Zurück nach Kabul - so schnell es geht
33:33 Minuten
Stefan Recker hat als Entwicklungshelfer die Welt kennengelernt. Heute leitet er das kürzlich evakuierte Caritas-Büro in Kabul. Von zwölf Projekten laufen derzeit nur zwei. Wie es weitergeht, weiß er nicht: "In Afghanistan ist nichts vorhersehbar."
Mit kaum mehr als Flipflops an den Füßen, einer Aktentasche und einer Wechselunterhose hat Stefan Recker Afghanistan im August verlassen. Doch er will "so schnell es geht" zurück nach Kabul, wo er das Büro der Caritas leitet.
"Ich wollte selbst nicht unbedingt raus"
"Ich wollte selbst nicht unbedingt raus", sagt er. Nicht zuletzt, weil er 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien zurücklassen musste. Doch die Lage in Kabul wurde auch für ausländische Hilfsorganisationen brenzlig.
Mit seinem Büro hält Stefan Recker, der mittlerweile in Deutschland ist, ständig Kontakt. Die Mitarbeitenden seien besorgt und berichteten von aggressiven Patrouillen der Taliban auf den Straßen.
Von zwölf Projekten könnten derzeit nur zwei weitergeführt werden, eines gegen Lepra und eines für orthopädische Prothesen. Die Caritas kommt - wie viele andere Organisationen auch - nur begrenzt an die Gelder auf ihrem Konto. Außerdem trauten sich vor allem die Mitarbeiterinnen nicht mehr auf die Straße und ins Büro, sagt Recker.
Schon in den 1990er-Jahren war er als Entwicklungshelfer in Afghanistan. Zu einer Zeit also, als die Taliban schon einmal an der Macht waren. Insgesamt 15 Jahre hat er in dem Land gelebt. Über die schnelle Übernahme Kabuls durch die radikalen Islamisten war er "völlig überrascht": "Ich hätte das so schnell nicht erwartet."
Eine Prognose, wie sich die Lage vor Ort entwickeln wird, wagt er kaum. "In Afghanistan ist nichts vorhersehbar", meint er. Dazu kämen die unklaren Kräfteverhältnisse innerhalb der Taliban. Man wisse derzeit nicht, welches der Lager sich durchsetzen werde.
Stefan Recker, Jahrgang 1963, hat als Entwicklungshelfer auf der ganzen Welt gearbeitet, etwa in Haiti, Kirgistan, Sierra Leone. Nach einem abgebrochenen Architekturstudium absolviert er zunächst eine Lehre als Maurer: "Ich bin nicht der Typ, der sich hinsetzt und lernt." Auf Umwegen kommt er schließlich zur Entwicklungshilfe.
Dabei sei es ihm zunächst gar nicht ums Helfen gegangen: "Ich wollte nicht zur Bundeswehr." Die Entwicklungshilfe gab ihm die Möglichkeit, den Wehrdienst zu umgehen, ohne zu verweigern.
Entwicklungshilfe ist auch ein Geschäft
Recker hat in den ärmsten und gefährlichsten Gegenden der Welt gelebt. Er denkt pragmatisch: Caritas heiße zwar Nächstenliebe "und das machen wir auch", trotzdem sei die Entwicklungshilfe ein Geschäft. "Man muss die Arbeit auch als Arbeit sehen, um sie vernünftig machen zu können", betont er.
Nach 30 Jahren in den unterschiedlichsten Ländern stellt er fest, dass es Dinge gibt, die überall gleich sind: "Man kommt in eine ungeheure Armut. Man hat mit Menschen zu tun, die ganz andere Perspektiven, ganz andere Träume, ganz andere Vorstellungen haben als man selbst." Er selbst passe sich mit der Zeit an die jeweiligen Gegebenheiten an: "Das macht auch einen gewissen Erfolg aus."
(era)