Carola Rackete, Kapitänin der SeaWatch3

"Ich definiere mich nicht über Seenotrettung"

33:37 Minuten
Carola Rackete, Kapitänin der Sea-Watch 3, aufgenommen im Rahmen der Protestaktion Extinction Rebellion am Grossen Stern an der Siegessaeule in Berlin, 08.10.2019.
Das Engagement für Flüchtlinge, das ist für Carola Rackete ein wichtiger Teil im Leben. Vor allem aber versteht sie sich als Klimaaktivistin. © imago images / photothek / Florian Gärtner
Moderation: Ulrike Timm |
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Im Juni verboten die italienischen Behörden, dass ihr Schiff mit 53 Flüchtlingen an Bord anlegen durfte. Kapitänin Carola Rackete aber fuhr trotzdem in den Hafen von Lampedusa. Ihre anschließende Verhaftung sorgte dann weltweit für Aufsehen.
Bäume pflanzen für ein Naturschutzprojekt - damit war Carola Rackete im Juni 2019 eigentlich beschäftigt. Dann klingelte das Telefon, die Crew der Seawatch 3 war dran. Ob sie die Führung übernehmen könne, der Kapitän wäre kurzfristig ausgefallen. Sie sagte zu und die folgenden drei Wochen sollten ihr Leben verändern. Carola Rackete, eine unbekannte junge Frau aus Celle, war plötzlich überall in den Schlagzeilen. 53 Flüchtlinge hatten sie und ihre Crew aus dem Mittelmeer gerettet. Danach war die Besatzung über zwei Wochen auf der Suche nach einem sicheren Hafen, nach einer legalen Anlagemöglichkeit.

"Die ganze Zeit war eine Lösung da"

Dabei hatte die Stadt Rottenburg am Neckar bereits am zweiten Tag die Aufnahme der Flüchtlinge angeboten, so Rackete: "Eigentlich war die ganze Zeit eine Lösung da. Allein das deutsche und das italienische Innenministerium wollten so einen Transfer an Land nicht erlauben. Das war natürlich extrem frustrierend, weil wir wussten, es gibt eine Lösung."
Trotz eines Verbots durch die italienischen Behörden legte die Sewatch 3 nach wochenlangem Warten im Hafen von Lampedusa an, Rackte wurde festgenommen. "Die Frustration verstärkte sich immer mehr an Bord. Wir kamen gemeinsam zu dem Schluss, dass wir die medizinische Verantwortung, das wir die Sicherheit der Personen einfach nicht mehr garantieren können."
Was bei vielen Flüchtlingen an Bord auffällig war, so die Kapitänin: "Fast alle haben die Erfahrung von Menschenrechtsverletzungen gemacht. Es sind krasse Geschichten, die sie aus Libyen erzählen. Leute werden gekidnappt, Leute werden gefoltert. Man sieht das auch an den schlecht verheilten Wunden."

"Wir haben keine Flüchtlingskrise"

Nach drei Tagen Hausarrest entschied eine italienische Richterin zu Gunsten von Carola Rackte. Für die einen war die 31-Jährige fortan eine Heldin, für die anderen war sie die Kommandantin eines Piratenschiffs. Aber wie blickt Carola Rackete auf diese Aktion zurück? "Die Seenotrettung ist eigentlich eine staatliche Aufgabe. Es ist überhaupt nicht der Sinn der Sache, dass das die Zivilgesellschaft macht. Wir machen das wirklich nur, weil das sonst keiner tut. Wir haben keine Flüchtlingskrise. Wir haben eine Krise der Solidarität. Die EU ist letztlich eine Wirtschaftsgemeinschaft."
Das Engagement für Flüchtlinge ist für Carola Rackete ein wichtiger Teil im Leben. Vor allem aber versteht sie sich als Klimaaktivistin. "Ich mache die Seenotrettung wirklich nur, weil es sonst kein anderer tut. Ich definiere mich nicht darüber. Ich bin mittlerweile Ökologin und versuche wenig Zeit auf Schiffen zuzubringen."
Auch wenn ihr der Rummel um ihre Person nicht recht sei, ihre Bekanntheit wolle Rackete jetzt nutzen. In ihrem neuen Buch: "Handeln statt hoffen. Aufruf an die letzte Generation" verbindet sie beide Aspekte, Flüchtlinge und Klimakrise, denn beide Themen gehören für Rackete eng zusammen.

Nicht hoffen, selber handeln

Zur Seefahrt, zum Umweltschutz kam Carola Rackete eher zufällig. Kein Job im Büro, das war ihr nach dem Abi klar, eine wirkliche Idee hatte sie aber nicht. Sie studierte Nautik, arbeitete auf der Polarstern, dem Forschungsschiff des Alfred Wegner Instituts. "Ich war in der Arktis und der Antarktis. Wenn man einfach sieht, was an diesen Polargebieten sich verändert, wie rasant der Klimawandel voranschreitet, und wenn man auch den Zugang zu Wissenschaftlern hat, dann entwickelt man auch ein anderes Verständnis dafür."
Gerade mit diesen Eindrücken zeigt sich Carola Rackete ganz besonders enttäuscht, besonders wenn sie an das Klimapaket der Bundesregierung denkt: "Die Wissenschaft ist komplett auf den Barrikaden und total entsetzt darüber, was da beschlossen wurde." Getreu dem Titel ihres Buches, will Carola Rackete in Zukunft lieber selber handeln, als auf andere zu hoffen: "Ich würde wieder gern im Rahmen der Polarforschung arbeiten. Und gleichzeitig gibt es Möglichkeiten, bei den sozialen Bewegungen etwas zu tun. Für mich ist eine Misch wichtig, draußen in der Natur zu sein, um in den Ökosystemen selbst zu arbeiten Und dann auch eine politische Arbeit zu unterstützen."
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