Carmen Boullosa, Mike Wallace: Es reicht! Der Fall Mexiko. Warum wir eine neue globale Drogenpolitik brauchen
Verlag Antje Kunstmann, München Oktober 2015
288 Seiten, 19,95 Euro, auch als E-Book
Plädoyer für eine neue Drogenpolitik
Korruption, Gewalt, mafiöse Strukturen: Der mexikanische Drogenkrieg wütet wie eh und je. Carmen Boullosa und Mike Wallace sehen nur eine Lösung: Die USA und Mexiko müssen Herstellung und Konsum von Drogen legalisieren. Denn die Prohibition ist ein wesentlicher Teil des Problems.
Vor nunmehr zehn Jahren machte der mexikanische Staat gegen die allgegenwärtigen Drogenkartelle mobil. Lokale Polizeikräfte wurden verstärkt und aufgerüstet, zusätzlich Bundespolizei und Armee eingesetzt, um die staatliche Kontrolle über weite Gebiete zurückzugewinnen.
Gelungen ist das in dem äußerst brutal geführten Drogenkrieg nicht. Die Kartelle sind mächtiger, besser organisiert und bewaffnet denn je. Sie haben die Behörden auf allen Ebenen infiltriert und führen ihren Kampf um Märkte und Einflussgebiete immer rücksichtloser und grausamer.
Freihandelsabkommen NAFTA erleichterte den Schmuggel
Auch der Staat ist nicht zimperlich: Polizisten und Soldaten schießen schnell und fragen später – wenn überhaupt. Und manchmal weiß man nicht, in wessen Auftrag sie gerade handeln. Nicht wenige Staatsbeamte und Soldaten dienen mehreren Herren.
Dass der mexikanische Drogenkrieg keineswegs auf Mexiko beschränkt ist, dass seine internationalen Hintergründe komplex sind, das schlüsseln die mexikanische Schriftstellerin Carmen Boullosa und ihr US-amerikanischer Ehemann, der Kriminalhistoriker Mike Wallace, sehr detailliert auf.
Ihre These: Diesen Krieg haben die USA und Mexiko gleichermaßen zu verantworten. Denn der größte Absatzmarkt für die Drogen sind die USA, ebenso kommen die Waffen, mit denen dieser Krieg geführt wird, zum größten Teil von dort. Der Schmuggel über die gemeinsame Grenze funktioniert bestens, und zwar in beide Richtungen, vor allem seit das amerikanische Freihandelsabkommen NAFTA 1994 in Kraft trat.
Diese Erkenntnisse sind nun nicht neu. Interessant an der Untersuchung von Boullosa und Wallace ist vor allem die historische und ökonomische Dimension der Drogenprohibition. Vor ungefähr hundert Jahren wurden sukzessive Opiate und Coca-Derivate in mehreren Ländern verboten; in den USA kam kurz danach auch noch der Alkohol auf die schwarze Liste, in Mexiko das Marihuana.
Mafiöse Strukturen eine Folge der Prohibition
Die Folge war in beiden Ländern die Entstehung mächtiger mafiöser Strukturen. Boullosa und Wallace schildern, wie herrschende Ideologie, Politik und Wirtschaft den Drogenhandel beeinflussten – und umgekehrt. Besonders anschaulich gelingt ihnen das am Beispiel der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez, die weltweit für ihre unfassbar hohe Zahl an Morden, zumal an Frauen, berüchtigt ist.
Der Schluss, zu dem die Autoren kommen, ist naheliegend: Die Drogenprohibition ist nicht die Lösung, sondern wesentlicher Teil des Problems. Damit stellen sie sich an die Seite zahlreicher Juristen, Wissenschaftler und Kriminalisten in aller Welt, die eine fundamentale Abkehr vom Drogenverbot und staatliche Kontrolle über der Produktion und Vertrieb fordern.