Immer auf Talentsuche
Es ist eine eigene Kunst, die richtigen Schauspieler für eine Rolle zu finden, ein Ensemble für einen Film zusammenzustellen. Der Job heißt Casting Director, doch für sie gibt es keinen Oscar. Noch nicht.
Auch Stars wie Robert Downey Jr. müssen noch für Rollen vorsprechen. Ob sie dazu überhaupt eingeladen werden, entscheiden Casting-Direktoren wie Jennifer Euston. Ihr Job beginnt direkt nachdem Regisseur und Produzent beschließen, einen Film oder eine Fernsehserie zu drehen. Sie trifft dann die Vorauswahl fürs Ensemble. Euston tut das seit über 20 Jahren. In einem Radiointerview erklärt sie ihren Job:
"Ich bekomme das Drehbuch, lese es, analysiere es. Ich bin verantwortlich für alle mit einer Sprechrolle, auch wenn sie nur 'Hi' sagen."
Jennifer Euston arbeitet vor allem für Fernsehserien. Ihr letzter großer Erfolg ist die Netflix-Serie über ein Frauengefängnis "Orange Is The New Black". Ihre Kollegin Ellen Lewis arbeitet ausschließlich für Kinofilme. Sie hat das Geschäft bei Casting-Legende Marion Dougherty in New York gelernt, besetzte so unterschiedliche Filme wie "Forrest Gump" und "Der Teufel trägt Prada". Seit über 25 Jahren ist sie Martin Scorseses Casting Direktorin:
"Ich mache eine Liste von Namen und gehe mit Marty diese Liste durch. Er fällt die endgültige Entscheidung. Für die Besetzung der kleineren Rollen ist es meine Aufgabe, so viele Schauspieler wie möglich zu sehen. Ich bringe ihm dann etwa fünf pro Rolle. Das ist der aufregende Teil der Arbeit. Er sieht vier, fünf unterschiedliche Ansätze, wie die Rolle gespielt werden kann."
Casting Direktoren sind ständig auf der Suche nach Talenten: im Film, auf der Bühne, im Fernsehen, Online, seit Neustem auch via Skype und in YouTube Videos. Ein großer Fundus und ein gutes Gespür dafür, wer die Vision des Regisseurs am besten verkörpern kann sind notwendig für Erfolg in der Branche, erklärt Richard Hicks, Vorsitzender der Casting Society of America:
"Ich glaube, es ist ein absolut unterbewertetes Handwerk in Hollywood. Wir allein müssen dafür zu sorgen, dass ein Film das bestmögliche Ensemble bekommt."
Nicht schön im klassischen Sinn
Marion Dougherty entwickelte den Beruf Mitte der 50er-Jahre in New York als Gegenpol zum Studiosystem an der US-Westküste. Hollywood förderte gutaussehende Stars, Dougherty fand an der Ostküste Charakterdarsteller. Dazu gehörten Dustin Hoffman, Robert Duvall, Glenn Close, Diane Lane und Gene Hackman. Ihr Anliegen war, Personen auf die Leinwand zu bringen, die nicht im klassischen Sinn schön sind. Heute geht es um 'Diversity'.
Jennifer Euston sagt, sie musste nicht nach Schauspielerinnen für "Orange Is The New Black" suchen. Sie hatte Darstellerinnen sämtlicher Hautfarben, Altersklassen und sexueller Orientierungen schon früher Regisseuren vorgestellt. Bis dahin bekamen sie aber nur Mini-Rollen als Kassiererin, Nachbarin oder Babysitter:
"Ich kannte diese Frauen seit vielen, vielen Jahren. Ich hab sie im Theater gesehen und für diese kleinen Rollen vorgestellt. Ich kam mit einem ziemlich großen Arsenal zu "Orange Is The New Black". Ich habe auch für Regisseure gearbeitet, die vor allem nach weißen Männern verlangten. Du tust dein Bestes, bietest wenn möglich Alternativen an, aber der Regisseur entscheidet, wer die Rolle bekommt."
Bei dieser Entscheidung spielen viele Faktoren eine Rolle, zum Beispiel das Drehbuch, das Budget und ob die Produzenten international bekannte Stars verlangen. Scorsese-Casting-Direktorin Lewis sagt: das Letztere konnte sie noch nie nachvollziehen:
"Du kannst einen Hype schaffen, indem du jemanden auswählst, der interessant und richtig für die Rolle ist. Es geht aber auch anders, beispielsweise der wunderschöne Film "Beasts of The Southern Wild". Niemand kannte die Schauspieler und der Film war trotzdem ein Erfolg."
Unbewusste Verhaltensmuster in Frage stellen
Hollywood ist unter Druck, mehr Vielfalt bei Rollenbesetzungen zu zeigen. Das ist nicht nur richtig, um die Welt darzustellen, wie sie ist. Es ist auch gut für die Kassen, wie der neuste "Star Wars" Film und "Straight Outta Compton" bewiesen haben. Casting Direktoren können bei diesem Wandel der Filmindustrie eine entscheidende Rolle spielen, sagt CSA-Vorsitzender Richard Hicks:
"Wir sind in einer einzigartigen Position, diese kulturelle Konversation voranzutreiben. Wir können unbewusste Verhaltensmuster in Frage stellen, zum Beispiel so: Warum kann eine Frau nicht die Hauptrolle haben oder ein Afroamerikaner diese Figur spielen? Casting hat einen enormen Einfluss, indem wir den Regisseuren und Produzenten Alternativen vorschlagen zu dem was sie üblicherweise in Betracht ziehen."
Vor drei Jahren richtete die Oscar-Akademie den Casting-Direktoren einen eigenen Zweig in der Organisation ein. Richard Hicks hofft, es ist nur eine Frage der Zeit bis ihre Arbeit mit einem Oscar gewürdigt wird:
"Die Akademie hat wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht, um unseren Beitrag zu Filmprojekten anzuerkennen. Das ist wunderbar. Es ist ein Traum von mir, dass Castings eines Tages angemessen honoriert werden."