Cave-Syndrome

Die Angst nach der Pandemie

04:42 Minuten
Eingang einer einsamen Höhle, Aufnahme aus dem Inneren. Ein heller Lichtstrahl strömt hinein.
Draußen scheint wieder die Sonne - doch trauen wir uns noch raus? © unsplash / Bruno van der Kraan
Oliver Reese im Gespräch mit Anke Schaefer |
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Die psychischen Folgen der Pandemie sind noch nicht gänzlich absehbar, doch eines ist schon klar: In den Alltag vor der Pandemie zurückzukehren, wird vermutlich nicht leicht. Dazu sei die Zeit zu erschütternd gewesen, sagt Theatermacher Oliver Reese.
Ein neuer Begriff geistert durch die Medien: "Cave-Syndrome". Er beschreibt einen Zustand, in dem die Bedrohung durch die Pandemie immer geringer wird, die Menschen aber nicht zu ihren alten Gewohnheiten zurückkehren.
Denn rund eineinhalb Jahre der Isolation haben erhebliche Spuren bei vielen hinterlassen. So zu tun, als wäre nie etwas gewesen - das geht möglicherweise nicht. Was plötzlich kommt, ist die Angst nach der Pandemie. Diese bringt einige Menschen dann dazu, zu Hause, in ihrer "Höhle" (eng.: cave) zu bleiben.
Egal, ob der Begriff wissenschaftlichen Kriterien genügt oder nur eine Eintagsfliege ist: Er verweist auf die psychischen Folgen eines gesellschaftlichen Zustands, der beispiellos ist. Daran erinnert der Theatermacher Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles. Die Pandemie habe besonders die älteren Menschen ins Mark getroffen, sagt er. Sie sei aus dem Nichts gekommen, niemand habe mit ihr rechnen können: "Das war unvorstellbar."

Wir wissen nicht genau, wie es weitergeht

"Dass das psychisch nicht so einfach zu bewältigen ist, erscheint mir glaskar", sagt Reese. "Cave-Syndrome "sei ein passender Begriff. Vielleicht seien sogar alle ein bisschen davon betroffen: "Wir wissen doch noch nicht so genau, wie sehr wir uns wieder unserem alten Leben annähern können. Wollen wir uns wieder die Hände geben? Wollen wir entspannt in einem Theater sitzen, in dem vor mir, hinter mir, neben mir überall Menschen sind?"
Nun könne man auch erkennen, was die Menschen während der Pandemie falsch gemacht hätten, sagt Reese: "Dass wir uns jeden, jeden Tag als erstes die Totenzahlen, die Inzidenzen angehört haben." Auch sei im Zusammenhang mit das Leben bereichernden Dingen nur noch von Sicherheitsauflagen die Rede gewesen.

Nur mit Angst und Verlust beschäftigt

So seien beispielsweise die Theater, sei die ganze Kultur erst sehr spät wieder "an den Start gegangen". Man habe abgewartet, bis doppelte und dreifache Sicherheit geherrscht habe. Aber der Wert des gemeinsamen Erlebens im Theater, im Gottesdienst oder beim Singen im Chor sei kein Thema gewesen. "Als Verlust ja, aber nicht als ein Faktor, der ganz wichtig (gewesen) wäre, um die Pandemie nicht nur physisch gesund, sondern auch psychisch gesund zu überstehen."
(ahe)
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