Zuviel Sex? Zensurvorwurf gegen Ankara
Die "Carmina Burana"-Aufführung in der staatlichen Oper im türkischen Izmir wurde am vergangenen Wochenende abgesagt - angeblich aus "technischen Gründen". Doch die türkische Presse vermutet, dem Kulturministerium ginge es darin um zu viel Sex und Alkohol.
Eigentlich sollte Carl Orffs Musikstück "Carmina Burana" am vergangenen Wochenende in der staatlichen Oper der west-türkischen Stadt Izmir Premiere feiern. Doch kurzfristig wurde das Stück abgesetzt, angeblich aus "technischen Gründen". Aber die türkische Presse vermutet: Das sei Zensur gewesen. Das Kulturministerium habe eingegriffen, weil in den Carmina-Burana-Texten Sex, Trinkgelage und Spielsucht beschrieben werden.
Hinter diesem Zwischenfall steckt letztlich der jahrelange Zwist zwischen der islamisch-konservativen Regierung der Türkei und dem berühmtesten Pianisten und Komponisten des Landes, Fazil Say.
Während der bekennende Atheist Fazil Say auf allen Bühnen der Welt Erfolge feiert, ächtet ihn die türkische Kulturpolitik, nimmt seine Werke aus den Spielplänen staatlicher Orchester. So fiel auch Fazil Says Werk mit dem Namen "Nazim-Oratorium" dieser Zensur zum Opfer, vermutlich weil die Texte regimekritisch sind.
Absetzung folgte auf spöttischen Kulturkommentar
Dass sein "Nazim Oratorium" in der vergangenen Woche andernorts, nämlich in Antalya, durch Carl Orffs "Carmina Burana" ersetzt wurde, weckte in dem geächteten Pianisten Fazil Say Häme und Spott. In einer Gast-Kolumne für die Oppositionszeitung "Cumhurriyet" schrieb er: "Die Zensurbeamten des Kulturministers verstehen eben kein Latein. Sonst hätten sie erkannt, wie unschuldig das Nazim-Oratorium im Vergleich zur "Carmina Burana" ist".
Denn, so merkte Fazil Say süffisant an, die "Carmina Burana" verherrliche in manchen Liedtexten das im Islam verbotene Glücksspiel oder den Alkohol; in einem Lied rühmt sich das lyrische Ich gar eines fast zehnstündigen Liebesaktes.
Sofort nachdem diese Kolumne erschienen war, nahm die staatliche Oper von Izmir die "Carmina Burana" aus dem Spielplan. Das Kulturministerium in Ankara schweigt bislang zu dem Vorfall.