Überfall am Garagentor
Wer in Südafrika zur Oberschicht gehört, der baut sein Haus zu einer Festung aus, um sich vor Überfällen zu schützen. Doch irgendwann muss man sein Haus verlassen, allerdings nur im Auto. Aber: Die wenigen Sekunden, während das Garagentor geöffnet ist, genügen Kriminellen.
Der Morgen-Sound von Parkhurst, einem gehobenen Wohnviertel im Norden Johannesburgs. Ein Auto springt an, kurz darauf öffnet sich knarzend das elektrisch betriebene Garagentor.
Es ist ein Moment, den die Bewohner unter leichter Anspannung angehen. Ein kurzer Moment der Unsicherheit, der Verletzlichkeit. Raus aus der Sicherheit der eigenen, trutzburgartig-gesicherten vier Wände - rein in die raue Realität auf Johannesburgs Straßen. Wo sich Armut und extreme Ungleichheit häufig in Kriminalität Bahn brechen. "Carjacking" oder "Tailgaiting" sind die kriminologischen Fachbegriffe für Raubüberfälle, bei denen Autofahrer vor der heimischen Garage von bewaffneten Gangstern überrascht werden.
Zahl der Autoraube steigt
Dass das Unwohlsein nicht von ungefähr kommt, bestätigt sich fast täglich beim Hören der Radionachrichten.
"Ein Mann hat in seiner Garage im Johannesburger Stadtteil Sandton auf einen mutmaßlichen Räuber geschossen. Der Mann hatte sein Auto in die Garage gefahren und wartete darauf, dass sich das Tor schließt, als ein unbekannter Mann das Tor blockierte und in die Garage eindrang."
Die Zahl der Autoraube ist im vergangenen Jahr laut der Kriminalstatistik um 14 Prozent gestiegen. Die Polizei rät: "Bleiben Sie bei laufendem Motor und geschlossener Autotür im Wagen sitzen, wenn Sie Ihr Garagentor öffnen oder schließen. Räuber sind schneller, als Sie denken."
Die Garage ist in Südafrika nicht nur Unterstellplatz für den Wagen oder Abstellkammer für allerlei Trödel und Tand, sondern eine Sicherheitsschleuse, eine Art Zwischenwelt zwischen dem öffentlichen Raum, wo man verletzlich ist, und dem Eigenheim, wo man sich hinter hohen Mauern samt Elektrozaun, Alarmanlage, Bewegungsmelder und Sicherheitsdienst verbarrikadiert und sicher fühlt.
High-Tech für's Garagentor
Für die südafrikanische Sicherheitsindustrie eine erkleckliche Einnahmequelle. Wer es sich leisten kann, rüstet seine Garage mit Sicherheitstechnik aus, die einer Bank zur Ehre gereichen würde: Infrarot-Kameras innen und außen, Bewegungsmelder, Panikknopf, direkte Leitung zum Sicherheitsdienst.
Dazu leistungsstarke aber flüsterleise Garagentormotoren mit allerlei Hightech: Handsender mit ultrasicherem kodiertem Funksignal und wechselnden Frequenz-Codes. Schließungsautomatik, falls man mal beim Losfahren vergisst, den Knopf zu drücken. Anti-Quetsch-Automatik, damit die Kinder oder Haustiere nicht vom sich schließenden Tor erdrückt werden – wobei die den Räubern in die Hände spielt, weil sie so mit einem simplen Fuß-in-die-Tür-stellen das Schließen des Tores verhindern können.
Dann "hatte ich die Waffe im Gesicht"
Genau das ist der Deutsch-Südafrikanerin Anja Gutmayer passiert, auf der Einfahrt zwischen dem Zufahrtstor zu ihrem Grundstück und der Garage.
"Ich bin reingefahren, direkt in die Garage rein. In der Zwischenzeit haben die das offene Tor gesehen. Das Interessante ist: Das Tor war fast zu, der hat gerade noch seinen Fuß rein machen können. Und dann hat es gestoppt und das Tor ist wieder aufgegangen. Ich habe von alledem nichts mitbekommen. Als ich in der Garage stand und den Motor gerade ausgemacht hatte, hatte ich dann die Waffe im Gesicht. War nicht schön."
Die Räuber haben Anja Gutmayer den Ehering, das Portemonnaie und die Handtasche geklaut. Um solche Situationen zu verhindern, bieten Sicherheitsunternehmen einen Rund-um-die-Uhr-Begleitdienst an. Ein kurzer Anruf genügt, und ein bewaffneter Wächter empfängt einen vor der eigenen Tür, begleitet einen hinein und wartet, bis das Schleusentor in die heimelig-sichere Umgebung geschlossen ist.
Notfalls das Auto als Waffe einsetzen
Anja Gutmayers Mann und ihr Sohn nehmen diese Dienstleistung nicht in Anspruch. Sie haben ihre eigenen, atavistisch-rabiaten Konsequenzen für den Moment der Unsicherheit und Verletzlichkeit in der Schleuse gezogen:
"Was ich total schwachsinnig finde. Die fahren durch das Tor rein. Sobald sie durchgefahren sind, halten sie an, legen den Rückwärtsgang ein, damit – wenn das Tor zu geht und jemand sich noch durch das Tor durchquetscht – sie dann mit voller Wucht rückwärts die Person platt fahren können. Wenn das Tor dann endlich zugegangen ist, dann erst fahren sie in die Garage rein."
Parkhurst am Abend. Die Hausangestellten verlassen die Häuser und eilen zu Fuß zum Sammeltaxi Richtung Township. Kurz darauf erklingt wieder der Sound von Parkhurst – dieses Mal in umgekehrter Reihenfolge: Nach getaner Arbeit kommen die Hausbesitzer angefahren. Ein kurzer Rundum-Blick, dann öffnet ein Knopfdruck das Tor in die gefühlte Sicherheit. Zügig geht es in die Garage, die roten Bremslichter leuchten auf, der Auspuff spuckt weiter Rauch aus, während die Garagentür im gefühlten Zeitlupentempo schließt. Erst wenn auch das letzte Torglied über die Laufschiene nach unten geglitten ist und der elektrische Garagentormotor verstummt, erstirbt im Inneren der Klang des Auto-Motors und man hört das Ploppen der Türen.
Kurz darauf leuchtet ein kleines blaues Licht über der Garagentür auf, das signalisiert: Der Heimkehrer hat sein Auto und die Garage verlassen. Er befindet sich im sicheren Haus und hat die Alarmanlage im Außenbereich scharfgemacht. Die Schleuse hat sich bewährt. Und wird morgen früh wieder in Anspruch genommen.