Nachruf Caterina Valente
Ihr Talent hat ihr einen Eintrag in der Jazz Encyclopedia eingebracht: Caterina Valente, hier bei einem Auftritt 1970. © picture-alliance / Sven Simon
"Meine erste Liebe: Jazz!"
06:20 Minuten
Caterina Valente wurde international bekannt durch ihre Jazz- und Bossa Nova-Stücke, sang mit Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Bing Crosby. Doch in Deutschland nahm man sie nur als Schlagerstar wahr. Jetzt ist sie im Alter von 93 Jahren gestorben.
Caterina Valente war die Ikone des deutschen Wirtschaftswunders, zu einer Zeit, als das Showbusiness noch ein "Schaugeschäft" war. Und das passte, denn die 1931 in Paris geborene Caterina war mit ihren Geschwistern die siebte Generation einer italienischen Artistenfamilie. Zur Musik kam sie früh.
"Meine erste Liebe war Jazz. Ich habe Jazz kennengelernt, auch von zu Hause aus, denn meine Mutter war ein Jazzfan und kannte fast alle drüben. Und ich bin mit Ellington aufgewachsen, mit Sidney Bechet, mit Armstrong, mit Bessie Smith und mit einer Frau, die – glaube ich – meine Karriere gestartet hat: Billie Holiday. Als ich sie zum ersten Mal gehört habe, habe ich geweint. Ich muss fünf gewesen sein, und da habe ich schon gewusst: Ich werde Sängerin."
Singen war außerdem das Einzige, was der alles beherrschenden Mutter nicht so recht lag. Maria Valente war eine berühmte Varietékünstlerin und Pantomimin, die sich und der Familie alles abverlangte. Ständig sind sie unterwegs.
Der Weltkrieg als prägendes Erlebnis
Mit fünf Jahren steht Caterina in Stuttgart zum ersten Mal auf der Bühne. Bei Kriegsausbruch gastiert die Familie in der Schweiz. Von dort können sie nicht zurück nach Paris.
Um zu überleben, nehmen die Valentes schließlich ein Engagement in Deutschland an. Später werden sie zur Truppenbetreuung verpflichtet. Die 13-jährige Caterina erlebt in Breslau, wo sie Verwundete pflegt, wie die sowjetische Armee die Stadt bombardiert.
"Es war das Grausamste, was ich je gesehen habe. Wir versuchten, die Menschen aus den Trümmern zu holen. Aber wir hatten nur Stücke in der Hand, einen Arm, ein Bein, einen kopflosen Rumpf, es war die Hölle."
Nach einer Odyssee durch russische Lager kommt die Familie zurück nach Frankreich. Als Caterina 1951 einen deutschen Artisten heiraten will, droht die Mutter mit Verstoßung. Doch Caterina setzt sich durch.
Eines Tages ermuntert sie der Zirkusleiter, der legendäre Clown Grock, mit einer Gesangsnummer aufzutreten, nicht zuletzt, weil sie als Assistentin ihres Mannes eine Katastrophe ist.
So trifft sie auf Walo Linder von Radio Zürich. Er produziert mit ihr eine Aufnahme, die Caterinas Mann an andere Rundfunkanstalten schickt. So kommt es zur ersten Plattenaufnahme.
Ein Frauenklo als Tonstudio
1953 nimmt sie mit dem Orchesterleiter Werner Müller das südamerikanische Stück "Malagueña" auf, das in den USA ein Hit wird. Dort bewundert man die Kunst der deutschen Toningenieure und deren Versiertheit im Umgang mit dem Echo. Caterina weiß es besser:
"Es war aber kein Echo. Ich habe nämlich auf dem Frauenklo gesungen, weil das aus Marmor war, und das klang so herrlich. Und die haben gedacht, die haben irgendwo einen Trick, super Mikrofone und so weiter – gar nichts. Also ich habe einfach auf diesem wunderschönen Frauenklo Malagueña gesungen. Und es klingt enorm!"
International reüssiert sie mit Jazz und südamerikanischer Musik. Und sie verhilft der brasilianischen Bossa Nova zum internationalen Durchbruch. In Deutschland bleibt sie beim Schlager, der bestenfalls in Richtung Chanson geht.
In den USA tritt Caterina Valente mit vielen Größen der Unterhaltungsbranche auf, wie Danny Kaye oder Dean Martin. Außerdem singt sie mit Ella Fitzgerald, Louis Armstrong und Bing Crosby.
Zu Aufnahmen kommt es wegen konkurrierender Plattenfirmen selten. Eine der wenigen Ausnahmen entsteht 1956 beim SWR nach einem Konzert mit Chet Baker.
Mit den Jazzgrößen auf der Bühne
Die Valente ist ein Arbeitstier. In 45 Jahren hat sie nur fünf Konzerte abgesagt. Sie sang in zwölf Sprachen, nahm 1500 Titel auf.
In Deutschland bleibt der Weltstar ein seltsames Zwitterwesen: die tanzende Hausfrau mit einem Hauch von Exotik und komischem Talent.
1985 erfüllt sich "die Valente" dann einen großen Traum: Sie nimmt ein Album mit der Count Basie Band auf. Und antizipiert so das Jazz-Revival der 1990er-Jahre.
1985 erfüllt sich "die Valente" dann einen großen Traum: Sie nimmt ein Album mit der Count Basie Band auf. Und antizipiert so das Jazz-Revival der 1990er-Jahre.
2005 tritt sie ein letztes Mal ins Rampenlicht, dann zieht sie sich in die Schweiz zurück. Die Familie, der Jazz, der Krieg – diese Themen, so scheint es, haben Caterina Valente ihr Leben lang nicht losgelassen. Die Frage, was sie sich noch wünscht, beantwortete sie in den letzten Interviews fast immer mit demselben Satz:
"Die Kinder der Welt, die Jugend von heute – mein Wunsch ist, dass sie keinen Krieg erleben. Das wäre mein größter Wunsch."