Das pure Vergnügen am Sein
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Die Salzburger Festspiele finden trotz Corona statt und führen wieder den "Jedermann" auf. Caroline Peters spielt darin die Buhlschaft an der Seite von Tobias Moretti. In dem Stück lasse sich immer wieder etwas Neues entdecken, sagt sie.
Stephan Karkowsky: "Die Welt ist dumm, gemein und schlecht, und geht Gewalt allzeit vor Recht, ist einer redlich, treu und klug, ihn meistern Arglist und Betrug", sagt der Teufel und geht ab im "Jedermann", dem Theaterklassiker von Hugo von Hofmannsthal, dem Begründer der Salzburger Festspiele.
Dort ist sie, die Heimat des "Jedermann", dort wird er alljährlich aufgeführt, auch diesmal zum 100. Festspieljubiläum trotz Corona. Die Rolle der Geliebten, also der Buhlschaft, übernimmt dieses Jahr die Burgschauspielerin Caroline Peters. Es wurde ja auch Zeit, seitdem Sie 2019 als erste Mainzerin zur Österreicherin des Jahres gekürt worden sind, oder?
Peters: Ja, vielleicht hängt das irgendwie zusammen, keine Ahnung! Ein nach wie vor kurioser Umstand, aber auch erfreulich.
Karkowsky: Es soll unter unseren Hörern und Hörerinnen durchaus Menschen geben, die den "Jedermann" nicht kennen. Lässt sich das Geschehen auf einen Satz verdichten?
Peters: Wahrscheinlich schon. Ich weiß nicht, ob ich schnell genug dazu bin. Es geht darum: Der Jedermann wird vor die Entscheidung gestellt, ist dein ganzes schnödes Leben, das nur mit Vergnügungssucht und Geldverdienen zusammenhängt, richtig, oder solltest du nicht vor deinen Schöpfer treten und dich dem Glauben hingeben.
Karkowsky: Also ein reicher Mann, der von Gott geprüft wird und anschließend zum rechten Glauben findet. Welche Rolle spielt dabei seine Geliebte, die Buhlschaft, also Sie?
Peters: Er begegnet in diesem Stück sehr vielen Figuren, die Allegorien sind oder Situationen in seinem Leben darstellen, und eine davon ist die Buhlschaft. Sie stellt das pure Vergnügen dar, das pure Vergnügen am Sein, am Geldausgeben, am Feiern, am Entourage-Haben, am Reicher-Lebemann-Sein. Auch das ist natürlich ein Grund zu denken: Soll ich nicht lieber hier auf der Erde bleiben, ist doch eigentlich herrlich so ein Leben, was gibt es denn daran zu bezweifeln?
Es geht um viel Geld
Karkowsky: An Ihrer Seite steht Tobias Moretti als Jedermann. Wie werden Sie ihm begegnen – als sexy Vamp, als kühle Schönheit, vielleicht als moderne Influencerin?
Peters: Weder noch. Wir versuchen, das Ganze irgendwie sehr mit Persönlichkeit aufzuladen, dass man das versteht, warum die so zusammen sind und dass das so Erwachsene sind, die viel miteinander anfangen können. Was die beiden teilen, ist Leichtigkeit und Offenheit und Freude, was jetzt nicht unbedingt Jedermanns Haupteigenschaften sind und auch in dem Stück eigentlich nicht zum Tragen kommen, aber in der Begegnung schon.
Karkowsky: Der "Jedermann" gilt als Mysterienspiel, uraufgeführt 1911 in Berlin, seit 100 Jahren nun in Salzburg ansässig, immer am selben Ort, vor dem Dom, immer prominent besetzt. Was kann man denn da noch Neues entdecken?
Peters: Man kann da eigentlich immer wieder was Neues drin entdecken, weil jede Zeit ihre eigenen Probleme und Themen da reinhören und reinlesen kann. Was tatsächlich nicht neu ist, das muss 1920 schon so gewesen sein, ist, dass es hier im Salzkammergut Salzburg unheimlich viel um Geld geht. Hier gibt es unheimlich reiche Leute, und Salzburg war schon immer sehr, sehr reich. Diese Frage, wie ist der Reichtum und die Lebensführung, ist das eigentlich richtig so, da hat sich wahrscheinlich über die letzten 100 Jahre nicht so viel weiterentwickelt.
Karkowsky: Der Jedermann will der Buhlschaft einen Lustgarten schenken. Heute würde er wahrscheinlich ein Apartment wählen mit Blick auf die Salzburg. Wie gestrig oder wie aktuell finden Sie diese Rolle?
Peters: Das frage ich mich die ganze Zeit schon, wie aktuell ist es eigentlich, ein altes Stück zu spielen. Natürlich erst mal gar nicht, sondern man hört was Altes, was 100 Jahre alt ist. Man hat es aus dem Schrank genommen, hört sich das an mit den Ohren und Augen von heute und guckt, ob man darin was findet, was einen interessieren kann. Ich habe mich auch gefragt, ob es 1911 aktuell war, ein Mysterienspiel aus dem Mittelalter als Form zu wählen oder ob das spinös ist von Herrn Hofmannsthal.
Heutzutage würde man das nicht mehr Geliebte nennen. Ein unverheirateter Mann, der mit einer unverheirateten Frau zusammenlebt und der ein Apartment schenkt und mit der zusammen Freunde einlädt, die wären heutzutage einfach ein Paar. Vor 100 Jahren war das noch, solange es da keine Ehe gibt, ist das irgendwas Merkwürdiges dazwischen. Männer, die Frauen Apartments schenken, gibt es wahrscheinlich immer noch.
Spielen unter Hygieneregeln
Karkowsky: Wahrscheinlich! Sie spielen in Coronazeiten, das kann man natürlich nicht außen vor lassen. Allein die Arbeit, das Spielen, die Proben, wie hat das funktioniert bei Ihnen? Nur mit viel Abstand vom Jedermann?
Peters: Das ganze Team ist in Gruppen eingeteilt, Gruppen, die oft getestet werden, die weniger oft getestet werden und die noch weniger oft getestet werden. Mit denen man in einer Gruppe ist, wir haben alle so Badges mit Farbsymbolen darauf. Wir aus der roten Gruppe begegnen uns auch nah und werden aber ständig getestet. Mit anderen wiederum hält man viel mehr Abstand, und man hält auch Abstand zu jeder Art von ausschweifendem Sozialleben außerhalb der Probe.
Wir sind eigentlich alle immer nur zu Hause und auf der Probe und hoffen, dass wir das so gut hinkriegen, da gut durchzukommen. Insgesamt herrscht so eine Stimmung, vor allen Dingen bei uns unter den Tänzern und Musikern, die alle dabei sind, dass wir alle wahnsinnig froh sind, dass wir auftreten. Wir haben einfach wahnsinnig Lust dazu, unseren Beruf wieder auszuüben und zu beweisen, dass das auch in Zeiten von Corona möglich ist. Es wird überall gezeigt, dass man im Flugzeug sitzen kann, ganz dicht beieinander, aber im Theater und in der Oper sei es unmöglich – wir versuchen, das irgendwie für uns zu retten.
Karkowsky: Kennen Sie die Regeln schon, die die Festspiele aufgestellt haben für die Zuschauer?
Peters: Nein, das kenne ich noch nicht so genau. Auf jeden Fall weiß ich die Sitzplatzregelung. Es wird wie ein Schachbrettmuster angeordnet. Jeder Zuschauer sitzt komplett allein, rechts ist ein Platz frei, links ist ein Platz frei, vor einem und hinter einem. Es ist so über Kreuz angeordnet, dass man immer so über Kreuz miteinander sitzt, und die Zuschauer haben alle einen Mundschutz, und es ist Open Air.
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