Captain Phillips
USA 2012
Regie: Paul Greengrass, Buch: Billy Ray
Länge: 134 Minuten
"Captain Phillips"
In "Captain Phillips" fährt Tom Hanks zur See. Er ist der Boss eines US-Containerschiffes und wird von somalischen Piraten überfallen. Und er überzeugt, so dass er und mit ihm der britische Regisseur Paul Greengrass Anwärter für einen Oscar sind.
Durften wir eben noch Cate Blanchett in dem neuen Woody-Allen-Film "Blue Jasmine" als die weibliche Hauptdarsteller-Kandidatin für die 2014er Oscar-Verleihung entdecken, so befindet sich im kommenden Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit auch Tom Hanks als Hauptdarsteller wieder mal im auserwählten Kandidatenkreis – mit diesem anfangs nüchternen und in der Endphase schier unglaublich eindringlichem Part als Titelfigur: US-Kapitän zur See Richard Phillips.
Zunächst aber zum nächsten Oscar-Regie-Kandidaten: Paul Greengrass. "Captain Phillips" ist das vorläufige Meisterstück des 58-jährigen britischen Regisseurs. Er greift einen wahren Fall aus dem April 2009 auf. In Oman macht sich Kapitän Richard Phillips daran, das 150 Meter lange, voll beladene, unter US-Flagge gesetzte Containerschiff "Maersk Alabama" mit seiner unbewaffneten 20-Mann-Crew zu übernehmen. Zielort: Kenia. Wir vernehmen nebenbei den kurzen Hinweis, dass es zwar inzwischen "lose Piratenwarnungen" gibt, aber mit dem beruhigenden Hinweis, dass es rund 200 Jahre her ist, dass "so etwas" hier passiert ist.
Zur selben Zeit in einem bettelarm und chaotisch anmutenden somalischen Fischerdorf: In Limousinen tauchen die "Bulldoggen" von Warlords auf. Eine klare Ansage an die hungrigen Einheimischen, einen Piratenüberfall auf die "Maersk Alabama" zu verüben. Sowohl die Technik als auch die dürftig geflickten Schnellboote haben eigentlich keine Chance gegen diesen überdimensionalen Frachter, aber ihr ausgemergelter, energischer Anführer Muse überwindet mit seiner kleinen, vierköpfigen Gruppe sämtliche Hindernisse und vermag tatsächlich das gigantische Ami-Schiff zu kapern. Dieses Ereignis hätte leicht als "vorbildliche amerikanische Heldentat" verramscht werden können. Das passiert aber nicht.
Ein total fesselnder Thriller
Autor Billy Ray, Regisseur Paul Greengrass sowie sein formidabler Schnitt-Experte Christopher Rouse geben beiden Seiten "fairen Raum". Sie denunzieren niemanden, begleiten die US-Militärs mit gebührendem Abstand und sachlichem Respekt und zeigen die vier Piraten in der Balance zwischen "Terroristen" und Existenzkampf. Natürlich ist es hier kein Duell auf Augenhöhe, aber in der dramatischen, klaustrophobischen Intensität und mit der im Grunde ausweglosen, aber explodierenden, willensstarken Überlebensverzweiflung der Somalier sind sie doch so etwas wie "hochrangige Gegner".
Was hier in der Steigerung von "Immer-Aufregender" abläuft, ist ein total fesselnder Thriller. Und das, obwohl die Details weitgehend bekannt sind. Dabei ist auch Tom Hanks darstellerisch überragend. Er versteht die Emotionen in jedweder Mini- wie Orkan-Phase überzeugend porentief und dabei völlig unheldisch-"heldisch" brillant auszudrücken – vor allem in und mit dieser riesigen Enge, im abgeschotteten Schlauch von Rettungsboot.
Die – unbekannte – Gegenseite wird von in den USA aufgewachsenen Somaliern gleichrangig ausgedrückt, die zum ersten Mal in einem Film mitspielen. Dabei herausragend: Barkhad Abdi als Anführer Muse, kraftvoll, Furcht einflößend in seiner Nervosität, hart, brutal in seinen Überlebensmaximen. Tom Hanks und Barkhad Abdi treten hier als unbändig Entschlossene zweier Welten grandios auf. Ihre Positionen von Handeln, Gegenhandeln, Hektik, Furcht sowie Überforderung und Todesangst sind vollkommen echt. Was für ein wunderbares Kraftfeld der Schauspielerei!