"Carlos - Der Schakal"

Von Hannelore Heider |
Als Illich Ramiro Sanchez in Venezuela geboren und in der militanten Volksfront für die Befreiung Palästinas als Kämpfer geschult, führt der Terrorismus den charismatischen Carlos rund um den Globus - bis ins Gefängnis.
"Carlos – der Schakal", die Filmbiografie des französischen Regisseurs Oliver Assayas über den meist gesuchten Terroristen der 70er- und 80er-Jahre und damit einen Mythos ist sicher das aufwendigste Filmprojekt dieser Woche. Man kann es wahlweise in der normalen 187 Minuten Kinofassung oder als 5 Stunden Epos in ausgewählten Programmkinos im Original mit deutschen Untertiteln sehen, was bei den internationalen Schauplätzen und dem Sprachengewirr wegen der Authentizität sicher empfehlenswert ist.

Als Illich Ramiro Sanchez in Venezuela geboren und in der militanten Volksfront für die Befreiung Palästinas als Kämpfer geschult, endet Carlos Weg in einem französischen Gefängnis, wo er noch immer alle Taten bestreitet, deren spektakulärste sicher die Geiselnahme auf dem Opec-Ölstaatengipfel in Wien war. Von den militanten Organisationen des Mittleren Ostens verbannt, von Stasi und KGB im Stich gelassen, ausgeliefert von den Sudanern, die ihn lange geschützt hatten, sitzt er noch heute in einem französischen Gefängnis mit lebenslanger Haft.

Es ist ein schillernder Weg um den Globus und eine charismatische, am Ende nicht nur politisch verwahrloste Persönlichkeit, deren Biografie penibel recherchiert vom französischen Regisseur Oliver Assayas auf die große Kinoleinwand gewuchtet wurde. In der Hauptrolle der Venezulaner Edgar Ramirez, an seiner Seite auch deutsche Kinostars wie wie Nora von Waldstätten als seine Frau, Alexander Scheer als deutscher Terrorist Johannes Weinrich oder Julia Hummer.

Ohne das Angebot einer Identifizierung an den Zuschauer spiegelt der Film das Lebensgefühl einer Bewegung, die politisch hoch motiviert begann und in Söldnertum oder Reue, wie bei manchen der hier auftretenden namhaften deutschen Wegbegleitern endete. Sinnlich ist dieser Film, nahe die Kamera an den Protagonisten, kaum überschaubar die Zahl der Schauplätze und die politischen Begehrlichkeiten, denn der linke Terror hatte viele Freunde und Geldgeber diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs. Diese Beziehungen durchschaubar zu machen, ist bei aller Spannung und emotionalen Intensität ein großes Verdienst dieser Filmbiografie, die sie besonders, aber eben nicht nur für politisch Interessierte an sehenswert macht.

Der Überfall auf den OPEC-Gipfel 1975 in Wien stellt einen Wendepunkt in der Lebensgeschichte des Terroristen dar, denn durch die Annahme von Lösegeld für die "Bewegung" lassen ihn nicht nur seine palästinensischen Befehlsgeber fallen. Auch deutsche Wegbegleiter wie Hans-Joachim Klein (Christoph Bach) fallen von ihm ab. Carlos, auf einem seltenen Schnappschuss am Flughafen der Mann mit der Sonnenbrille, wird zum Medienstar und zu einer sehr einsamen Figur.

Belgrad, Ost-Berlin, Budapest, am Ende im Sudan richtet Carlos immer neue Kommandozentralen ein und wird immer gnadenloser gejagt. Das letzte Drittel Filmes zeigt den Niedergang eines Mythos, der freilich immer wieder kluge,entschlossene Menschen mit Idealen in seinen Bann zieht, wie Magdalena Kopp (Nora von Waldstätten), die seine Frau wird, ein Kind mit ihm hat und sich schließlich von ihm lossagt. In seiner Komplexität und mit exzellenten schauspielerischen Leistungen ist "Carlos – Der Schakal" mehr als das Porträt eines Global Players in Sachen Terrorismus, sondern ein faszinierendes Zeitbild, das nicht nur visuell so viel mehr bietet als der Bader-Meinhoff-Film deutscher Couleur.

BRD, Frankreich 2010, Regie: Oliver Assayas, Darsteller: Edgar Ramirez, Alexander Scheer, Nora von Waldstätten, Christoph Bach, Julia Hummer, Katharina Schüttler, Anna Thalbach, Jule Böwe, 187 Minuten (Langfassung 333 Minuten), ab 16 Jahren

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