Verkehrswende mit Cargo-Bikes

Emissionsfrei auf der letzten Meile

06:54 Minuten
Eine junge Frau steht vor einem Cargo-Bike.
In Berlin arbeitet das Unternehmen Onomotion mit an der Umstellung auf einen klimafreundlichen Lastenverkehr in der Innenstadt. © Deutschlandradio / Thilo Schmidt
Von Thilo Schmidt |
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Ein XXL-Lastenrad könnte die Paketzustellung in den Städten revolutionieren. Doch sogenannte Cargo-Bikes einfach gegen einen Transporter eintauschen, das reicht nicht: Auch die logistische Infrastruktur muss sich ändern.
Da steht sie, die Ono, das E-Lastenrad des Berliner Startups „Onomotion“. Und es hat eher die Anmutung eines Kleinwagens als die eines Fahrrades. 3,30 Meter lang, 2,05 Meter hoch, 1,16 Meter breit. 25 Stundenkilometer schnell. Reichweite mit einem Akku: 30 Kilometer.
„Wir haben jetzt vor uns ein ganz großes XXL-Lastenfahrrad, was einen Container hat, der abnehmbar ist, und in dem ungefähr zwei Kubikmeter passen, bis zu 200 Kilogramm.“
Inga Töller von Onomotion schwingt sich in die Fahrerkabine, ich mich aufs Trittbrett. Und fährt quer über das Werksgelände. Onomotion hat das Cargo-Bike mit Logistikdienstleistern gemeinsam entwickelt – und es soll nicht weniger als die Lieferung auf der letzten Meile revolutionieren.  
„Damit können wir Radinfrastruktur nutzen, wir können durch Parks fahren.“
Auf der Ladefläche ist ein Container auf Rollen befestigt, groß wie ein Kleiderschrank, mit Schiebetüren auf beiden Seiten.
„Wir haben hier so ein RFID-System, mit dem kann man sowohl das Fahrzeug starten als auch die Klappe öffnen.“

Sogar Möbel werden mit Lastenrad transportiert

Die Onos fahren für Hermes, UPS oder DPD, sie stellen neben Paketen auch Eiscreme, Biokisten und sogar Möbel zu. In mittlerweile zehn deutschen Städten und Ballungszentren haben die E-Lastenräder von Onomotion Dieseltransporter ersetzt.
„Also man muss sich ja auch vorstellen, dass der Umstieg von so einem Transporter, wo es warm ist und wo man drinsitzt, was anderes ist, als wenn man auf einmal auf so ein Cargo-Bike umsteigen soll. Aber auch da haben wir eigentlich ganz positive Erfahrungen gemacht. Wir haben ja auch den Wetterschutz, der ist einmal von oben, von vorne, von einer Seite und von unten.“
Aber – der Wechsel des Verkehrsmittels alleine macht noch keine Revolution auf der letzten Meile. Zwar kann ein Lastenrad unter bestimmten Umständen einen Kleintransporter ersetzen, aber damit ist es nicht getan. Denn die Zustellfahrzeuge starten bislang ihre Touren an den Logistikzentren am Stadtrand.
„Egal, welches Lastenfahrrad man einsetzt, braucht man ein Umdenken in der Infrastruktur. Und in der Logistik für die Prozesse. Wir müssen davon ausgehen, dass wir die letzte Meile der Zustellung, also das ist die, die dann zum Kunden geht, dass wir dafür Mikrodepots brauchen oder Micro-Hubs.“

Zustellung erfolgt von kleinen Depots aus

Mikrodepots, kleine Depots für die Zustellung in drei bis fünf Kilometer Umkreis, können in Parkhäusern eingerichtet werden, die durch den Rückgang des Innenstadthandels nicht mehr ausgelastet sind, an Tankstellen oder als mobile Depots auf Anhängern. Es können einfache Gitterboxen sein oder Ladenlokale mit Sozialräumen für die Mitarbeiter. Und weil die Lastenräder weniger transportieren können, müssen die Fahrer während einer Tour mehrmals zum Mikrodepot zurückkehren – und den Container neu beladen.
Der DPD-Store im Erdgeschoss eines Wohnhauses in Berlin-Friedrichshain. Vorne im Ladenlokal kann man Pakete abgeben, abholen oder einen Kaffee trinken. In einem weiteren Raum: das Mikrodepot.
„Und am Morgen werden dann die Pakete aus dem Depot auf den E-Sprinter geladen, werden dann zum Mikrodepot verbracht. Die Zusteller, die hier in diesem Gebiet unterwegs sind, bekommen hier ihre Pakete, schlagen diese auf die Lastenräder um und gehen dann hier in diesem Gebiet in Zustellung“, sagt Storeleiter Tom Ihrke.
Zum Beispiel mit Ben Schober, er bringt die Waren mit dem Lastenrad zum Kunden.
„Ja, auf jeden Fall. Das ist einer meiner Traumjobs, den ich jetzt endlich wahrnehmen darf.“
Ein bisschen Schulung ist schon nötig, Ono fahren, ist nicht das Gleiche, wie Fahrrad fahren. Das Lastenrad wiegt 325 Kilogramm, ein Schwerlaster auf dem Radweg, sagt Ben Schober. Auf jeden Fall ein Hingucker.
„Man wird sehr oft gefragt, was das jetzt ist, ob das neue E-Mobilität ist, dann erklärt man als Zusteller, wenn man dafür Zeit hat, wie das abläuft. Und die Leute sind wunderbar, sind begeistert davon.“

Bis 2028 neun mal soviele Pakete wie heute

Dass die Paketzustellung mit dem Lastenrad sinnvoll ist, macht diese Gleichung deutlich – Sven Scholz, bei DPD Teamleiter Zustellung in Berlin-Mitte.
„Mehr als 60 bis 70 Kilometer fährt ein Transporter in der Stadt am Tag nicht. / Wenn man die Anfahrt zum Depot abzieht, bleiben noch zehn das auch nur noch zehn, 20 Kilometer? / Ganz genau.“
Bis 2025 will DPD in 23 deutschen Großstädten die Zustellung auf der letzten Meile komplett auf Elektromobilität umstellen, einen Gutteil davon auf Lastenräder.
Dafür müssen die Städte aber fahrradfreundlich werden, sagt Jens Hilgenberg, der beim Bund für Umwelt und Naturschutz den Bereich Verkehrspolitik leitet.
„Was entscheidend ist: Dass sich in den Stadtverwaltungen jemand des Problems annimmt, des Problems der zugeparkten Radwege, der zugeparkten Fußwege, des enorm steigenden Verkehrsaufkommens durch die Zunahme an Onlinebestellungen, an Onlinelebensmittelbestellungen. Da muss sich jemand in der Stadtverwaltung bewusst sein, dass das ein Problem ist, und er muss dieses Problem lösen wollen.“
Ebenfalls von der Straße verschwinden könnten irgendwann die Transporte von den Depots zu den Mikrodepots. In Städten mit Straßenbahnnetz könnten Cargo-Trams, Güterstraßenbahnen die mittlere Meile bedienen.
„Dass wir tatsächlich mit Straßenbahnen Päckchen zu den Mikrodepots bringen. Das ist aber noch ein bisschen Zukunftsmusik, da gibt es erste Pilotprojekte. Aber ich kann mir das sehr gut vorstellen.“
Der Onlinehandel steigt nicht erst seit der Corona-Pandemie rasant an. Nach einer Studie des Bundesverbandes Paket und Logistik werden 2028 neun Mal so viele Pakete verschickt werden wie 2018. Besonders zu nimmt dabei der innerstädtische Güterverkehr.

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