Langzeitarbeitslose? Ja bitte!

Ein Fünftel seiner Mitarbeiter waren vorher langzeitarbeitslos. Lutz Werner aus Gera hat sie trotzdem eingestellt und die Arbeitsabläufe seines Catering-Unternehmens auf sie abgestimmt. Denn sie sollen unbedingt bleiben.
Ramona Tämmler holt die Teller für das Abendbrot aus einem Wandregal. Gemeinsam mit ihrer Kollegin muss sie Brote schmieren. 120 Portionen. Und jeder Teller ist individuell:
"Also hier, das ist unsere Spätschicht, hier wird das Abendbrot zubereitet für alle Stationen; wir haben ja vier Wohnbereich hier, was das Heim ist. Und da wird alles geschmiert hier. Da gibt's Karteikarten pro Bewohner. Da steht alles drauf, was jeder kriegt."
Auf jedem Tablett in der Transportbox liegt eine Karteikarte:
"Ich zeig's Ihnen mal. So sieht das aus. zum Beispiel Abendessen: Zwei Scheiben Graubrot, Butter, und so weiter, und so fort. Dann steht auch hier "geschmiert" oder "ungeschmiert", "gewürfelt" und so weiter. Kleine Würfel müssen wir auch machen. Ja, das gibt's auch. Das gibt's auch. Da kommen wir alle mal hin!"
Ramona Tämmler ist 53. Gelernt hat sie nach der Schule im Büro, aber seit den 90er Jahren arbeitet sie in der Gastronomie. Ohne Unterbrechung. Zuletzt in einer Betriebskantine. Bis ihre Chefin aufgab und sie auf der Straße stand. Arbeitslos, zum ersten Mal.
"Ganz furchtbar! Ganz furchtbar! Nicht gebraucht zu werden und dann eben auch zu suchen, wieder was zu finden, was einen auch ein bissel ... Man hat zwar viele Angebote gekriegt, aber da war ... Ehe man das Richtige wieder findet - furchtbar! Fürchterlich!"
Haben Sie Bewerbungen geschrieben? Wie viele?
"Ja. 20, 25 bestimmt! Ich glaube, man gewöhnt sich da auch schnell dran, wenn man nur zu Hause ist. Da kommt man nicht mehr in die Gänge! Also, wenn ich manche so höre, die schon jahrelang zu Hause sind, das ist ... Die können früh gar nicht mehr aufstehen."
Qualifiziertes Personal ist nicht mehr selbstverständlich
Ein gutes Jahr lang war Ramona Tämmler arbeitslos - und damit der Definition nach langzeitarbeitslos. Ihre Chance, einen neuen Job zu bekommen, sank von Monat zu Monat - gerade in Gera, wo die Arbeitslosigkeit über dem Landesschnitt liegt. Doch dann kam die Firma CASW ins Spiel, ein Caterer, der Altenheime 365 Tage im Jahr mit allen Mahlzeiten versorgt. Geschäftsführer Lutz Werner berichtet von der Schwierigkeit, die richtigen Leute zu finden:
"Ich sag' mal: Personalmangel im klassischen Sinne haben wir ja gar nicht. Die Frage ist, den oder die Richtige zu finden. Da ist der Mangel schon da. Deswegen muss man auch gucken - Wer ist nicht mehr in Lohn und Brot? - und gucken - Warum ist der nicht mehr in Lohn und Brot? Und das zwingt uns schon die demographische Entwicklung auf, das muss man ganz klar mal so sagen. Früher war das einfacher: Wer es nicht geschafft hat, der konnte relativ gut ersetzt werden. Aber auch in der Cateringbranche ist mittlerweile qualifiziertes arbeitswilliges Personal schwierig zu finden. Das ist Realität."
Elf seiner 53 Beschäftigen waren zuvor langzeitarbeitslos. Die ersten Monate bekommt er für sie einen Lohnkostenzuschuss von der Agentur für Arbeit. Mit keinem, sagt er, habe es langfristig Probleme gegeben. Nur am Anfang läuft manches etwas holprig:
"Also, wir merken das am Auftreten, manchmal an der Unsicherheit. Wie sich die Leute bewegen, wie sie vielleicht einen Gast begrüßen oder wie sie die Kasse auf- und wieder zumachen. Da merkt man, dass das noch nicht routiniert läuft, an der Körpersprache oder vielleicht mal am Schweigen oder vielleicht mal an einer zittrigen Hand. Aber das geht schnell weg. Es gibt aber Kollegen, die sind ganz schnell wieder drin, weil sie eben unterstützt werden und weil sie lernen, dass man nicht Angst haben muss vor Fehlern. Man muss Fehler machen, und wenn man den Kollegen die Angst nimmt, dann sind sie relativ schnell drin."
Ramona Tämmler bestätigt Werners Erfahrungen. Am wichtigsten war ihr schon zu Beginn das gute Betriebsklima:
"Klar, der eine oder andere am Anfang hat ein bisschen Probleme. Aber da muss man die schon mitreißen. Und das hat auch funktioniert. Also, wir unter Frauen. Das klappt schon! Immer motivieren!"
Jeder Arbeitsschritt ist genau definiert, Verträge sind unbefristet
Lutz Werner ist eigentlich Ingenieur. Und so hat er auch die Arbeit in der Großküche im Altenheim organisiert. Jeder Arbeitsschritt ist genau definiert und in Aushängen dokumentiert; jede Hauswirtschafterin weiß so in jedem Moment genau, was gerade zu tun ist. Gerade den Neuen würde das ungemein helfen, meint er:
"So einen kontinuierlichen Arbeitsprozess kennen Langzeitarbeitslose einfach nicht mehr. Die sind ja irgendwann mal arbeitslos geworden, und dann geht das Gefühl dafür verloren: Wie sieht denn so ein Arbeitsrhythmus eigentlich aus? Und je besser man den praktisch strukturiert und immer wiederholt, umso schneller kommt die Einarbeitung. Also das ist, denke ich mal, die größte Umstellung, in diesen kontinuierlichen Prozess wieder reinzukommen."
Werner zahlt den Anfängern Mindestlohn, später etwas mehr. Dafür müssen sie auch an Sonntagen, an Feiertagen, zu Weihnachten arbeiten. Werner muss ihnen etwas anderes bieten:
"Was wir auch machen: Wir stellen grundsätzlich unbefristet ein, also ich habe keine befristeten Arbeitsverträge mehr. Je stabiler die Personalmannschaft läuft, umso weniger habe ich Wechsel, umso weniger habe ich neue Einarbeitungszeiten. Und deswegen lohnt sich das auch, einen Langzeitarbeitslosen so zu qualifizieren, bis er Teil der Stammbelegschaft geworden ist."