, Edens Herkunft zu enthüllen. Und dann gibt es noch die junge Hackerin Hooky, für die Frank fast väterliche Gefühle hegt, die der Polizei hilft und sowohl Imogen als auch Eden in die Quere kommt.

Candice Fox ist eine Kennerin des Genres

Er habe keine der Frauen in seinem Leben unter Kontrolle, konstatiert Frank in einem seiner seltenen erkenntnisreichen Momente - und genauso ist es. Während er nach dem Täter sucht, bei dem Eden, Imogen und Hooky längst davon ausgehen, dass er eine Frau ist, und versucht, sowohl den Ansprüchen seiner Freundin zu genügen als auch mit seinen widerstreitenden Gefühlen gegenüber Eden zurechtzukommen, nehmen die Ereignisse an Tempo zu. In "Fall" ist es indes weniger die Jagd nach der Serienmörderin, die für Spannung sorgt, als vielmehr die Zusammenführung der in den vorigen Bänden entwickelten Handlungsstränge.
Dabei zeigt sich Candice Fox abermals als Kennerin des Genres. Sie weiß, was sie tut, aber sie begnügt sich niemals mit einem Trend oder einem vermeintlich erfolgreichen Muster, sondern geht einen Schritt weiter. Eden Archer passt fraglos zu dem Trend zu Täterinnen in der Kriminalliteratur, auch klingt ein Doppelleben als Polizistin und Mörderin sehr nach Superheldin. Aber dieses Verhalten ist kein Accessoire, sondern ein aus einer inneren Notwendigkeit entstandener Charakterzug. Hier erweist sich auch das nur auf den ersten Blick schematische Erzählmuster, in dem der Täter, Eden, ihr Ziehvater Hades und Frank eigene Erzählstränge erhalten, als unabdinglich: Indem Eden aus Franks Ich-Perspektive zu erleben ist, wird sie geerdet - und menschlich. Außerdem wird dadurch auch Franks Dilemma offenkundig: Er und viele andere Menschen profitieren von Edens Morden und verurteilen ihre Taten dennoch.

Jeder kann zum Serienmörder werden

Auch in den Fällen, in denen Eden und Frank ermitteln, wird nur scheinbar Krimi-Standardware geliefert: Sicherlich werden Frauen entführt, gequält und ermordet. Aber diese Taten und die Einsichten in die Täter fügen eine entscheidende Facette hinzu, so dass die Bücher zu einer komplexen Abhandlung über das Böse werden, über diese alles verschlingende Macht, die früher oder später jeden in den Abgrund zieht und deren Gewalt und Hass schon in der Sprache dieser Romane steckt.
Jedes Buch, jeder Fall, jeder Einsatz bringt physische und psychische Verletzungen und Veränderungen mit sich - für Eden und Frank. Deshalb dreht sich die Abwärtsspirale über drei Romane immer weiter. Dabei gelingt es Candice Fox, durch die Erzählhaltung und die geschickte Mischung verschiedener Subgenres sowohl dem Serienkillerroman neue Seiten abzugewinnen als auch letztlich über drei Bücher in ein ebenso zwangsläufiges wie perfides Ende zu überführen. Bei Candice Fox kann jeder zum Mörder beziehungsweise Serienmörder werden, solange er ausreichend traumatisiert ist. So siegt das Böse auf die eine oder andere Art immer.

Candice Fox: "Fall"
Aus dem australischen Englisch von Anke Caroline Burger
Suhrkamp, Berlin 2017
470 Seiten, 15,95 Euro

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