Am Morgen in Moskau – am Nachmittag in Rio
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Wer hat eine Familie mit 500 Mitgliedern? Carola Lentz! Die Ethnologin wurde bei einem Forschungsaufenthalt in Ghana "adoptiert". Ihr Name dort lautete Tuonianuo – "Bitterkeit ist Süße". Seit kurzem ist sie Präsidentin des Goethe-Instituts.
Eine Forschungsreise nach Ghana in den 80er Jahren veränderte das Leben der Ethnologin Carola Lentz. Sie wollte das ganze Land kennen lernen und wandte sich an einen ghanaischen Forschungskollegen, dessen Familie im Norden des Landes wohnt. Er brachte sie mit seinem Vater und dem Rest der Familie zusammen. Lentz verbrachte in der Zeit jeden Abend mit dem Vater, der über die lokale Kultur berichtete; ein Schuljunge übersetzte. Am Ende des Besuchs gehörte die Deutsche zu der 500-köpfigen Familie.
Ein zweiter Vater in Ghana
So wurde die deutsche Wissenschaftlerin "adoptiert". Der afrikanische Vater gab ihr in einer kleinen Zeremonie den Namen "Tuonianuo". Übersetzt heißt das: "Bitterkeit ist Süße." Familie sei letztlich das, was wir daraus machen, findet Carola Lentz: "Verwandtschaftsbeziehungen bauen uns ein Netzwerk, aber wir müssen uns engagieren, wenn daraus mehr werden soll als eine Verbindung, die im Stammbaum gezeichnet werden kann." (*)
"Wir sind am Puls der Zeit"
Ihre eigentliche Familie lebt in Deutschland. Carola Lentz wurde 1954 in Braunschweig geboren, studierte Soziologie, Politikwissenschaft, Germanistik und Pädagogik; zunächst mit dem Berufsziel, Lehrerin zu werden. Doch ihr Forschungsdrang überwog. Und da sie mit Leidenschaft "Feldforschung vor Ort" betreibt, wurde sie schließlich Professorin für Ethnologie. Für verstaubt hält sie das Fach Ethnologie gar nicht: "Wir sind am Puls der Zeit."
Vom Kulturexporteur zum globalen Netzwerker
An ihren ersten Kontakt mit einem Goethe-Institut kann sich Carola Lentz noch gut erinnern: "1972 habe ich das Studium in Göttingen begonnen. In Göttingen gab es das Goethe-Institut in einem herrlichen Altbau. Wir haben da unsere Faschingspartys regelmäßig gefeiert." Heute ist sie Präsidentin des weltweit agierenden Goethe-Instituts. Anlässlich des 70. Jubiläums schreibt die Ethnologin ein Buch über das Institut. Dessen Rolle habe sich vom Kulturexporteur zum globalen Netzwerker entwickelt, so Lentz. Ganz zentral dabei: der Gedanke der Co-Produktion. "Vernetzungen lokaler Szenen untereinander in der Welt ermöglichen und an diesen gemeinsamen Programmen und Produktionen arbeiten", sie stehen heute vielmehr im Mittelpunkt.
Fürs Tanzen braucht sie einen Groove
Die Corona Pandemie schränkt die Arbeit der neuen Präsidentin ein. Sie wird erstmal keines der 157 Goethe-Institute besuchen können. "Ich bin die letzten Wochen unterwegs gewesen in vielen, vielen Skype- oder Teams-Gesprächen und war dann morgens in Moskau und nachmittags in Rio de Janeiro und am nächsten Vormittag in Kairo."
Wenn es denn wieder möglich ist, freut sich Lentz nicht nur auf die Reisen, sondern auch auf das Tanzen: "Ich mag gerne Salsa, Tango kann ich leider noch nicht. Vielleicht ergibt sich noch die Gelegenheit. Es darf schon richtig ordentlich einen Groove und Drive haben."
Redaktioneller Hinweis: Wir haben den Absatz um eine missverständliche Formulierung gekürzt.