Cattelans erste (und letzte) Retrospektive
Die Ausstellung, in der in New York derzeit die Werke des Italieners Maurizio Cattelan zu sehen sind, dürfte den Besuchern noch lange im Gedächtnis bleiben. Wild durcheinander hängen seine wichtigsten Objekte, von Hitler bis zum Papst, in der Rotunde des Museums von der Decke.
Die Überraschung ist gelungen. Die mit viel Geheimniskrämerei vorbereitete neue Hauptausstellung im Guggenheim Museum zeigt wie beabsichtigt die erste Retrospektive des italienischen, in New York lebenden Künstlers Maurizio Cattelan.
Selten widerstrebte die Idee einer chronologischen, von Kuratoren geordneten Gesamtschau dem Schaffen eines Künstlers, dessen Werke immer nur isoliert gezeigt wurden und deren komplexe Bedeutung nur in ihrem ursprünglichen Zusammenhang verstanden werden kann, so wie bei Maurizio Cattelan. Doch zwischen der Entschlossenheit von Nancy Spector, der Chefkuratorin der Solomon Guggenheim Stiftung, und dem hartnäckigen Widerstand des Künstlers, sein Werk in einer Retrospektive zeigen zu lassen, entstand das einzigartige Konzept, die Retrospektive als ein eigenständiges neues Kunstwerk zu sehen und eine Installation zu kreieren, die auf das berühmte Gebäude des Guggenheims Museum in New York zugeschnitten ist. Dazu Nancy Spector:
"Maurizio ging ins andere Extrem, nämlich um weitere Vereinfachung zu verhindern, zeigt er alles so, als wäre es gleichwertig."
Cattelan ließ 130 seiner Objekte zusammentragen und hängte sie, gleichsam wie Würste beim Metzger, wild durcheinander in die Rotunda des Museums. Wie bei einem riesigen Mobile schweben die markanten Objekte in der Luft. Auf dem Weg die gewundene Rampe empor, sieht man Cattelans Schaffen in seiner enormen Vielfalt quasi auf einem Blick, und die einzelnen Objekte der Installation, die er so passend "All" nennt, erscheinen durch die Dreidimensionalität ihrer Anordnung buchstäblich in einem völlig neuen Licht.
So schwebt seine Arbeit "Daddy, Daddy", ein Walt-Disney-Pinoccio mit ausgebreiteten Armen, nun mehrere Meter über dem kleinen Brunnen der Halle, in dem er bei einer Ausstellung 2008 noch als Leiche schwamm. Cattelans berühmt gewordene Skulptur "La Nona Hora", eine lebensgroße Wachsfigur von Johannes Paul II., der von einem Meteor getroffen niedersinkt, schwebt unter der Arbeit "Felix" aus dem Jahr 2001, dem überdimensionalem Skelett einer Katze.
Obwohl die einzelnen Werke nicht mehr die volle visuelle Kraft ihrer ursprünglichen Installation haben, wirken sie hier dennoch auch als Einzelmotive. Da irritiert der in kurzen Hosen kniende Adolf Hitler mit dem mitleidigen Blick ganz oben unter der Kuppel genauso wie der kleine Junge, der am Strick hängt, oder das Foto der fünf Hände, deren zum Siegeszeichen geformten Finger zusammen den Davidstern bilden.
Man sieht, wie politisch Cattelans Arbeit ist, den sarkastisch-intelligenten Humor, der viele seiner Werke durchzieht und nicht zuletzt seine Beschäftigung mit dem Thema des Doppelgängers und des Todes.
Eines der wuchtigsten Objekte ist der große, in schwarzem Marmor gearbeitete Grabstein, den er anlässlich seiner Ausstellung in London aufstellen ließ. Wie die Namen von Soldaten an einem Kriegsgefallenendenkmal sind dort alle verlorenen Spiele der englischen Fußball-Nationalmannschaft eingraviert. Die Skulptur löste seinerzeit viel Empörung in London aus, stellt sie doch einen nicht nur ironischen Zusammenhang zwischen Kriegsheldenverehrung, Fußball und nationalem Stolz her.
Doppeldeutigkeit ist ein ausgesprochenes Markenzeichen Cattelans. Wie zum Beispiel auch in "Not Afraid of Love" aus dem Jahr 2000 anlässlich seiner ersten Ausstellung in New York: ein lebensgroßes Elefantenbaby unter einem weißen Laken mit ausgeschnittenen Augenlöchern und heraushängendem Rüssel. Man kann diese Arbeit sicher als Metapher für den emotionalen Zustand des Künstlers angesichts des einschüchternden New Yorker Kulturbetriebs sehen; doch während der heraushängende Rüssel eine eher sexuelle Assoziation zulässt, wirkt das gesamte Objekt mehr wie ein Elefant in einem Ku-Klux-Klan Kostüm.
Während man Maurizio Cattelans "All", von unten betrachtet, wie ein Spielzeugmobile aus Kindertagen oder eine schwebende Bibliothek seines Schaffens erlebt, werden im Gang die Rampe hinauf die Details immer eindrücklicher, bis die Gesamtinstallation, von oben gesehen, wie das traurige Erhängen seiner Kunstwerke wirkt.
Das Ende eines Opus wird impliziert, und tatsächlich hat der Künstler mit dem Ende der Ausstellung das Ende seines figurativen Schaffens angekündigt – er wird sozusagen in Rente gehen, obwohl niemand so richtig einzuschätzen vermag, was in Rente Gehen im Cattelanschen Sinne bedeutet. Dem Guggenheim Museum ist jedenfalls mit großem technischem Aufwand eine außergewöhnliche und eindrucksvolle Ausstellung gelungen. Kuratorin Nancy Spector:
"Ich glaube, die Besucher werden über das Wunder und das Spektakuläre der Installation staunen, aber meine Hoffnung ist, dass die Leute mit den vielen Details und deren Anordnung Zeit verbringen werden und die Vielfalt der Geschichten, die erzählt werden, entdecken."
Weitere Infos im Web:
Retrospektive Maurizio Cattelan im New Yorker Guggenheim Museum
Selten widerstrebte die Idee einer chronologischen, von Kuratoren geordneten Gesamtschau dem Schaffen eines Künstlers, dessen Werke immer nur isoliert gezeigt wurden und deren komplexe Bedeutung nur in ihrem ursprünglichen Zusammenhang verstanden werden kann, so wie bei Maurizio Cattelan. Doch zwischen der Entschlossenheit von Nancy Spector, der Chefkuratorin der Solomon Guggenheim Stiftung, und dem hartnäckigen Widerstand des Künstlers, sein Werk in einer Retrospektive zeigen zu lassen, entstand das einzigartige Konzept, die Retrospektive als ein eigenständiges neues Kunstwerk zu sehen und eine Installation zu kreieren, die auf das berühmte Gebäude des Guggenheims Museum in New York zugeschnitten ist. Dazu Nancy Spector:
"Maurizio ging ins andere Extrem, nämlich um weitere Vereinfachung zu verhindern, zeigt er alles so, als wäre es gleichwertig."
Cattelan ließ 130 seiner Objekte zusammentragen und hängte sie, gleichsam wie Würste beim Metzger, wild durcheinander in die Rotunda des Museums. Wie bei einem riesigen Mobile schweben die markanten Objekte in der Luft. Auf dem Weg die gewundene Rampe empor, sieht man Cattelans Schaffen in seiner enormen Vielfalt quasi auf einem Blick, und die einzelnen Objekte der Installation, die er so passend "All" nennt, erscheinen durch die Dreidimensionalität ihrer Anordnung buchstäblich in einem völlig neuen Licht.
So schwebt seine Arbeit "Daddy, Daddy", ein Walt-Disney-Pinoccio mit ausgebreiteten Armen, nun mehrere Meter über dem kleinen Brunnen der Halle, in dem er bei einer Ausstellung 2008 noch als Leiche schwamm. Cattelans berühmt gewordene Skulptur "La Nona Hora", eine lebensgroße Wachsfigur von Johannes Paul II., der von einem Meteor getroffen niedersinkt, schwebt unter der Arbeit "Felix" aus dem Jahr 2001, dem überdimensionalem Skelett einer Katze.
Obwohl die einzelnen Werke nicht mehr die volle visuelle Kraft ihrer ursprünglichen Installation haben, wirken sie hier dennoch auch als Einzelmotive. Da irritiert der in kurzen Hosen kniende Adolf Hitler mit dem mitleidigen Blick ganz oben unter der Kuppel genauso wie der kleine Junge, der am Strick hängt, oder das Foto der fünf Hände, deren zum Siegeszeichen geformten Finger zusammen den Davidstern bilden.
Man sieht, wie politisch Cattelans Arbeit ist, den sarkastisch-intelligenten Humor, der viele seiner Werke durchzieht und nicht zuletzt seine Beschäftigung mit dem Thema des Doppelgängers und des Todes.
Eines der wuchtigsten Objekte ist der große, in schwarzem Marmor gearbeitete Grabstein, den er anlässlich seiner Ausstellung in London aufstellen ließ. Wie die Namen von Soldaten an einem Kriegsgefallenendenkmal sind dort alle verlorenen Spiele der englischen Fußball-Nationalmannschaft eingraviert. Die Skulptur löste seinerzeit viel Empörung in London aus, stellt sie doch einen nicht nur ironischen Zusammenhang zwischen Kriegsheldenverehrung, Fußball und nationalem Stolz her.
Doppeldeutigkeit ist ein ausgesprochenes Markenzeichen Cattelans. Wie zum Beispiel auch in "Not Afraid of Love" aus dem Jahr 2000 anlässlich seiner ersten Ausstellung in New York: ein lebensgroßes Elefantenbaby unter einem weißen Laken mit ausgeschnittenen Augenlöchern und heraushängendem Rüssel. Man kann diese Arbeit sicher als Metapher für den emotionalen Zustand des Künstlers angesichts des einschüchternden New Yorker Kulturbetriebs sehen; doch während der heraushängende Rüssel eine eher sexuelle Assoziation zulässt, wirkt das gesamte Objekt mehr wie ein Elefant in einem Ku-Klux-Klan Kostüm.
Während man Maurizio Cattelans "All", von unten betrachtet, wie ein Spielzeugmobile aus Kindertagen oder eine schwebende Bibliothek seines Schaffens erlebt, werden im Gang die Rampe hinauf die Details immer eindrücklicher, bis die Gesamtinstallation, von oben gesehen, wie das traurige Erhängen seiner Kunstwerke wirkt.
Das Ende eines Opus wird impliziert, und tatsächlich hat der Künstler mit dem Ende der Ausstellung das Ende seines figurativen Schaffens angekündigt – er wird sozusagen in Rente gehen, obwohl niemand so richtig einzuschätzen vermag, was in Rente Gehen im Cattelanschen Sinne bedeutet. Dem Guggenheim Museum ist jedenfalls mit großem technischem Aufwand eine außergewöhnliche und eindrucksvolle Ausstellung gelungen. Kuratorin Nancy Spector:
"Ich glaube, die Besucher werden über das Wunder und das Spektakuläre der Installation staunen, aber meine Hoffnung ist, dass die Leute mit den vielen Details und deren Anordnung Zeit verbringen werden und die Vielfalt der Geschichten, die erzählt werden, entdecken."
Weitere Infos im Web:
Retrospektive Maurizio Cattelan im New Yorker Guggenheim Museum